Die Verantwortung aber bleibt - GEW
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Shalom Levin und<br />
Zvi Turnoy aus der<br />
israelischen<br />
Seminargruppe<br />
auf dem alten<br />
Frankfurter<br />
Judenfriedhof,<br />
1991<br />
den Juden, auch in Frankfurt, eine besondere „Ketzersteuer“<br />
zu erheben. <strong>Die</strong> Stadt weigert sich allerdings<br />
unter Berufung auf die Privilegien der<br />
Frankfurter Juden, das Geld an den Kaiser zu zahlen.<br />
Daraufhin verordnet der Kaiser den Bann über die<br />
Juden (Reichsacht). <strong>Die</strong> Juden müssen die Stadt verlassen<br />
und kehren erst 1424 nach Klärung des Rechtsstreits<br />
zurück. Mitte des 15. Jh., wiederum in Zeiten<br />
wirtschaftlicher Krisen, nehmen Ausschreitungen und<br />
Pogrome gegen die Juden zu. Viele Städte und Territorien<br />
im deutschen Reich weisen ihre Juden aus.<br />
Auch in Frankfurt diskutiert der Rat, wie er seine<br />
Juden „loswerden“ kann. Bereits 1442 verlangt der<br />
Kaiser die Umsiedlung der Juden in einen anderen<br />
Stadtteil. 1462 schließlich werden sie gezwungen, aus<br />
der Altstadt auszuziehen und sich in der Nähe des Jüdischen<br />
Friedhofes anzusiedeln. In den Jahren 1461<br />
bis 1465 entsteht die Judengasse auf Kosten der Stadt<br />
mit Wohnhäusern, Gemeinde-, Tanz- und Wirtshaus.<br />
<strong>Die</strong> Kosten für Synagoge und Ritualbad (Mikwe)<br />
übernehmen die Juden selbst. Es wird ihnen verboten,<br />
außerhalb der Gasse zu wohnen. Sie müssen (bis<br />
1728) an ihren Kleidern ein Judenabzeichen tragen,<br />
wenn sie die „Judengasse“ durch eines der drei Tore<br />
verlassen.<br />
Trotz der Isolierung beruhigt sich die Lage für die<br />
Juden keineswegs. Immer wieder kommt es zu Attakken,<br />
Verfolgungen und Pogromen. Dazu gehörte die<br />
Kampagne gegen die hebräischen Bücher zu Beginn<br />
des 16. Jh. und der Sturm auf die Judengasse 1614,<br />
als sich der Aufstand Frankfurter Handwerker und<br />
Bürger gegen den Rat der Stadt (Fettmilch-Aufstand)<br />
zum Pogrom gegen die Judengasse entwickelt. <strong>Die</strong><br />
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Juden verteidigen ihre Gasse zwar erbittert, werden<br />
<strong>aber</strong> geschlagen und vertrieben. Erst nach der Niederschlagung<br />
des Aufstandes und der Hinrichtung des<br />
Anführers (Vinzenz Fettmilch) im Januar 1616 werden<br />
sie unter dem Schutz kaiserlicher Truppen in die<br />
Judengasse zurückgeführt. <strong>Die</strong> Erinnerung an diese<br />
„Errettung“ feierten die Frankfurter Juden mit ihrem<br />
Vinz-Purim-Fest. Mit der Rückkehr erhalten die Juden<br />
eine neue „Stättigkeit“ des Kaisers. Sie enthält zwar<br />
viele einschränkende Bestimmungen, gibt <strong>aber</strong> auch<br />
ein gewisses Maß an Rechtssicherheit, vor allem wird<br />
das bisher auf drei Jahre befristete Aufenthaltsrecht<br />
in ein unbefristetes umgewandelt. Trotz des abgeschlossenen<br />
Lebens in der Judengasse war Frankfurt<br />
als Messe-, Handels- und Finanzstadt für Juden ein<br />
nach wie vor attraktiver Ort. So wuchs mit der Entwicklung<br />
der Stadt und der Zunahme der Stadtbevölkerung<br />
auch die Zahl der Juden, die in der<br />
Judengasse lebten. Anfänglich war die Judengasse nur<br />
für 15 Häuser vorgesehen. Um 1700 gab es bereits<br />
200 Häuser, in denen über 3.000 Menschen lebten.<br />
Trotz aller Beschränkungen hatte die jüdische<br />
Gemeinde rechtliche Freiheiten. Sie besaßen im Finanz-,<br />
Steuer- und Bildungswesen die völlige Autonomie<br />
und hatten eine eigene Feuerwehr und Polizei.<br />
In Bezug auf andere, nicht bürgerliche Bevölkerungsgruppen,<br />
z.B. die Dorfbewohner, die Gesellen oder<br />
die „Beisassen“ (Fremde) waren sie vergleichsweise<br />
nicht schlechter gestellt. Sie mussten zwar zahlreiche<br />
Extrasteuern und Gebühren zahlen. Auf der anderen<br />
Seite waren sie vom Wehrdienst ebenso freigestellt<br />
wie von der Pflicht, für das Militär Quartier zu stellen.<br />
Konflikte gab es immer wieder mit den Handwerkern<br />
und dem Rat der Stadt Frankfurt, <strong>aber</strong> bisweilen auch