Die Verantwortung aber bleibt - GEW
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den Städten auch ein Kampf um die lukrative Judensteuer<br />
war. In Worms und Speyer war dies immer eine<br />
Auseinandersetzung zwischen Kaiser, Bischof und<br />
dem Rat der Stadt.<br />
Immer waren es die Juden, die den religiösen Fanatismus<br />
der Christen als erste zu spüren bekamen, so<br />
z. B., als die Hysterie der Kreuzzüge die Christenheit<br />
ergriff. 1084 fielen die Wormser über die Juden her, so<br />
dass viele nach Speyer flohen, wo sie vom dortigen<br />
Bischof aufgenommen wurden. Als es dann im Verlauf<br />
des ersten Kreuzzuges wieder zu blutigen Judenverfolgungen<br />
in den rheinischen Städten kommt,<br />
verhindert der Bischof von Speyer 1096 ein Massaker<br />
und befreit und schützt seine Juden mit ihrem Rabbi.<br />
Danach erholen sich die jüdischen Gemeinden in<br />
Worms und Speyer sehr rasch und gelangen wieder<br />
zu Wohlstand und Einfluss. Vom Rheinischen Städtebund<br />
von 1254 wurde den Juden vorgeschrieben,<br />
welchen Zinssatz sie bei einem Darlehen verlangen<br />
mussten, so durften sie bei einem Wochendarlehen<br />
43 % und bei einen Jahresdarlehen 33 1/3 % fordern.<br />
In der Zeit chronischer Geldknappheit ergab sich daraus<br />
sowohl die Möglichkeit des politischen Einflusses<br />
wie auch der Vorwurf des Wuchers von Seiten der<br />
Christen. Aber nicht nur finanziell spielten die rheinischen<br />
Juden eine Rolle. Ihre Reputation zeigt sich<br />
1201 in Worms, wo man ihnen das Recht Waffen zu<br />
tragen und die Stadtmauer zu verteidigen, zugesteht.<br />
Um 1150 hatte die Rabbinersynode in Troyes beschlossen,<br />
dass die Gemeinden von Mainz, Worms<br />
und Speyer die Führung der deutschen Juden übernehmen<br />
sollten. <strong>Die</strong> Lehrer der Schum-Städte Spira,<br />
Wormatisa und Moguntia beschließen Regelungen<br />
(takkanot Schum), die noch heute Gültigkeit haben.<br />
<strong>Die</strong> Rechtsstellung der jüdischen Gemeinwesen war<br />
bestimmt durch eine gewisse Selbstverwaltung, die in<br />
einem Judengericht, einem zwölfköpfigen Judenrat<br />
und einem Judenbischof ihren Ausdruck fand. Trotzdem<br />
waren die Juden ihren Schutzherren meist ausgeliefert,<br />
so dass sie sich ihr Wohlwollen immer<br />
wieder durch Geldzahlungen erhalten mussten. Im<br />
Jahre 1286 löste der in Worms lehrende Rabbi Meir<br />
von Rothenburg, genannt Maharam, eine Auswandererbewegung<br />
aus, die schließlich gewaltsam durch<br />
König Rudolf von Habsburg verhindert wurde. Der<br />
Hintergrund dürften wohl die leeren Kassen des Königs<br />
und der Auszug potenter Steuerzahler gewesen<br />
sein. Das Vermögen der entflohenen Juden in Worms<br />
und Speyer wurde konfisziert, der Maharam in Ensigheim<br />
gefangengesetzt, wo er es ablehnte, gegen ein Lösegeld<br />
befreit zu werden. Erst 1307 gelang es<br />
Alexander Ben Salomo Wimpfen, den Leichnam des<br />
Maharam frei zukaufen und im Heiligen Sand in<br />
Worms beizusetzen. <strong>Die</strong> Heiligkeit des Judenfriedhofs<br />
in Worms, des ältesten in Europa, ergibt sich aus der<br />
Vielzahl der Gelehrten, die dort begraben sind. Im Gegensatz<br />
zum Speyerer Judenfriedhof hat die jüdische<br />
Ruhestätte in Worms die Jahrhunderte überdauert.<br />
In der Mitte des 14. Jahrhunderts ging die Pest um.<br />
Eine aus religiösen, sozialen und ökonomischen Motiven<br />
abgeleitete Pogromstimmung breitete sich aus.<br />
Fanatisierte Flagellanten aus Frankreich fielen zusammen<br />
mit einheimischen Bürgern am 30. Januar<br />
1349 über die Juden her, setzten Synagogenbezirk<br />
und Judengasse in Brand und erschlugen 400 Juden.<br />
In Speyer erging es den Juden nicht besser. Viele<br />
Juden verbrannten sich in ihren Häusern, einige versuchten,<br />
sich durch die Taufe zu retten.<br />
Das Jahr 1349 markiert den Wendepunkt in der Geschichte<br />
der rheinischen Juden. Kaiser Karl IV. war seinem<br />
Schutzversprechen nicht nachgekommen und<br />
überließ schließlich seine Juden Adligen und den<br />
Städten. Nun waren die Juden dem Regiment der<br />
Stadträte, Patrizier und Zünfte ausgeliefert. <strong>Die</strong> Emotionen<br />
gegen die Minderheit der Juden wurde durch<br />
die Geistlichkeit geschürt, die den Juden Brunnenvergiftung<br />
und Ritualmorde vorwarf. <strong>Die</strong> Katastrophe<br />
des Pestjahres 1349 veränderte auch die Rechtsstel-<br />
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