Die Saubermänner des schmutzigen Stroms - Sonnenzeitung
Die Saubermänner des schmutzigen Stroms - Sonnenzeitung
Die Saubermänner des schmutzigen Stroms - Sonnenzeitung
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
COVERSTORY<br />
Der unendliche Gesetzes-Pfusch<br />
Das Ökostrom-Gesetz verkommt immer mehr zur Dauerbaustelle<br />
Vor allem die Energiesektion aus dem<br />
Bun<strong>des</strong>ministerium für Wirtschaft und<br />
Arbeit mischt mit Lust und Laune mit.<br />
Sehr zum Leidwesen von Planern, Betreibern<br />
und Arbeitgebern in der Ökostrombranche,<br />
die mit massiven, teils Existenz<br />
gefährdenden Rechtsunsicherheiten<br />
konfrontiert sind. Ein kurzer Rückblick:<br />
Stolz war Ende 2002 das Ökostrom-Gesetz<br />
von der Regierung als „wichtiger Impuls<br />
für den nationalen Klimaschutz“ (Bartenstein<br />
und der damalige Umweltminister<br />
Molterer) vermarktet worden. Im Vorjahr<br />
war das bewährte Gesetz – das sich als<br />
eine der erfolgreichsten legistischen Umweltmaßnahmen<br />
der vergangenen Jahre<br />
entpuppte – monatelang im Mittelpunkt<br />
heftiger Diskussionen gestanden. Bartenstein<br />
(nur zur Erinnerung: der Mann war<br />
auch schon einmal Umweltminister!) und<br />
eine rückschrittliche Allianz aus Teilen der<br />
Sozialpartnerschaft (Industriellenvereinigung,<br />
Wirtschafts- und Arbeiterkammer)<br />
wollten einen Totalumbau <strong>des</strong> Gesetzes,<br />
der de facto das Ende für den Ausbau<br />
der sauberen Energieformen bedeutet<br />
hätte. Doch die SPÖ verweigerte der von<br />
der Regierung vorgelegten Novelle zum<br />
Ökostrom-Gesetz am 9. Dezember 2004<br />
im Parlament in letzter Sekunde ihre Zustimmung<br />
(die für eine verfassungsmäßige<br />
2/3-Mehrheit aber notwendig wäre). „Ein<br />
Sieg über die Unvernunft der Bun<strong>des</strong>regierung“,<br />
jubelten Greenpeace und Global<br />
2000 stellvertretend für die gesamte<br />
Ökostrom-Szene.<br />
Gewohnter Stillstand<br />
Darüber hinaus fehlt aus dem Ministerium<br />
Bartensteins nach wie vor eine Nachfolgeregelung<br />
für die per 31.12.2004<br />
ausgelaufene Einspeisetarifverordnung, die<br />
den Ökostromproduzenten einen fairen<br />
Abnahmepreis garantiert. Dadurch hängen<br />
Projekte, die heuer die Genehmigung<br />
erhalten haben, rechtlich völlig in der Luft<br />
und können nicht umgesetzt werden.<br />
Bitteres Fazit von IG Windkraft-Geschäftsführer<br />
Stefan Hantsch: „Derzeit gibt es<br />
keine ausreichende gesetzliche Grundlage,<br />
mit der weitere (außer den im Vorjahr<br />
bereits genehmigten) Ökostromanlagen<br />
gebaut werden können.“ Es herrscht also<br />
schon jetzt für weitere Ökokraftwerke der<br />
absolute Stillstand – genau jener Zustand,<br />
den man mit der Novelle <strong>des</strong> Gesetzes<br />
offensichtlich erreichen will. Daher appelliert<br />
Rudi Anschober, grüner Umwelt- und<br />
Energielan<strong>des</strong>rat in Oberösterreich, an<br />
Minister Martin Bartenstein, die Eckpfeiler<br />
<strong>des</strong> beispielhaften deutschen EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz)<br />
zu übernehmen:<br />
„<strong>Die</strong> Ökowirtschaft braucht langfristig be-<br />
Stromkennzeichnung auf Österreichs Stromrechnungen<br />
Kennzeichnung<br />
in %<br />
Ökoenergie<br />
Wasserkraft<br />
Erdgas<br />
Erdölprodukte<br />
Kohle<br />
Braunkohle<br />
Atomenergie<br />
Sonstige 1)<br />
UCTE, bestehend aus: 2)<br />
Wasserkraft<br />
Atomenergie<br />
Fossile Energie<br />
Energie AG OÖ<br />
Vorarlberger<br />
Kraftwerke AG;<br />
VKW<br />
STEWEAG<br />
Energie<br />
Steiermark<br />
1,3 10,22 0,4 –<br />
60,6<br />
37,07<br />
61,2<br />
–<br />
0,4<br />
0,49<br />
–<br />
–<br />
0,2<br />
6.04<br />
–<br />
–<br />
–<br />
17,92<br />
–<br />
–<br />
17,9<br />
0,0<br />
13,1<br />
6,5<br />
0,8<br />
2,2<br />
3,5<br />
1,13<br />
–<br />
–<br />
27,14<br />
keine Angabe<br />
keine Angabe<br />
keine Angabe<br />
–<br />
–<br />
–<br />
38,4<br />
14,1<br />
34,6<br />
51,3<br />
TIWAG Salzburg AG<br />
–<br />
–<br />
–<br />
33,28<br />
12,97<br />
32,58<br />
54,45<br />
rechenbare und planbare Regelungen und<br />
Rahmenbedingungen für den weiteren<br />
Ausbau <strong>des</strong> Ökostroms.“<br />
Ungleichbehandlung<br />
<strong>Die</strong> Monate verstrichen – und nichts<br />
passierte. Am 2. Juni 2005, also fast ein<br />
halbes Jahr später, sendete Bartensteins<br />
Ministerium einen Verordnungsentwurf<br />
aus. <strong>Die</strong>ser sieht eine Fristverlängerung bei<br />
der Errichtung von Ökostromanlagen um<br />
eineinhalb Jahre bis Ende 2007 vor. Hintergrund:<br />
Nur jene Ökostromanlagen, die<br />
bis 31.12.2004 genehmigt wurden und bis<br />
30. Juni 2006 in Betrieb gehen, können<br />
mit begünstigten Einspeisetarifen rechnen.<br />
Eine ziemlich knappe Errichtungsfrist, die<br />
zu Problemen bei vielen Produktions- und<br />
Errichtungsbetrieben geführt hat. Eine<br />
Fristverlängerung schien daher dringend<br />
angebracht. Doch jetzt kommt der – anscheinend<br />
obligate – Haken an der Sache:<br />
Laut dem Entwurf aus dem Bartenstein-<br />
Ressort sollen nur Biomasse-, Biogas- und<br />
revitalisierte Kleinwasserkraftanlagen in<br />
den Genuss der Fristverlängerung kommen.<br />
Für Windkraft, Photovoltaik, Geothermie<br />
und Klärgas soll sie nicht gelten.<br />
Weshalb Stefan Hantsch, Geschäftsführer<br />
der IG Windkraft, von „einer völlig unverständlichen<br />
und nicht begründbaren Ungleichbehandlung“<br />
spricht: „<strong>Die</strong>s wider-<br />
1) 12,9 % Kohle, Öl, Gas; 0,2 % Abfall<br />
2) Der Europäische Gesamterzeugungsmix nach UCTE<br />
(Union f. d. Koordinierung <strong>des</strong> Transportes elektrischer<br />
Energie) besteht aus 13 % Wasserkraft, 32,5 % Atomenergie<br />
und 54,5 % fossilen Energieträgern. Laut Elektrizitätswirtschafts-<br />
u. -organisationsgesetz sind auf<br />
der Stromrechnung Begriffe wie „Strom unbekannter<br />
Herkunft“ oder „UCTE“ nicht statthaft. Werden sie<br />
dennoch verwendet, muss deklariert werden, welche<br />
Stromarten sich dahinter verbergen.<br />
<strong>Die</strong> Wiener Stadtwerke Holding Wien Energie deklariert<br />
nur das jeweilige Produkt, das der einzelne Kunde<br />
bezieht, nicht aber ihre Gesamtzusammensetzung.<br />
Somit ist für den Kunden nicht einsehbar, ob er nicht<br />
zumin<strong>des</strong>t indirekt Atomstrom fördert. <strong>Die</strong> Burgenland<br />
Holding BEWAG und die niederösterreichische EVN<br />
waren zu einer Offenlegung ihrer Stromkennzeichnungen<br />
nicht bereit.<br />
20 SONNENZEITUNG 2/05<br />
2,8<br />
77,2<br />
9,5<br />
1,5<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
9,0<br />
keine Angabe<br />
keine Angabe<br />
keine Angabe<br />
KELAG AG<br />
0,91<br />
59,15<br />
0,54<br />
0,01<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
37,42<br />
12,96<br />
32,57<br />
54,47