Die Verantwortung aber bleibt - GEW
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9<br />
Gedenken der vier<br />
Gewerkschaften<br />
am 27.1.2008 im<br />
ehemaligen KZ<br />
Auschwitz<br />
konnte. In der Darstellung des Krieges und der unmittelbaren<br />
Nachkriegszeit dominierte jahrzehntelang<br />
das Bild vom Polen als dem Helden oder als Opfer der<br />
Verbrechen des Okkupanten. Das kam nicht aus heiterem<br />
Himmel, denn die Zahl der Helden und Märtyrer<br />
war wirklich groß. In Auschwitz sind etwa 75.000<br />
ethnische Polen ums Leben gekommen. Ein Großteil<br />
der polnischen Elite wurde ermordet. Aber es gab<br />
auch nicht wenige Kollaborateure und Denunzianten<br />
zu Zeiten der Okkupation und nach dem Krieg gab es<br />
Pogrome gegen Juden, die gerade dem Holocaust entkommen<br />
waren. So etwa in Krakow am 5. August<br />
1945, in Kielce am 4. Juli 1946 (bei dem 40 Juden ermordet<br />
wurden) und in ein paar anderen Ortschaften.<br />
Das waren Morde, die bei Tageslicht verübt wurden<br />
im sicheren Gefühl der Straflosigkeit, welches man als<br />
Zeuge der deutschen Morde an Juden erworben hatte.<br />
<strong>Die</strong>se Morde vor den Augen der polnischen Bevölkerung<br />
bewirkten einen moralischen Defekt. <strong>Die</strong> wenigen<br />
geretteten Juden, die versuchten, nach dem Krieg<br />
in die Heimatstädte oder -dörfer zurückzukehren, wurden<br />
dort bedroht und nicht selten heimlich getötet.<br />
Sie mussten ihre Zuflucht in Großstädten suchen.<br />
Das Ignorieren der moralischen Wirkung des Holocaust<br />
heißt nichts anderes, als im Grunde zu akzeptieren,<br />
dass die ganze Sache mit der Niederlage von<br />
Hitler-Deutschland beendet war. Aber so war das<br />
nicht. In der letzten Zeit arbeiten immer mehr junge<br />
polnische Historiker über Schicksale von Juden während<br />
der Jahre des Holocaust und sie analysieren auch<br />
die dramatische Welle der Ermordung von geretteten<br />
Juden in der Nachkriegszeit. Sie tun das nicht auf politische<br />
Bestellung, sondern aus dem tiefen Wunsch<br />
heraus, die Wahrheit über die Dinge auszusprechen,<br />
142<br />
die ich gerade beschrieben habe. Immer mehr polnische<br />
Lehrerinnen und Lehrer engagieren sich inzwischen<br />
im Unterricht über den Holocaust. Man kann<br />
sagen, dass sich in den vergangenen zehn Jahren vieles<br />
zum Besseren entwickelt hat. Dank der Initiativen<br />
von unten erscheinen immer mehr Bücher und Broschüren<br />
über Schicksale jüdischer Gemeinden in verschiedenen<br />
Städten und Städtchen Polens. Auch<br />
existieren mehrere jüdische Museen. Fast alle wurden<br />
dank der Initiative ethnischer Polen gegründet und<br />
werden von ihnen geführt. <strong>Die</strong> Zahl junger Polen, die<br />
an Jiddisch-Sprachkursen teilnehmen, übertrifft die<br />
der Juden, die solche Kurse besuchen. In Warschau<br />
entsteht gerade ein großes Museum der Polnischen<br />
Juden, das weitgehend mit Geldern der polnischen<br />
Regierung finanziert wird, <strong>aber</strong> auch mit Zuschüssen<br />
vom deutschen Außenministerium. Es soll in zwei bis<br />
drei Jahren eröffnet werden.<br />
Anhang<br />
Zahlen der Opfer des Konzentrations- und<br />
Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau:<br />
1.100.000 Juden, darunter als größte Einzelgruppe<br />
ca. 430.000 Juden aus Ungarn<br />
75.000 ethnische Polen<br />
21.000 Sinti und Roma<br />
15.000 sowjetische Kriegsgefangene<br />
5.000 andere<br />
Insgesamt: 1.216.000