Zur Geschichte <strong>der</strong> afrikanischen Diasporain BerlinDiallo, Oumar/Zeller, Joachim: Black Berlin.Die deutsche Metropole und ihre afrikanische Diaspora in Geschichteund Gegenwart, Metropol Verlag, Berlin 2013, 280 Seiten.Die etwa seit einem Jahr anhaltende Diskussion über die angeblichunwürdige Behandlung von in <strong>der</strong> DDR-Wirtschafteingesetzten sogenannten Vertragsarbeitern aus Län<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Dritten Welt hat einen neuen Polarisierungspunkt erhalten.Und zwar in Form eines Sammelbandes, den <strong>der</strong> HistorikerJoachim Zeller und <strong>der</strong> aus Guinea stammende Soziologeund Geschäftsführer des Afrikahauses in Berlin-Moabit, OumarDiallo, herausgegeben haben. Hier sind insgesamt etwa30 Beiträge eingeworben worden, die von einer wissenschaftlichenStudie, über einige biographische Skizzen aus <strong>der</strong> afrikanischenDiaspora, journalistischen Beiträgen bis hin zuInterviews reichen. Demzufolge ist die Qualität sehr unterschiedlich,zumal die einzelnen Artikel unterschiedlich umfangreichund anscheinend ohne konzeptionelle Vorgaben erarbeitetworden sind.Das Anliegen des Buches ist es, laut Herausgeber, zu belegen,dass »Menschen afrikanischer Herkunft … schon seit Generationenin Berlin (leben) und … die Spreemetropole und ihreTranskulturalität« prägen (S. 9).Der vorliegende Sammelband tat, was ein solcher bei so eineranspruchsvollen Themenstellung tun kann. Es werden inunterschiedlicher Intensität, abhängig von den vorhandenenhistorischen Quellen und potentiellen Autorinnen und Autoren,die sie auszuwerten vermögen, die einzelnen Phasen <strong>der</strong>afrikanischen Migration in den vergangenen drei Jahrhun<strong>der</strong>tenbis in die Gegenwart hinein beleuchtet. Dabei wurde vielNeuland betreten.Es fällt allerdings auf, dass so manche bereits vorliegendewissenschaftliche Ausarbeitung zur Thematik nicht zurKenntnis genommen, zumindest nicht erwähnt worden ist.Denn es existieren bereits Bücher zur Geschichte <strong>der</strong> kolonialenErinnerungsorte sowie zur Geschichte <strong>der</strong> afrikanischenDiaspora in <strong>der</strong> deutschen Hauptstadt sowie dazu unzähligeAufsätze. Zumeist enden die bisherigen Arbeiten mit dem Endedes Ersten, im besten Falle mit dem Zweiten Weltkrieg.Nunmehr befassen sich auch einige Beiträge explizit mit <strong>der</strong>Geschichte <strong>der</strong> afrikanischen Diaspora in Berlin in <strong>der</strong> zweitenHälfte des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts. Das ist ein Novum, zumalman sich bemühte, die Entwicklungen, sowohl in Ost- wie inWestberlin, zu berücksichtigen. Denn in beiden Teilen Berlinsgab es Afrikaner und schwarze Deutsche. Im Osten vorallem nach 1960, als die DDR jungen Menschen aus Afrikadie Möglichkeit eröffnete, an ihren Universitäten zu studiereno<strong>der</strong> eine Ausbildung zu absolvieren; im Westen gab esschon seit Ende des Zweiten Weltkrieges »Schwarze«, denndie afroamerikanischen GIs hinterließen eine Reihe von Kin<strong>der</strong>nmit deutschen Frauen. Lei<strong>der</strong> ist dieser Thematik keineigener Beitrag gewidmet.Explizit beschäftigt sich eine Studie des Historikers Ulrichvan <strong>der</strong> Heyden mit den Vertragsarbeitern in <strong>der</strong> DDR-Hauptstadt.Er lehnt den Begriff des Rassismus für die Verhältnissein <strong>der</strong> DDR ab. Vielmehr bezeichnet er vereinzelt vorgekommeneAngriffe auf Afrikaner als rassistische Ressentiments,von denen indes zumeist erst gegen Ende <strong>der</strong> DDR einigeMosambikaner zu berichten wissen. Die Mehrzahl kann sichauch bei intensivster Nachfrage an solche Erscheinungen infrüheren Zeiten, seit 1979 waren sie in <strong>der</strong> DDR, nicht erinnern.Anhand von eingehen<strong>der</strong> Auswertung <strong>der</strong> entsprechendenAkten, vor allem denjenigen aus <strong>der</strong> Gauck-Behörde unddes Staatssekretariats für Arbeit und Löhne, welches für denEinsatz <strong>der</strong> Vertragsarbeiter zuständig war, sowie durch Interviewsmit Mosambikanern kann er belegen, dass es sichdabei nicht um ein Massenphänomen handelte, welches denBegriff des Rassismus rechtfertigen würde. RassistischeRessentiments bildeten sich jedoch erkennbar aus <strong>der</strong> zunehmendenKonsumkonkurrenz im Prozess <strong>der</strong> realsozialistischenKrise, die indes nur relativ selten gewaltsame Formenannahmen und mit den späteren rassistischen Orgien inHoyerswerda o<strong>der</strong> Lichtenhagen absolut nicht vergleichbarwaren, heraus. Wenn es jedoch zu gewaltsamen Vorkommnissenkam, wurden diese streng geahndet. Jede dieser Aussagenist mit Quellen belegt.Wie an<strong>der</strong>s, ja geradezu konträr, liest sich dagegen in <strong>der</strong>Einführung <strong>der</strong> Herausgeber die Passage über die afrikanischenVertragsarbeiter in <strong>der</strong> DDR bzw. in <strong>der</strong>en Hauptstadt.Ohne Belege anzuführen, werden Behauptungen aufgestellt,die, wenn mit Quellenkritik gearbeitet worden wäre, in einemeinen wissenschaftlichen Anspruch erfüllen wollenden Buchnicht hätten vorkommen dürfen. Sie bemühen sich zu bele-82
gen, dass es zu DDR-Zeiten Rassismus gegeben hat. Ist esnur Unkenntnis über die reale politische Situation <strong>der</strong> DDR-Gesellschaft? Aber sollte man sich dann anmaßen, wennauch nur zu ausgewählten Aspekten, darüber zu urteilen?Denn nichts an<strong>der</strong>es ist es, wenn unbewiesene Behauptungenentwe<strong>der</strong> direkt o<strong>der</strong> durch kommentarlosen Abdruckvon entsprechenden Äußerungen wie<strong>der</strong>gegeben werden.Somit wird ein Bild vermittelt, welches eher das <strong>der</strong> Autorenüber ihr Bild von <strong>der</strong> DDR darstellt, als das <strong>der</strong> Realität.Damit liegen sie aber nicht außerhalb des mainstreams <strong>der</strong>gegenwärtigen DDR-Geschichtsaufarbeitung. Dadurch wirdjedoch <strong>der</strong> insgesamt positive Gesamteindruck des Buchesgeschmälert.Auf S. 13 ist zu lesen, dass in <strong>der</strong> DDR Auslän<strong>der</strong>feindlichkeitund Rassismus »offiziell negiert wurden«. Zunächst istfalsch, von diesen Erscheinungen über die 40jährige Existenz<strong>der</strong> DDR zu schreiben. Es gab außer in den Köpfen heutigerSchreiber bis in die 80er Jahre hinein wohl nur in denseltensten Fällen rassistische Ressentiments; wohl gemerkt:keinen Rassismus. Dieser hätte Netzwerke, entsprechendeLiteratur, Blindheit <strong>der</strong> Justizorgane und <strong>der</strong> Polizei etc. vorausgesetzt.Die Ressentiments sind in <strong>der</strong> Tat erst seit etwaMitte <strong>der</strong> 1980er Jahre belegbar. Und zum an<strong>der</strong>en wurdenauslän<strong>der</strong>feindliche Vorkommnisse nicht »negiert«, son<strong>der</strong>nzumindest in <strong>der</strong> örtlichen Presse behandelt, in öffentlichenAussprachen in Betrieben o<strong>der</strong> Schulen ausgewertet, in zugänglichenGerichtsverhandlungen konnte sich je<strong>der</strong> über dieStraftaten informieren. Selbst die FAZ berichtete darüber, unterBerufung auf entsprechende Artikel in <strong>der</strong> »Bezirkspresse«.Es stimmt nicht, dass »von staatlicher Seite und den Medien(dies) nicht öffentlich gemacht worden« ist.Ebenso unsinnig, weil unzutreffend, ist die Übernahme desBegriffs »Kasernierung« durch die Verfasser <strong>der</strong> Einführungfür die Charakterisierung <strong>der</strong> Unterbringung <strong>der</strong> meisten Vertragsarbeiterin Wohnheimen. Sie lebten in Wohnheimen, wiedeutsche Studenten und Arbeiter auch. Viele haben in ihrerHeimat noch nie so einen Komfort gesehen. Je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> vonKasernierung spricht, wird wohl noch nie eine Kaserne o<strong>der</strong>ein Kasernenleben kennengelernt haben.Noch abwegiger ist die Aussage in <strong>der</strong> Fußnote 13, in <strong>der</strong> zustimmendzitiert wird, dass »es eine DDR-spezifische Form<strong>der</strong> Apartheid« in Bezug auf die Vertragsarbeiter gab. KeinMosambikaner hat dies je so behauptet, aber heutige Verfassermeinen dies, ohne die geringsten selbst erlebten Erfahrungeno<strong>der</strong> die notwendige Quellenkenntnis zu besitzen.Solche, den wissenschaftlichen Standards zuwi<strong>der</strong> laufendenAussagen erinnern daran, was einst Hans Modrow angesichts<strong>der</strong> Ignoranz einiger Menschen aus dem Westen, ihrvorgefasstes Bild <strong>der</strong> DDR zu korrigieren, schrieb: »Aber inzwischenweiß ich, dass es bei bestimmten Leuten im Zusammenhangmit DDR-Strukturen festgefügte Wunschinterpretationengibt, gegen die man nicht andiskutieren kann, amwenigsten mit <strong>der</strong> eigenen Erfahrung; man stört dämonisierendeFiktionen. Im unbedingten Willen, diese Leute wenigstenssanft zu korrigieren, habe ich nachgelassen. Es bringtnichts; weil die Weltsichten nicht zueinan<strong>der</strong>finden, gibt esauch in Details keine Annäherung o<strong>der</strong> zumindest die Mühe,die Erfahrung und Interpretation des an<strong>der</strong>en zu tolerieren.«Den Apartheid-Vergleich werden sicherlich Südafrikaner, dieunter dieser Rassenpolitik, die übrigens von <strong>der</strong> Bundesrepublikin vielfältiger Weise unterstützt wurde, gelitten haben, alsBeleidigung empfinden. Solche plumpen Verbalien aus <strong>der</strong>Zeit des Kalten Krieges gehören eigentlich nicht in ein wissenschaftlicheAnsprüche erhebendes Buch.Manche Formulierungen bzw. Aussagen in <strong>der</strong> Einführungsind geradezu lächerlich. So die Abbildung einer Karikaturauf S. 14. Hier ist eindeutig die Zeit nach <strong>der</strong> Wende gemeint.Sie zeigt Polizisten in Uniform, die einen ganz offensichtlichlädierten Afrikaner, <strong>der</strong> vermutlich Anzeige wegeneines rassistisch bedingten Überfalls erstatten will, nichternst nehmen. Dazu kann nur gesagt werden, dass die Polizistennach <strong>der</strong> Wende stark verunsichert waren, Angst umihren Job hatten, auch Angst vor brutal vorgehenden Rechtsradikalen,was freilich alles keine Entschuldigung für solchesVerhalten ist. Da mag dies so, wie in <strong>der</strong> Karikatur angeprangert,vorgekommen sein. Aber nicht in <strong>der</strong> DDR! Die Verfasserverkennen vollständig die gesellschaftliche Situationin einer Diktatur. Welcher Polizist hätte sich gewagt, seinerDienstpflicht nicht nachzukommen? Außerdem deuten dieUniformen an, dass es sich nicht um Volkspolizisten aus <strong>der</strong>DDR handelt.Formulierungen wie »überhaupt sollen Afrikaner … Aversionenin <strong>der</strong> DDR-Bevölkerung ausgelöst haben« (S. 15) gehörennicht in einen geschichtswissenschaftlichen Artikel o<strong>der</strong>in ein wissenschaftlichen Anspruch reklamierendes Buch. Außerdem,wenn man den Verfassern folgen mag, müssen dannetwa 1000 ostdeutsche Frauen (soviel deutsch-mosambikanischeKin<strong>der</strong> gab es 1989) Aversionen erfahren haben. ImEinzelfall mag dies durchaus zutreffend sein, aber Pauschalisierungenlassen sich leichter behaupten, als die Zurkenntnisnahme<strong>der</strong> Realität. Deutlich wird immer wie<strong>der</strong>, dass, wennes sich um DDR-spezifische Themen handelt, man solche Behauptungengefahrlos aufstellen kann. Wer sollte denn auchwi<strong>der</strong>sprechen? Wenn dies nunmehr wissenschaftliche Kriteriensind, kann auch festgestellt werden, dass Marsmenschenauf dem Alex gesichtet worden seien. Vermutlich sogar währendeines SED-<strong>Partei</strong>tages!Die immer in <strong>der</strong> Literatur wie<strong>der</strong>holte »Gaststättenproblematik«,nach <strong>der</strong> Afrikaner in Lokalitäten nicht bedient wordenseien, sah auch ganz an<strong>der</strong>s aus, wenn man sich <strong>der</strong> Müheeiner entsprechenden Recherche unterzogen hätte. O<strong>der</strong>sich von seinen Vorurteilen gelöst und sich damit beschäftigthätte, warum so etwas vorgekommen ist.Im Übrigen gibt es auf Grundlage von Interviews viel mehr gegenteiligeBeispiele über das angeblich schlechte Leben <strong>der</strong>83
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