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Die Saubermänner des schmutzigen Stroms - Sonnenzeitung

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SONNENZEITUNG 2/05<br />

Heinrich Glauser<br />

Schweizer Energieexperte<br />

<strong>Die</strong> TIWAG ist auch an anderer Front heftig<br />

ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Der<br />

Grund liegt in den umstrittenen Finanzierungsdeals<br />

mittels Cross Border Leasing<br />

(CBL). Ein geheimnisvolles Kürzel, das in<br />

den vergangenen Jahren zum Zauberwort<br />

zahlreicher österreichischer Energieversorger,<br />

Kommunen und sonstigen Betreibern<br />

von Infrastruktureinrichtungen wurde.<br />

Dahinter steckt ein – zumin<strong>des</strong>t auf den<br />

ersten Blick – bestechen<strong>des</strong> Modell: Kraftwerke,<br />

Züge, Kanal-, Strom-, Schienennetze<br />

u. ä. werden langfristig an US-Investoren<br />

verpachtet. Sie nutzen eine Eigenheit<br />

<strong>des</strong> US-Steuergesetzes, schreiben die<br />

Anlagen als „Investitionen“ ab, vermieten<br />

das Ganze an den österreichischen Eigentümer<br />

zurück und teilen sich mit ihnen den<br />

Steuergewinn. Seit 1995 haben österreichische<br />

Verleaser so einen „Barwertvorteil“<br />

von insgesamt rund einer Milliarde Euro<br />

lukriert (s. Kasten).<br />

Doch seit die US-Finanzkontrollbehörde IRS<br />

diesem Steuertrick auf Kosten der US-Steuerzahler<br />

einen Riegel vorgeschoben hat, ist<br />

bei den heimischen Investoren Feuer am<br />

Dach. So hat auch die TIWAG seit 2001<br />

insgesamt 14 Kraftwerke sowie einen Teil<br />

<strong>des</strong> Stromnetzes in insgesamt fünf Transaktionen<br />

an US-Trusts verleast. Steuervorteil:<br />

200 Mio. Euro. Eine der Transaktionen<br />

betrifft das Pumpspeicher-Kraftwerk<br />

© Greenpeace<br />

„Hier wird der gute Mythos der sauberen Wasserkraft eigentlich missbraucht, um spekulative Projekte zu<br />

planen und zu realisieren, die eventuell in einigen Jahrzehnten sogar Investitionsruinen sind, wenn der<br />

Kraftwerkspark in Europa anders zusammengesetzt wird.“<br />

Bauern und Tourismus-Aufstand<br />

Kein Wunder, dass in der Tourismus-Hochburg Ötztal (nach Wien<br />

verzeichnet Sölden österreichweit die meisten Nächtigungen) die<br />

Wogen hoch gehen. „<strong>Die</strong> bekommen hier keinen Quadratmeter“,<br />

gibt Herbert Scheiber zu verstehen. Als Hirte ist er im Kessel <strong>des</strong><br />

hinteren Sulztales für 150 Rinder und 500 Schafe verantwortlich.<br />

In der „Tiroler Initiative Wir alle gemeinsam“ kämpfen Tourismusunternehmer,<br />

Agrargemeinschaften und Öko-Aktivisten in seltener<br />

Einigkeit gegen das Monster-Kraftwerk. Und auch betroffene<br />

Gemeinden wie Längenfeld oder Gries stellen sich vehement gegen<br />

die TIWAG-Pläne. Michael Gstrein, Obmann <strong>des</strong> Tourismusverban<strong>des</strong>:<br />

„Längenfeld hat sich in den letzten Jahren mit großen<br />

Anstrengungen und Investitionen als Ort <strong>des</strong> gehobenen Gesundheits-<br />

und Erholungstourismus positioniert. Allein der jahrelange<br />

Sellrain-Silz, das im Dezember 2001 auf<br />

94 Jahre an US-Firmen verleast und wieder<br />

zurückgeleast wurde. Transaktionsvolumen<br />

dieses weltweit größten CBL-Deals <strong>des</strong> Jahres<br />

2001: 1,496 Mrd. US-Dollar, Barwertvorteil:<br />

105 Mio. US-Dollar. „<strong>Die</strong> Investoren<br />

stehen mit Wege- und Wasserrechten im<br />

Grundbuch. Im Extremfall könnten sie das<br />

Leasinggut verwerten“, gibt der deutsche<br />

CBL-Experte und Publizist Werner<br />

Rügemer zu bedenken.<br />

US - Investor least Kraftwerk von österreichischem Versorger und bezahlt<br />

dafür 100 Mio. US-Dollar. Österreichischer Versorger mietet Kraftwerk für<br />

25 Jahre zurück und zahlt dafür 95 Mio. US-Dollar sofort.<br />

Cross Border Leasing<br />

Baustellenverkehr würde jeden sanften Tourismus zerstören.“<br />

Aber selbst auf die höchstgelegene Dauersiedlung der Ostalpen<br />

hat es die TIWAG abgesehen. Oberhalb der seit dem Mittelalter<br />

bewirtschafteten Venter Rofenhöfe (2.014 m, weniger als 200<br />

Einwohner) soll ein Speichersee mit 90 Mio. m 3 Fassungsvermögen<br />

in die auch historisch bedeutsame Landschaft geklotzt werden.<br />

Und das, obwohl die Venter bereits 1980 ihre Zukunft als<br />

„Bergsteigerdorf Tirols“ definiert und einstimmig eine geplante<br />

Erschließung <strong>des</strong> Hochjochferners als Sommerskigebiet abgelehnt<br />

hatten. <strong>Die</strong> wirtschaftliche Wertschöpfung <strong>des</strong> Dorfes am<br />

Fuß der Wildspitze, mit 3.772 m höchster Gipfel Tirols, ist stark<br />

vom Familientourismus, dem Bergführerwesen und der Bewirtschaftung<br />

von Schutzhütten geprägt.<br />

Bruno Wallnöfer<br />

TIWAG-Aufsichtsratvorsitzender<br />

„Ein guter Tag beginnt mit einem neuen Wasserkraftwerk. Um den wachsenden Stromverbrauch zu<br />

decken, braucht die EU 1.000 neue Großkraftwerke. Wir sind in der glücklichen Lage, mit unserer Tiroler<br />

Wasserkraft sauberen Tiroler Wasserkraftstrom erzeugen zu können. Der gute, der wertvolle, der saubere<br />

Spitzenstrom aus Tiroler Wasserkraft wird Jahr für Jahr wertvoller und wichtiger werden in Europa.“ Fragt<br />

sich nur, von wem – und wo – die restlichen 999 Großkraftwerke gebaut werden sollen. – Vielleicht in Tirol?<br />

TIWAG ©<br />

Finanztrick Cross Border Leasing<br />

So funktioniert Cross-Border-Leasing<br />

Beispiel: US-Investor least Kraftwerk<br />

bei einem österreichischen Versorger.<br />

Steuervorteil<br />

beim US-Fiskus<br />

5 Mio. US-Dollar<br />

Gewinn<br />

Eine Auflistung <strong>des</strong> Rechnungshofs verdeutlicht, in welch hohem Ausmaß Cross<br />

Border Leasing (CBL) in Österreich genutzt wurde. Vom Gesamtvolumen von 17,9<br />

Mrd. Euro entfallen 68 % auf den Energiesektor (Barwertvorteil: 653 Mio. Euro).<br />

So verleaste beispielsweise der Verbund alle acht Donaukraftwerke um 6 Mrd.<br />

Euro, um sie danach anzumieten. Ein Viertel aller CBL-Deals tätigten ÖBB und<br />

Wiener Linien (Barwertvorteil: 329 Mio. €); die Gemeinde Wien kommt auf 7 Prozent<br />

(64 Mio. €). Bemerkenswert ist die kritische Anmerkung <strong>des</strong> Rechnungshofs,<br />

dass bei CBL-Verträgen „volkswirtschaftlich erhebliche Transaktionskosten anfallen,<br />

ohne wirtschaftlich einen Mehrwert zu erzielen“. Außerdem sei derzeit nicht<br />

abschätzbar, ob die Barwertvorteile auch am Ende der Vertragslaufzeit von 20 bis<br />

30 Jahren noch in ursprünglicher Höhe gegeben seien.<br />

REPORTAGE<br />

Quelle: Archiv<br />

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