Eine seltene Broschüre neu aufgelegtHeinrich Vogeler und Johannes R. Becher »Das Dritte Reich«Publizistische Dokumente des antifaschistischen Kampfessind naturgemäß heute nur noch selten zu finden. In den80er Jahren hatten Verlage <strong>der</strong> DDR in Sammelmappen illegaleantifaschistische Flugblätter sowie Tarnschriften <strong>der</strong>KPD als Reprint herausgegeben. Doch immer wie<strong>der</strong> findensich »Perlen« dieser antifaschistischen Arbeit, die einer Wie<strong>der</strong>auflagewürdig sind.Unter den verschiedenen Beispielen antifaschistischer Flugschriftenund Publizistik aus den ersten Jahren <strong>der</strong> faschistischenHerrschaft hebt sich das hier annotierte Büchlein vonHeinrich Vogeler und Johannes R. Becher »Das Dritte Reich«deutlich ab. In <strong>der</strong> beeindruckenden Heinrich Vogeler – Gesamtschau2012 in Worpswede fand sich diese Broschüre nichtnur als Original in einer Vitrine, die einzelnen Seiten warenauch vergrößert reproduziert, so dass sie ihre Wirkung auchauf den heutigen Betrachter entfalten konnten. Diese Broschüreversuchte nicht, mit mehr o<strong>der</strong> weniger deutlichen Wortenauf die Verbrechen des deutschen Faschismus in dieser Zeithinzuweisen, son<strong>der</strong>n sie arbeitet vor allem mit den Mitteln <strong>der</strong>Grafik und <strong>der</strong> Lyrik, mit Zeichnungen des Worpswe<strong>der</strong> MalersHeinrich Vogeler und Versen von Johannes R. Becher.Es war im Frühjahr 1934, als Heinrich Vogeler und Johannes R.Becher im Moskauer Verlag »Zwei Welten« diese kleine Sammlungvon Zeichnungen und Versen vorlegten. Beide Künstlerwaren aus unterschiedlichen Gründen in die Sowjetunion gekommen.Vogeler war bereits im Jahre 1931 mit seiner zweitenFrau Sonja Marchlewska in die Sowjetunion übergesiedelt. Erbereiste im Auftrag sowjetischer Einrichtungen die Teilrepublikenund dokumentierte in seinen Malereien den sozialistischenAufbau. Johannes R. Becher verließ Deutschland im Gefolge<strong>der</strong> Machtübertragung an die deutschen Faschisten. AlsVorsitzen<strong>der</strong> des Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftstellerwar er im Visier <strong>der</strong> faschistischen Verfolger. Nach kurzenZwischenstationen in <strong>der</strong> Tschechoslowakei, <strong>der</strong> Schweizund Frankreich ging er im Sommer 1933 in die Sowjetunion inspolitische Exil. Nun waren beide als Antifaschisten in diesemLand und versuchten mit ihren Mitteln einen Beitrag zum antifaschistischenKampf gegen die Naziherrschaft zu leisten. Vogelerhatte schon in den 20er Jahren mit Gemälden, Komplex-Bil<strong>der</strong>n und an<strong>der</strong>en Arbeiten für die KPD, die InternationaleRote Hilfe bzw. die MOPR seine malerischen Fähigkeiten in denDienst <strong>der</strong> politischen Aufklärungsarbeit gestellt.Im Stile <strong>der</strong> Holzschnitte eines Frans Masereel gestaltete HeinrichVogeler für diese Broschüre 34 schwarz-weiß Zeichnungen,in denen – ergänzt durch die Verse von Johannes R. Becher –Alltagssituationen, Wi<strong>der</strong>stand und Verfolgung im »DrittenReich« gezeichnet werden. Die Bil<strong>der</strong> selber waren sicherlichnicht von hoher künstlerischer Qualität, auch die Verse von Becherlassen nur wenig von dem Tiefgang vieler an<strong>der</strong>er seinerGedichte spüren. Es waren vielmehr einfache Bil<strong>der</strong> und Texte,die vornehmlich eine agitatorische Funktion erfüllen sollten.Auf den ersten Blick sollten die Betrachter das Wesentliche erfassenkönnen. Auch wenn es dazu keine eigenen Aufzeichnungengibt, dürften die Verse und Zeichnungen im dialogischenProzess zwischen Becher und Vogeler entstanden sein.Der Reichstagsbrand o<strong>der</strong> die Vorgänge um den 1. und 2. Mai1933 finden sich ebenso in den Bil<strong>der</strong>n wie die vielfältigenFormen des faschistischen Alltagsterrors. In den letzten siebenIllustrationen zeichnet Vogeler ein Bild des antifaschistischenWi<strong>der</strong>stands, wie er vom Exil aus gesehen wurde. Dabeilegten Vogeler und Becher in diesen Bil<strong>der</strong>n und Textenauch ihre Hoffnung. So lautet die Botschaft im letzten Bild vordem Hintergrund eines skizzierten Thälmann-Portraits »Es lebedie kämpfende Einheitsfront«. Auf diese Weise entstandenplakative Text-Bild-Kombinationen, die auch für den wenigerbelesenen Betrachter sofort eingängig waren. Einige <strong>der</strong>Blätter fanden sich später in illegalen antifaschistischen Flugschriftenund Broschüren o<strong>der</strong> auch als Klebezettel.Bereits in <strong>der</strong> Son<strong>der</strong>ausgabe <strong>der</strong> »Deutschen Volks-Zeitung«zum 1. Mai 1934, die in Saarbrücken noch legal erscheinenkonnte, fanden sich unter <strong>der</strong> Überschrift »Die Lüge angeprangert«vier Zeichnungen aus <strong>der</strong> Broschüre von Vogeler. Unterschriebenwaren diese Zeichnungen jedoch mit Zitaten ausdem Mai-Aufruf des Reichsministers für Volksaufklärung undPropaganda, Joseph Goebbels. Auch die Zeichnung »Herausmit den politischen Gefangenen! Die Rote Hilfe lebt!« wurde inverschiedenen antifaschistischen Flugschriften »zitiert«.Mit <strong>der</strong> Neuauflage dieses Reprints soll ein kleiner Beitrag zurErinnerung an den antifaschistischen Wi<strong>der</strong>stand geleistet werden,<strong>der</strong> – in diesem Fall – auch vom Exil aus unterstützt wurde.Bestellungen für den Reprint über den Herausgeber:Ulrich Schnei<strong>der</strong>, Kirchditmol<strong>der</strong> Straße 11, 34131 Kassel,E-Mail: dr.u.schnei<strong>der</strong>@arcor.de.(Einzelexemplare: 8 Euro + 1 Euro Porto,5 Exemplare: 25 Euro + Porto, 10 Exemplare: 50 Euro portofrei)Ulrich Schnei<strong>der</strong>90
Hugo Geisslers BlutspurSiegfried Grundmann/Eugéne Martres: Hugo Geissler – vom DresdnerSA-Mann zum Kommandeur <strong>der</strong> Sicherheitspolizei und des SD in Vichy,Nora Verlagsgemeinschaft Dyck & Westerheide 2012, 478 Seiten.Das vorliegende Täterprofil eines gewissenlosen faschistischenVerbrechers wurde durch die gemeinsame Spurensucheeines deutschen und eines französischen Historikers erstellt.Prof. Dr. Siegfried Grundmann hat erneut einen braunen Täterentlarvt. Er verfolgte mit dem französischen Historiker Prof.Dr. Eugéne Martres die langjährige Blutspur des H. Geissler.Die Spurensuche erwies sich als außerordentlich schwierig,berichten die Autoren in Bezug auf den »richtigen« Geissler,da es nicht wenige Personen mit diesem Namen gab, die mitunterschiedlicher Schreibweise bei <strong>der</strong> Gestapo bzw. <strong>der</strong> Polizeitätig waren.Einleitend skizzieren die Autoren den Werdegang des Mannes,<strong>der</strong> am 12. Juni 1944 von französischen Wi<strong>der</strong>standkämpfernerschossen wurde.Breiten Raum widmet Siegfried Grundmann dem brutalenWirken des NS-Verbrechers Geisler von 1933 bis 1939 inDeutschland bei <strong>der</strong> Verfolgung deutscher Antifaschisten imRaum Dresden bzw. in Sachsen insgesamt. Die akribischeSpurensuche des Autors bringt eine bemerkenswerte Faktenfülle<strong>der</strong> verbrecherischen Tätigkeit des KriminalkommissarsGeissler zutage. Es ist schier unfassbar, wie vieleUntaten auf sein Konto gehen, <strong>der</strong> seit 1933 im Dienste<strong>der</strong> Gestapo stand. Das Autorenteam belegt, wie gnadenlosGeissler bei <strong>der</strong> Zerschlagung antifaschistischer Gruppendes Sozialistischen Jugendverbandes (SAP), <strong>der</strong> »RotenWehr«, einer Nachfolgeorganisation des kommunistischenRot Frontkämpferbundes (RFB), des Kommunistischen Jugendverbandes(KJVD), <strong>der</strong> KPD und <strong>der</strong> SPD in Deutschlandvorging.Die Autoren schil<strong>der</strong>n Schicksale von Opfern Geisslers, dessenraffinierten und brutalen Verhörmethoden dazu führten,dass jene nach dem Sturz des NS-Regimes von ihren Mitstreiternzu Unrecht des Verrats beschuldigt wurden, wie zumBeispiel <strong>der</strong> Sozialist Horst Patzig sowie die JungkommunistinHelene Fischer.Ausführlich wird geschil<strong>der</strong>t, wie es Geissler gelang, V-Leutebzw. sich selbst in die Wi<strong>der</strong>standsgruppen einzuschleusen,um über ihre Pläne zuverlässige Informationen zu bekommenund sie letztlich zu zerschlagen.Im Teil II <strong>der</strong> Publikation erfahren die Leser, dass Geisslervom 15. März 1939 an zur Einsatzleitung <strong>der</strong> Gestapo in Praggehörte. Knapp und dennoch präzise schil<strong>der</strong>n die Autorendie Beteiligung des NS-Verbrechers bei <strong>der</strong> gnadenlosen Verfolgungvon Juden und deutschen Emigranten in <strong>der</strong> annektiertenTschechischen Republik. Nicht wenige von ihnen hattenvon <strong>der</strong> CSR aus Wi<strong>der</strong>standsaktionen in Deutschland zukoordinieren versucht; einige waren selbst illegal nach Nazideutschlandgereist, um Informationen und Materialien zuübergeben sowie gefährdete Kameraden über die »grüneGrenze« in die Tschechoslowakei zu bringen.Die Autoren schil<strong>der</strong>n im Teil III mit einer Fülle sorgsam recherchierterFakten das verbrecherische Wirken Geisslersals Kommandeur <strong>der</strong> Sicherheitspolizei und des SD in Vichy.Sie berichten, dass <strong>der</strong> Verbrecher beim Pétain-Regime dieAuslieferung <strong>der</strong> führenden Sozialdemokraten Rudolf Breitscheid(ehemals außenpolitischer Sprecher <strong>der</strong> SPD-Reichstagsfraktion)und Rudolf Hilferding (ehemals Reichsfinanzminister)an die Gestapo erzwang, die in den Kerkern desNS-Regimes umkamen.Unbarmherzig jagte Geissler die Kämpfer <strong>der</strong> Résistance, diein <strong>der</strong> Haft brutal misshandelt wurden, bevor sie ermordetwurden.Am 12. Juni 1944 erschossen französische Partisanen denMör<strong>der</strong>, als er das Rathaus <strong>der</strong> Stadt Murat verlassen wollte.Die deutschen Besatzer nahmen furchtbare Rache. Einhun<strong>der</strong>tvierEinwohner des Ortes wurden verhaftet und in dasKZ-Neuengamme deportiert, dreiundsiebzig kamen dort um.Die Autoren gehen auch auf die schwierige und lange inFrankreich beschwiegene Problematik <strong>der</strong> Kollaboration mitden faschistischen besatzern ein und stellen abschließendfest, dass ihre Dokumentation über den NS-Verbrecher Geisslerals Mahnung für die heutige Generation dienen möge.Eine Literaturauswahl zur Thematik <strong>der</strong> vorliegenden Publikationregt sicher zum weiteren Nachforschen an. Dem Bandsind viele aufmerksame Leser zu wünschen.Günter Wehner91
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InHaltEDITORIAL . . . . . . . . . .
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EditoriaL»Die Rechte in der Krise
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Grimm, Markus (2009): Il Popolo del
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