Der faschistische Werkschutz –ein Mordinstrument in <strong>der</strong> JudenvernichtungAuch <strong>der</strong> Werkschutz, das »betriebliche Terrororgan« in <strong>der</strong>Zeit zwischen 1933 und 1945 in Deutschland und den besetzenGebieten, war an <strong>der</strong> Judenvernichtung des faschistischenStaates beteiligt. Der Werkschutz übernahm als einOrgan in den Betrieben geheimpolizeiliche, polizeiliche, militärischeund ökonomische Funktionen, um letztendlich die Arbeiterklassezu unterdrücken. Er agierte ganz im Sinne HeinrichHimmlers als innere Wehrmacht. Dafür wurde er ab 1933sukzessive in den deutschen Betrieben durch den faschistischenStaat in Übereinstimmung mit Kreisen des Finanzkapitalsaufgebaut. 1 Unter dem Begriff Werkschutz subsumierensich die Positionen des Hauptabwehr- bzw. Konzernabwehrbeauftragtenin wenigen Großbetrieben wie <strong>der</strong> I.G. Farben,Daimler Benz AG, Junkers AG, o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Krupp AG, die Abwehrbeauftragten,die ihm unterstellten o<strong>der</strong> in Personalunion verbundenenWerkschutzleiter und die hauptamtlichen und nebenamtlichenWerkschutzmänner. Dieses Personal war beiden jeweiligen Betrieben angestellt. 2 Die Stärke des Werkschutzesstieg bis 1945 rapide an. Allein aus dem Bereich <strong>der</strong>Staatspolizeistelle Darmstadt wurden 1944 2000 Werkschutzangehörigegemeldet. 3Seine über den Betrieb hinausgehende staatliche Funktionzeigte sich nicht nur an <strong>der</strong> Durchführung von Morden an denJuden, wie die Massenhinrichtungen an jüdischen Häftlingendurch den Werkschutz <strong>der</strong> HASAG auf dem Werksgelände,son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Werkschutz war an groß angelegten Mordaktionenunter <strong>der</strong> Führung des RSHA in den »Ostgebieten« beteiligt.Es kam sogar zu seiner organisatorischen Einbettung indie Einsatzgruppen in den besetzten Gebieten <strong>der</strong> Sowjetunion,in Form von Einsätzen von Abwehrbeauftragten. Dies warnur die folgerichtige Entwicklung, da es Reinhard Heydrich,dem Chef <strong>der</strong> Sicherheitspolizei und des SD, spätesten 1939gelang, die Abwehrbeauftragten und somit den Werkschutzals »Hilfsorgan« strukturell an die Gestapo und den SD zu binden,und so zu einem Instrument <strong>der</strong> faschistischen Geheimpolizeizu machen. Diese Entwicklung fiel nicht zufällig mit<strong>der</strong> Gründung des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA), demorganisatorischen Abschluss <strong>der</strong> Zentralisierung und Vereinheitlichungdes geheimpolizeilichen Apparates, zusammen. 4Öl, Zwangsarbeit und Massenmord –Der Werkschutz <strong>der</strong> Kontinentale Öl AGDas drängendste Problem des faschistischen Staates bliebbis zum Ende die Versorgung <strong>der</strong> Industrie und <strong>der</strong> Militärmaschineriemit Öl. Um die »Gesamtinteressen Deutschlandsauf dem Erdölgebiet« zu befriedigen, wurde die deutsche Ölwirtschaftin einem staatsmonopolistischen Unternehmenzentralisiert. Diese riesige Monopolgesellschaft, die KontinentaleÖl AG, sollte gemäß <strong>der</strong> Weisung Görings »unterstaatlicher Leitung stehen, jedoch im übrigen völlig nachprivatwirtschaftlichen Gesichtspunkten von <strong>der</strong> Privatwirtschaftgeführt werden.« Die Dresdner Bank rühmte sich mitihrer »führenden Rolle bei <strong>der</strong> Finanzierung dieser Unternehmung.«Sie war mit einem Drittel an <strong>der</strong> Monopolgesellschaftbeteiligt. Die ständige Fe<strong>der</strong>führung lag jedoch bei <strong>der</strong> DeutschenBank, die <strong>der</strong> Dresdner Bank nur eine »Mitführung« zugestand. 5 Die Kontinentale Öl AG expandierte rasch RichtungOsten. Sie erhielt vom Wirtschaftsministerium die Ausbeutungsrechtefür die reichen sowjetischen Erdölfel<strong>der</strong>. 1941erhielt sie die Anweisung, spezielle Betriebe unter <strong>der</strong> Holdingfür die Ausbeutung verschiedener Ölregionen in denbesetzten Gebieten aufzubauen unter an<strong>der</strong>en für die BaltischenStaaten. Für dieses Gebiet wurde im Juli 1941 die BaltischeÖl- GmbH gegründet.Für die Ausplün<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> baltischen Ölschiefervorkommenwurden vor allem sowjetische Kriegsgefangene und »Ostarbeiter«zur Zwangsarbeit eingesetzt. Im Herbst 1943 wurdenmehr als 10.000 Zwangsarbeiter in den estnischen Ölschiefergrubenausgebeutet. Insgesamt sollen in <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Besatzung3,22 Millionen t Ölschiefer geför<strong>der</strong>t worden sein. 6Dieser massive Einsatz von Zwangsarbeitern bedurfte natürlicheines Terrororgans und somit den Aufbau eines Werkschutzes.Dafür griff die Kontinentale Öl AG auf das Spitzenpersonaldes RSHA zurück, zu dem man beste Verbindungenpflegte. Da so eine Stelle in <strong>der</strong> Industrie eine hohe Bezahlungversprach, war es nicht schwer, Freiwillige zu finden.Diesen Schritt in die »freie Wirtschaft« wagte auch SS-SturmbannführerHeinz Wossagk. 7 Er war von 1932 bis 1941 hauptamtlichim SD tätig. Nach <strong>der</strong> Tätigkeit in einer Außenstelleleitete er die Technische Abteilung im SD. Später wurde er»im Rahmen seines Amtes« mit Son<strong>der</strong>aufgaben betraut. Dazugehörten Einsätze in Österreich, Sudetenland und in Prag.Dabei handelte es sich um Mordkampagnen an politischenGegnern <strong>der</strong> Faschisten. Nach dem deutschen Überfall aufPolen war Wossagk im Stab <strong>der</strong> Einsatzgruppe IV tätig, diefür die Ermordung von 80.000 Menschen verantwortlich war.Während seiner Mordtaten hatte sich Wossagk »durch Fleißund Gewissenhaftigkeit ausgezeichnet«. Die »ihm gestelltenAufgaben« hatte er »stets zur Zufriedenheit seiner Vorgesetztenausgeführt.« Im November 1941 schied Wossagk auf ei-52
genen Wunsch aus dem hauptamtlichen Dienstverhältnis desRSHA aus, um »die Tätigkeit eines Abwehrbeauftragten bei<strong>der</strong> Baltischen Öl-GmbH übernehmen zu können.« Wossagkblieb in seiner Funktion als Abwehrbeauftragter ehrenamtlicherMitarbeiter des Amtes VI im RSHA. Im Februar 1942 erhielter das Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse. 8Im Juni 1943 befahl Himmler die Auflösung <strong>der</strong> noch im Baltikumverbliebenen Juden-Ghettos. Die arbeitsfähigen Judensollten auch in den Ölschieferwerken <strong>der</strong> Baltikum Öl-GmbHeingesetzt werden. Am 19. September wurde dazu das KZ Vaivaraerrichtet. Das KZ wurde unter <strong>der</strong> Führung des AbwehrbeauftragtenWossagk und des ihm unterstellten Werkschutzesaufgebaut. Für diese Tätigkeit wurde Wossagk gemäßRun<strong>der</strong>lass »als ehrenamtlicher Mitarbeiter zur Dienstleistung«zum Befehlshaber <strong>der</strong> Sicherheitspolizei nach Rigakommandiert. 9 Offensichtlich konnten Gestapo und SS ohneBedenken den Werkschutz <strong>der</strong> deutschen Industrie in die Errichtungihrer Mordstätten einbeziehen.Dieses einmütige Handeln von Staat und Wirtschaft zeigtesich auch im Einsatz des Werkschutzes in <strong>der</strong> Judenvernichtungaußerhalb <strong>der</strong> betrieblichen Einrichtungen. Die KontinentaleÖl AG konnte auf einen ausgebildeten Stamm vonWerkschutzmännern zurück greifen. Dafür wurde ein Werkschutzausbildungslagerin Mo<strong>der</strong>owka in <strong>der</strong> Nähe von Krakauerrichtet. Dieses Gebiet war ein Zentrum <strong>der</strong> Judenvernichtung.Im Sommer 1942 wurden im Distrikt Krakau zwei»Aussiedlungsaktionen«, die Deportation nach Belzec undErmordung von polnischen Juden vor Ort, durch die Gestapodurchgeführt. Der Außenstelle Jaslo des Kommandeurs<strong>der</strong> Sicherheitspolizei in Krakau wurden zu dieser Aktion dieWerkschutzmänner des Ausbildungslagers in Mo<strong>der</strong>owka unterstellt.Der Werkschutz war in den Orten Zmigrod, Bobow,Krosno, Strokoka und Gorlice an <strong>der</strong> Verschleppung <strong>der</strong> jüdischenFamilien aus den Wohnungen, dem Abtransport <strong>der</strong>Menschen in das KZ Belzec, <strong>der</strong> Verschleppung <strong>der</strong> Opferzu den Erschießungsstellen, <strong>der</strong>en Umstellung während <strong>der</strong>Massaker und <strong>der</strong>en Ermordung beteiligt. 10 In Gorlice wurdendie Juden auf einem öffentlichen Platz zusammen getrieben,ihrer letzten Habseligkeiten, wie Schmuck und an<strong>der</strong>e Wertgegenständeberaubt und dann abtransportiert. 11Nach dem Krieg lebte Heinz Wossagk von den Justizbehörden<strong>der</strong> BRD unbehelligt in München. Die Staatsanwaltschaft <strong>der</strong>DDR ermittelte dagegen in den obengenannten Kriegsverbrechengegen ehemalige Werkschutzangehörige <strong>der</strong> KontinentaleÖl AG. Einer <strong>der</strong> Beschuldigten war <strong>der</strong> am 3.9.1913 geboreneOberwachführer Herbert Schnei<strong>der</strong>. Er war im Lagerin Mo<strong>der</strong>owka als Kompanieführer und Ausbil<strong>der</strong> tätig. 12Der Werkschutz <strong>der</strong> HASAG –Massenmord auf dem BetriebshofDie HASAG war als einer <strong>der</strong> größten MunitionsproduzentenEuropas eng mit <strong>der</strong> Dresdner Bank, <strong>der</strong> sogenannten »SS-Bank«, verflochten. Es ist daher nicht überraschend, dass<strong>der</strong> Generaldirektor Paul Budin beste Kontakte zu SS-Führungpflegte und die HASAG als »Hauslieferant <strong>der</strong> Waffen-SS« galt. Hohe und gut dotierte Positionen in <strong>der</strong> Verwaltungwurden auf Betreiben Budins und Himmlers mit ausgemustertenSS-Generälen besetzt. In einem Schreiben an SS-ObergruppenführerWolff hob Budin dann auch hervor, das die HA-SAG-Werke »von SS-Kameraden in leiten<strong>der</strong> Position und insonstigen Stellungen« durchsetzt war, so dass er häufig »vonan<strong>der</strong>er Seite die Angaben entgegennehmen musste, das dieHASAG mehr und mehr zu einem SS-Betrieb wird.« 13 Auch imBereich des Werkschutzes wurde früh auf die Kooperationmit <strong>der</strong> SS, insbeson<strong>der</strong>e den Nachrichtendienst, dem SD,gesetzt. 1938 stellte Budin den zum SD gehörenden SS-UntersturmführerAxel Schlicht als Werkschutzleiter des LeipzigerHauptwerkes an. Im selben Jahr wurde Budin in die SSaufgenommen. In Polen, wo die HASAG Betriebe besaß, warBudin bereit, eine »harte Linie« gegenüber den Zwangsarbeiternzu fahren. Im November 1939 schrieb er SS-HauptsturmführerSchallermeyer im persönlichen Stab Himmlers, dasses »dringend notwendig« sei, in Kamienna zwei Gestapo-Leuteeinzusetzen. Die Fabrik in Kamienna war im Auftrag desOKH und des RLM sofort durch die HASAG und die FirmaRöchling »in Gang zu setzen«. Es waren bisher 1000 Polen zurZwangsarbeit eingesetzt. Da »schnell und zielbewußt« gearbeitetwerden sollte, war mit einem »stetigen Wachstum« zurechnen. Die HASAG wollte daher »auch auf dem politischenGebiete von Anfang an unbedingt Klarheit haben«. »Sei eszum Schutze <strong>der</strong> zahlreich eingesetzten deutschen Kaufleuteund Techniker [o<strong>der</strong>] sei es zur Überwachung <strong>der</strong> Polenund <strong>der</strong> wertvollen Fabrikanlagen, dies umso mehr, da wirmit Pulver und mit Sprengstoff arbeiten.« Die zwei »Gestapo-Kameraden« sollten sich bei ihrem Eintreffen sofort mit demdortigen Stellvertreter Budins, dem Betriebsführer <strong>der</strong> HA-SAG in Skarzysko- Kammienna, SS-Standartenführer Dalski,in Verbindung setzen. Der dortige Werkschutz sollte personelldurch SS-Männer gestellt werden.Im November 1939 schrieb Budin in dieser Sache an den persönlichenStab Himmlers. Es wäre ihm »lieb, wenn Sie veranlassenwürden, das sofort 30 SS-Männer … von Krakau o<strong>der</strong>Lodsch, am besten Lodsch, freigemacht werden, um in Kamiennaals unsere Werkschutzbeamten in <strong>der</strong> früheren polnisch-staatlichenMunitionsfabrik … angesetzt zu werden.«Sie sollten ledig, im Alter von 25–35 Jahren und körperlichrüstig und gut ausgebildet sein. Zudem for<strong>der</strong>te Budin vonihnen »Disziplin bis in die letzten Knochen«, Intelligenz undvollen Willen zu Arbeit, sowie Fähigkeiten in <strong>der</strong> deutschenund polnischen Sprache. Falls »Lodsch« von Himmler »angewiesenwird, die Auslese zu treffen«, so sollte Dalski nach»Lodsch« fahren und das weitere hinsichtlich <strong>der</strong> Ausmusterungund <strong>der</strong> Mitnahme <strong>der</strong> Leute nach Skarzysko- Kammiennaregeln. »In seiner Begleitung würde sich <strong>der</strong> inzwischenangesetzte Werkschutzleiter SS-Obersturmführer Krause befinden.«Zu weiteren Information teilte Budin mit, das bereitszehn Werkschutzmänner mit einem Wachführer in Skarzysko-Kammienna eingesetzt wurden, um in Zusammenarbeit mit53
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