Schriftleitung - Wandervogelhof Reinstorf
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Wunder, daß die Kathe als allgemeine Absteigeherberge genutzt sein mochte,<br />
denn kein Fenster war in Ordnung, das Glas entzwei, das Holz morsch; auch<br />
die Türen boten keinen Widerstand, denn alle Schlösser schlossen nicht.<br />
Und draußen? Der Garten verwildert,<br />
Queckenkultur und Brombeerranken,<br />
daß man knapp hindurch konnte, auch<br />
ein Zaun schien einmal vorhanden<br />
gewesen zu sein, denn Draht und Reste<br />
einer Gartentür lagen dort herum.<br />
Nach eingehender Besichtigung setzten<br />
sie sich ins hohe Gras und sangen.<br />
Da zeigte es sich, daß sie nicht im<br />
Märchenlande waren, wie die Verlassenheit<br />
mit dem eintönig rauschenden<br />
Wasser und den singenden Vögeln vermuten<br />
ließ, denn ein Mann in weißbestaubtem<br />
Anzug kam auf dem Rade an<br />
und sprang ab. An seinem Zeug sahen<br />
sie, daß es der Müller sein mußte.<br />
Uelzener Wandervögel, um 1909<br />
[...] Er fragte viel und sie erzählten sich allerhand und erfuhren dabei, daß<br />
diese Mühle wirklich Neumühle sei, und sie erkundigten sich auch gleichzeitig<br />
nach Vermieten und Preis, denn bei Kurt Sievers stand es fest, daß dies<br />
und kein anderes unser Landheim werden müßte. Das Haus mit Garten sollte<br />
im ersten Jahre 90 Mk, in den folgenden 100 Mk kosten mit der Verpflichtung,<br />
daß der Müller vor dem sechsten Jahre nichts für Wiederherstellungsarbeiten<br />
bezahlen brauchte.<br />
Als sie dies erfahren hatten, meinte der gute Mann mit einem Seitenblick auf<br />
die Klampfe: „Se künnt mal eenen upspälen!“ Und sie sangen stimmungsvolle<br />
Lieder, und der Müller stand dabei und högte sich, still vor sich hinlächelnd.<br />
Die Sonne neigte sich, sie mußten an Aufbruch denken, da zog der<br />
edle Herr seine Geldtasche heraus, zog ein Fünfgroschenstück herfür und<br />
wollte es Kurt Sievers in die Hand drücken, „Für die schöne Musik.“ Doch da<br />
setzte des Führers Tätigkeit ein. In fließender und überzeugender Rede legte<br />
er dar, daß sie weder fahrende Musikanten seien, noch Harfenjuden, noch<br />
wandernde Zigeuner, nein dies alles nicht, sondern nur – Wandervögel.“<br />
Die in diesem Bericht eingangs erwähnte Mädelgruppe war seit 1913 ein<br />
fester Bestandteil der Uelzener Gruppe, auch wenn sie Anfang 1914 noch<br />
nicht in der offiziellen Gaustatistik auftauchte. Walther Schlemm schrieb<br />
über den Beginn der Mädelgruppe in einem Brief an Wilhelm Burmeister<br />
im März 1980:<br />
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