Die Rote Fahne, 15. August 19231918) blieben hinter den Erwartungen zurück. Erzielt wurdenknapp 100 Milliarden Mark. Dass diese Summe zu geringfügigwar, lag auch an <strong>der</strong> zeitlichen Differenz zwischen demZeitpunkt <strong>der</strong> Ankündigung einer neuen Anleihe und den spätergelegenen Verkaufsterminen. In <strong>der</strong> Zwischenzeit war <strong>der</strong>finanzielle Bedarf des Reiches für die Kriegsfinanzierung soweit angestiegen, dass <strong>der</strong> Erlös <strong>der</strong> Anleihe deutlich hinterden mit ihrer Hilfe zu regulierenden Kosten zurückblieb. DieDifferenz zwischen den Erlösen aus den Staatsanleihen undden an<strong>der</strong>en Einnahmen des Reiches einerseits sowie dentatsächlichen Kriegskosten an<strong>der</strong>erseits wurde durch immerneue kurzfristige Kredite (vor allem so genannte Schatzanweisungen)überbrückt, die von <strong>der</strong> Reichsbank gewährt wurden.Vor allem seit dem Herbst 1916 blieb »<strong>der</strong> Ertrag <strong>der</strong> Anleihenhinter den Kriegsausgaben zurück.« 9Die Tilgung und Verzinsung <strong>der</strong> Schulden plante man, denKriegsgegnern aufzubürden, vor allem Frankreich. DerStaatssekretär im Reichsschatzamt, Karl Helfferich, äußertehierzu am 20. August 1915 im Reichstag: »Wie die Dinge liegen,bleibt vorläufig nur <strong>der</strong> Weg, die endgültige Regelung <strong>der</strong>Kriegskosten durch das Mittel des Kredits auf die Zukunft zuschieben, auf den Friedensschluss und auf die Friedenszeit.Und dabei möchte ich auch heute wie<strong>der</strong> betonen: Wenn Gottuns den Sieg verleiht und damit die Möglichkeit, den Friedennach unseren Lebensnotwenigkeiten zu gestalten, dann dürfenwir auch die Kostenfrage nicht vergessen. Die künftige Lebenshaltungunseres Volkes muss von <strong>der</strong> ungeheuren Bürdebefreit bleiben, die <strong>der</strong> Krieg anwachsen ließ. Das Bleigewicht<strong>der</strong> Milliarden haben die Anstifter dieses Krieges verdient. Siemögen es durch die Jahrzehnte schleppen, nicht wir.« 10Das Protokoll des Reichstages vermerkt an dieser Stelle»Sehr-gut«-Rufe.Im Lichte <strong>der</strong> späteren, vor Nationalismus triefenden Agitationbürgerlicher <strong>Partei</strong>en und Organisation gegen die von denAlliierten auferlegten Reparationen, bekommt diese AussageHelfferichs, <strong>der</strong> übrigens von 1908 bis 1915 dem Direktorium<strong>der</strong> Deutschen Bank angehörte 11 , eine beson<strong>der</strong>s delikateNote.»Gold gab ich für Eisen«Neben <strong>der</strong> Zeichnung von Kriegsanleihen wurden alle Möglichkeitenausgeschöpft, die »innere Finanzierung« des Kriegeszu organisieren. Dazu gehörte die Einziehung <strong>der</strong> Gold-,Silber- und Kupfermünzen, <strong>der</strong>en Metallgehalt für die Produktionkriegswichtiger Güter benötigt wurde. Darüber hinauswurde nach dem Motto »Gold gab ich für Eisen« in <strong>der</strong>Bevölkerung für die Abgabe von Schmuckstücken und an<strong>der</strong>enmetallenen Gegenständen geworben, da die Einfuhr vonEdelmetallen und Erzen nur eingeschränkt möglich bzw. sehrkostspielig war. Um hier den notwendigen Nachdruck zu erzeugen,wurde Soldaten an <strong>der</strong> Front von ihren Offizieren geraten,ihren Angehörigen den Verkauf aller edelmetallnen Gegenständedringend zu empfehlen. Angeblich werde bald eineAblieferungspflicht verordnet. Dann sei mit stichprobenarti-44
gen Durchsuchungen privater Haushalte zu rechnen. Die gewünschteWirkung blieb nicht aus, <strong>der</strong> Nutzen all dieser Maßnahmenwar jedoch begrenzt.Alles in allem nahm die Verschuldung des Deutschen Reiches,je länger <strong>der</strong> Krieg dauerte, nie gekannte Dimensionenan. Sie stieg von 4,3 (1913) auf schließlich 156,1 MilliardenMark im Jahre 1918. Davon betrug allein die kurzfristige Verschuldungin Form <strong>der</strong> »Schatzanweisungen« etwa 63,7 MilliardenReichsmark. Um zahlungsfähig zu sein, borgte sichdie Reichsregierung immer wie<strong>der</strong> kurzfristig Geld bei <strong>der</strong>Reichsbank. Finanzpolitiker und Wirtschaftswissenschaftlersprachen in diesem Zusammenhang verniedlichend von <strong>der</strong>»schwebenden« Schuld des Deutschen Reiches. Der wachsendeGeldnotenumlauf und gestiegene Preise bei gleichzeitigsinkendem Güterangebot für den zivilen Bedarf führte zurEntwertung des Geldes und damit <strong>der</strong> Löhne, Gehälter, Rentenund Pensionen. Die periodische Erhöhung dieser Einkommendurch den Staat und die Unternehmen hielt mit <strong>der</strong> inflationärenEntwicklung nicht mehr Schritt, auch wenn sich <strong>der</strong>Bestand an Bargeld von 1913 bis 1918 von 13 auf mehr als60 Milliarden Mark fast verfünffachte. Zugleich begann <strong>der</strong>»Schwarzhandel« mit illegal geschlachtetem Fleisch und an<strong>der</strong>enNahrungsgütern sowie mit gehorteten Waren aus <strong>der</strong>Vorkriegszeit. Wer es sich leisten konnte, lebte so, als befändeman sich im tiefsten Frieden.Inflation bleibt bestehenNach dem Ende des Krieges, <strong>der</strong> so ganz an<strong>der</strong>s endete, alsdies Karl Helfferich vor dem Reichstag vorhergesagt hatte,erdrückte die aufgehäufte Schuldenlast den Staatshaushalt.Allein im Jahr 1919 waren 57 Prozent des Reichshaushaltesfür die Tilgung und Verzinsung <strong>der</strong> Kriegsschulden vorgesehen.Die im Gefolge des Versailler Vertrages nötig werdendenZahlungen, <strong>der</strong>en genaues Ausmaß von den Alliierten nochfestgelegt werden musste, waren in dieser Summe noch nichteinbegriffen! 12 Es stiegen auch die Ausgaben für die zahlreichenKriegsinvaliden. Zwar wurden sie mit geringen Rentenzahlungenabgespeist, dennoch schwoll diese Ausgabe desStaates an. Die Folge all dessen: Die Parität <strong>der</strong> Mark zumUS-Dollar betrug im Januar 1919 9:1 (1914: 4,2:1), im Mai1919 bereits 14:1 und im Dezember desselben Jahres 50:1.1920 und im ersten Halbjahr 1921 beruhigte sich die Situationein wenig. Aber im November 1921 waren es 270 Mark,die ein US-Dollar kostete, im Juli 1922 420 und im November1922 bereits 7.000 Mark!Der Wert <strong>der</strong> Mark sank jetzt immer weiter. Einer aufgeblähtenMenge Geldes stand eine anhaltende Verringerung <strong>der</strong>Warenmenge gegenüber. Die vielen Inhaber von Kriegsanleihensowie die Kontensparer verfügten über festverzinslicheWertpapiere und Bankguthaben, die faktisch wertlos gewordenwaren. Beson<strong>der</strong>s tragisch war das Schicksal vieler Kleinbürgerund Landwirte, die mit fester Überzeugung an denSieg <strong>der</strong> »deutschen Waffen« geglaubt und deshalb ihre Wertgegenständegegen jetzt wertloses Bargeld o<strong>der</strong> Kriegsanlei-hen getauscht hatten. Häufig war es nur noch <strong>der</strong> goldeneEhering, <strong>der</strong> im Notfall gegen Nahrungsmittel getauscht werdenkonnte. Natürlich betraf die galoppierende Geldentwertungauch die in Lebensversicherungen angelegten Summen.Es kam hinzu: Da auch Banken, Versicherungen, Krankenkassen,Körperschaften des öffentlichen Rechts, kleine und mittelständischeBetriebe zu den Zeichnern von Kriegsanleihengehörten, kam es auch hier zu einer Entwertung ihres Eigenkapitalsund ihrer Rücklagen. Auch nicht wenige Waisen warenbetroffen: Ihr ererbtes Vermögen hatten Notare häufigals Treuhän<strong>der</strong> in angeblich mündelsichere Kriegsanleihen investiert.Jetzt standen sie plötzlich mittellos da. Es stellt sichdie Frage:Gab es angesichts dieser Entwicklungen auch »Inflationsgewinner«?Die Antwort lautet: Allerdings! Die rasante Entwertungdes Geldes bot Großindustriellen und Spekulanteneine noch nie gekannte Chance zur hemmungslosen Bereicherung.»Mark ist Mark«Während die Angehörigen <strong>der</strong> Arbeiterklasse, die Rentnerund Pensionäre, Kleingewerbetreibenden, Kleinbauern undFreiberufler ihre oft mühsam über viele Jahre ersparten Guthabenzum größten Teil verloren hatten, stellte sich die Situationbei den Eigentümern von Sachwerten, beson<strong>der</strong>s für die»Schlotbarone«, an<strong>der</strong>s da.Der Staat beeilte sich, sie für den Verlust ihrer Werke in Elsaß-Lothringen, an <strong>der</strong> Saar und in Oberschlesien zu entschädigen,die jetzt, gemäß den Bestimmungen des Versailler Vertrages,auf dem Territorium Frankreichs bzw. Polens lagen.Nicht weniger als 1,5 Milliarden Mark erhielten deutscheRee<strong>der</strong>eien für ihre Schiffe, die »durch Kriegsereignisse«verloren gegangen waren. Nutznießer war selbstverständlichauch die größte Ree<strong>der</strong>ei des Landes, die »Hamburg-Amerikanische Paketfahrt AG« (HAPAG). Ihr seit Dezember1918 amtieren<strong>der</strong> Generaldirektor Wilhelm Cuno wurde übrigensam 22. November 1922 zum Reichskanzler berufen.Zwar wurden durch die vom neuen Reichsfinanzminister MatthiasErzberger (katholische Zentrumspartei) im Herbst 1919durchgesetzte Finanzreform erstmals die Kapitaleigner in gewissemUmfang zur Steuerzahlung herangezogen. Die Sachehatte allerdings mehrere Haken: Zum einen war die Steuerzahlungzum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit durch die anhaltendeInflation bereits wie<strong>der</strong> entwertet worden. Zum an<strong>der</strong>en warauch die Lohnsteuer für Löhne und Gehälter eingeführt worden.Sie wurde als »Quellensteuer« monatlich an die Finanzämterabgeführt und wurde zu einer wichtigen Grundlage<strong>der</strong> in den Jahren 1920/1921 steigenden Staatseinnahmen.Etwas an<strong>der</strong>es kam hinzu: Die durch die Inflation niedrigenLöhne und Gehälter wirkten wie Lohndumping und gestattetenes <strong>der</strong> deutschen Industrie, ihre Waren vergleichsweisegünstig auf den Auslandsmärkten anzubieten. Zeitweilig entwickeltesich ein kleiner »Exportboom« für deutsche Industrieprodukte.45
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