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Die Verantwortung aber bleibt - GEW

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Volker Keller<br />

Didaktisch-pädagogische Überlegungen zum Thema<br />

„50 Jahre Novemberpogrome“<br />

Präsentation einer Broschüre und einer Filmdokumentation zum Novemberpogrom 1938 in Mannheim, Einführung<br />

auf dem Seminar 1988<br />

Welchen Beitrag können wir zum 50. Jahrestag des<br />

Reichspogroms 1938 leisten? <strong>Die</strong>se Frage stand am<br />

Anfang unserer Gruppenarbeit. Bei der Diskussion,<br />

ob wir eine durchgeplante Unterrichtseinheit, ein didaktisches<br />

Medienpaket oder reine Sachinformationen<br />

zur Verfügung stellen und/oder einen Workshop<br />

anbieten sollten, fanden wir zunächst Antworten auf<br />

andere Fragen: Warum wollen wir überhaupt einen<br />

Beitrag zu diesem Jahrestag leisten? Gibt es nicht<br />

schon sehr viel Literatur, Filme und Arbeitshilfen<br />

hierzu? Ja, es gibt schon sehr viel zum Thema. In<br />

jedem guten Schulbuch können die Hintergründe,<br />

Zusammenhänge und Ereignisse des Reichspogroms<br />

nachgelesen werden.<br />

Aber über die Ausschreitungen in Mannheim liegt<br />

nicht viel vor. Das ausgezeichnete Standardwerk<br />

hierzu (Fliedner, H.J.; <strong>Die</strong> Judenverfolgung in Mannheim<br />

1933-1945, Stuttgart 1971) ist schon seit Jahren<br />

vergriffen! Und wir wussten auch: Es gibt unveröffentlichte<br />

Zeitzeugenberichte, die in den letzten Jahren<br />

durch Privatinitiative und einen weltweiten<br />

Aufruf der Stadt an ehemalige jüdische Bürger zugänglich<br />

wurden. Zudem hatten wir dank der personellen<br />

Unterstützung des Schulverwaltungsamtes die<br />

Chance, Berichte Mannheimer Augenzeugen jener<br />

Ereignisse durch Interviews als Filmaufzeichnung festzuhalten.<br />

Wir sahen nun also die Möglichkeit, nicht<br />

nur didaktisch-pädagogisch arbeiten zu können, sondern<br />

auch mit der erstmaligen Veröffentlichung<br />

schriftlicher Quellen und der Herstellung dokumentarischen<br />

Filmmaterials – Befragung von Zeugen –<br />

einen bescheidenen Beitrag zur lokalen Geschichtsschreibung<br />

leisten zu können.<br />

Unsere Arbeit soll <strong>aber</strong> Geschichtswissen nicht einfach<br />

nur tradieren. Wir in unserer Arbeitsgruppe sind<br />

Pädagogen und ein Schüler, die nicht wollen, dass<br />

sich solche oder ähnliche Ereignisse wie in jenen Novembertagen<br />

1938 jemals wiederholen. „Sich erinnern,<br />

um erlöst zu werden“ – das ist nach unserem<br />

Verständnis Sinn und Zweck von Geschichtsunterricht.<br />

Mit diesem Zitat ist auch unsere ganze Motivation<br />

beschrieben.<br />

SICH ERINNERN wurde so der Titel der Broschüre<br />

und des Video-Films. In der Diskussion des Themas<br />

und der Reflexion des Titels wurden wir uns auch klar<br />

darüber, dass wir den Kolleginnen und Kollegen hier<br />

keine Unterrichtsplanung abnehmen können und<br />

dürfen. Darum auch keine didaktische Aufbereitung<br />

des Themas, keine Vorschläge zum Unterricht und<br />

keine ergänzenden Arbeitsblätter für Schüler. Wir vertrauen<br />

unseren Kolleginnen und Kollegen, dass sie<br />

die Video-Kassette nicht einfach nur „einschieben“<br />

und unsere Arbeit nicht dadurch zur „Stoffplanerfüllung“<br />

missbrauchen.<br />

Eine weitere Frage: Ist denn nicht schon genug erinnert<br />

worden? Dahinter kann die sicher berechtigte<br />

Kritik stehen, dass bei ständigem Wiederholen von<br />

bereits bekannten Fakten fatale Reaktionen eintreten<br />

können. Wir hoffen jedoch, dass der konkrete, lokale<br />

Bezug unserer Arbeit Interesse wecken wird und sie<br />

sich dadurch auch von den schon allgemein bekannten<br />

Informationen abhebt. Aber auch die Angst vor<br />

dem „erhobenen Zeigefinger“ ist hinter einer solchen<br />

Frage zu vermuten. Darum haben wir darauf verzichtet,<br />

anzuklagen oder überhaupt zu kommentieren.<br />

Wir denken, die Aussagen und Dokumente sprechen<br />

für sich.<br />

Wir haben eine Broschüre für die Hand des Lehrers<br />

erarbeitet, einen Video-Film zum Einsatz im Unterricht<br />

gedreht, und planen, im Oktober und November<br />

dieses Jahres Lehrerfortbildungsveranstaltungen<br />

(„Juden in Mannheim – Religion und Leben“) anzubieten.<br />

Mit dieser Arbeit wollen wir einen Beitrag zur<br />

Bekämpfung von Rassismus und Faschismus leisten.<br />

Denn leider ist heute Brechts „Führerbildunterschrift“<br />

immer noch aktuell: „Der Schoß ist fruchtbar noch,<br />

aus dem das kroch“.<br />

Volker Keller berichtete anschließend über „Jüdisches Leben<br />

in Mannheim“. Dazu gibt es zwei Veröffentlichungen:<br />

Keller, V., Bilder vom Jüdischen Leben in Mannheim,<br />

Mannheim 1988<br />

Keller, V., Jüdisches Leben in Mannheim, Mannheim 1995<br />

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