Schriftleitung - Wandervogelhof Reinstorf
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uns. So wurde beschlossen, ihn zu bekehren. Wandervogel Fritz brachte den<br />
Zupfgeigenhansl mit in die Klasse und hielt über diese wertvolle Volksliedersammlung<br />
einen bewegten kleinen<br />
Vortrag. Er überreichte das Buch, das<br />
auch einige Silhouetten enthielt, dem<br />
Lehrer. Dieser schlug es zufällig bei dem<br />
Abschnitt „Minnedienst“ auf, und zwar<br />
bei dem Liede, in dem folgender Vers<br />
vorkommt: „In meines Vaters Garten<br />
legt ich mich nieder und schlief, da träumet<br />
mir ein Träumelein, wie’s schneiet<br />
über mich.“ Das dazugehörige Bild, ein<br />
zarter Schattenriß, zeigt ein junges, fast<br />
nacktes Mädchen unter einem Rosenstrauch<br />
liegend. Von den Zweigen fallen<br />
Blütenblätter herab in den Schoß des<br />
Mädchens. „Sehen Sie, wohin die Blätter<br />
fallen?“ rief der Lehrer und nahm<br />
sichtbar Anstoß an solch unmoralischem<br />
Geschehen. Da nahm der Schüler seinen<br />
Zupfgeigenhansl und gab die Bekehrung<br />
auf.“<br />
Die Schikanen durch einzelne Lehrer und ein offizielles Verbot, an Fahrten<br />
teilzunehmen, veranlaßten Oskar Schlemm im Februar 1912, einen Brief<br />
an das Königliche Provinzialschulkollegium in Hannover zu verfassen:<br />
„An das Königliche Provinzialschulkollegium richte ich gegen Herrn Prof.<br />
Hoffmann in Uelzen, gegen Herrn Zeichenlehrer Scharlemann daselbst und<br />
gegen einen Beschluß des Lehrerkollegiums am hiesigen Realgymnasium<br />
folgende Beschwerde: Die Eltern mehrerer Schüler des hiesigen Realgymnasiums<br />
haben einen Verein „Wandervogel“ gegründet. Er ist ein Elternverein,<br />
an dessen Spitze ich stehe und der den Zweck hat, die Kinder anzuhalten,<br />
durch gemeinsame Wanderungen in der Nähe und Ferne Freude an der Natur<br />
und an der Heimat zu gewinnen, die Landwirtschaft, die Bauern und ihre<br />
Sitten kennen zu lernen, Selbsthilfe, anspruchsloses Leben und Ausdauer zu<br />
üben, den Gesang zu pflegen und durch Kriegsspiele sich zu ihrer Militärzeit<br />
vorzubereiten. Das Rauchen und die geistigen Getränke sind auf den Wanderungen<br />
strengstens verboten.<br />
Herr Prof. Hoffmann brachte seine Abneigung gegen diesen Verein in folgender<br />
Weise zum Ausdruck. Mein Sohn hatte eine Halsentzündung und<br />
einen Schnupfen durch nasse Füße bekommen. Er war heiser und fühlte sich<br />
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