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Barock Renaissance - Germanisches Nationalmuseum

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Abb. 111 Gustav Wolf,<br />

Helden und dergl., 1915<br />

zurückzukehren, um erneut eine Professur<br />

in Karlsruhe anzutreten, kam zu spät. Eine<br />

schwere Diabetes führte ein Jahr darauf<br />

zum Tod der Künstlers.<br />

Im Nachlass von Gustav Wolf hat sich<br />

das Manuskript der Druckgraphikfolge<br />

»Helden und dergleichen« erhalten. Der<br />

Künstler hatte sich kurz nach dem Ausbruch<br />

des Ersten Weltkrieges mit seinem<br />

älteren Bruder Willy freiwillig zum Kriegsdienst<br />

gemeldet. Sie kamen im August<br />

1914 zur sogenannten fliegenden Truppe<br />

(XI. Compagnie des Reserve-Infanterieregiments<br />

201, 2. Reservekorps).<br />

Schon zu Beginn legte Wolf ein Kriegstagebuch<br />

an, das auf seine geradezu enthusiastische<br />

Gesinnung schließen lässt.<br />

Nicht unähnlich anderen Künstlern der<br />

Moderne erhoffte er sich durch das »apokalyptische<br />

Geschehen« des Krieges die<br />

Möglichkeit, die Menschheit wieder zu<br />

ihrem göttlichen Ursprung führen zu können.<br />

Der Krieg bedeute seiner Meinung<br />

nach den »Sieg des Geistes über die Materie«.<br />

In diesem gottgewollten Geschehen<br />

sprach er den Deutschen die Rolle<br />

des auserwählten Volkes zu. Doch die anfängliche<br />

Euphorie kippte spätestens zum<br />

Zeitpunkt seiner eigenen starken Verwundung<br />

und des Todes seines Bruders im<br />

Mai 1915. Seine Zeichnungen und Tagebuchaufzeichnungen<br />

vermitteln nun ein<br />

anderes Bild vom Krieg, eines von Unmenschlichkeit,<br />

Schrecken, Irrsinn und Anklage.<br />

Er fertigte drei graphische Folgen:<br />

»Helden und dergleichen« (1915/16),<br />

»Meine glorreiche Kriegslaufbahn«<br />

(1916) und »Dies ist ein sehr lehrreiches<br />

A=B=C aus dem Kriege« (1916). In Knittelversen,<br />

die durch Lithographien illustriert<br />

wurden, beschrieb er unverhohlen<br />

den Unsinn des Krieges. Er beschwerte<br />

sich in den Texten über die Pressezensur,<br />

über Drückeberger und Kriegsgewinnler<br />

wie auch über jene Clubs, die sich in<br />

dieser Zeit zur Diskussion theoretischer<br />

Kriegsführung gegründet hatten. Auch<br />

Selbstanklage und Trauer über den Tod<br />

seines Bruders bestimmten die Texte.<br />

Die Verse für »Helden und dergleichen«<br />

schrieb er während seiner Genesungszeit<br />

in Schwerin, als er eine schwere<br />

Oberschenkelverletzung auskurieren musste.<br />

Im Vorwort seiner Publikation heißt<br />

es: »Langsam wurde der Mensch wieder<br />

geboren, den man in der Welt gebrauchen<br />

kann, den die Welt verlangt: den<br />

Lumpenhund. Diese Blätter sind Zeugen<br />

seiner Geburt.« Er fertigte 18 Lithographien<br />

im Format 26 x17,5 cm in einer Auflage<br />

von sieben Stück. Für die Publikation<br />

wählte er das Blatt »Dem Kriegsgotte<br />

Mars« als Titel und Umschlag, während<br />

bei vorliegendem Manuskript noch der Titel<br />

»Helden u. dergl.« –wenn auch in der<br />

Abkürzung –dominiert. Vor allem der Untertitel<br />

»Ein Bilderbuch für ganz naive Kinder«<br />

und die Datierung »Aus dem Jahre<br />

des Heils 1915« lassen an der gewandelten<br />

Gesinnung Wolfs keinen Zweifel.<br />

Nun zählte er sich selbst zu den »ganz<br />

naiven Kindern«, die begeistert in den<br />

Krieg gezogen waren, um geläutert und<br />

mit großem Schaden aus ihm hervorzugehen.<br />

Gustav Wolf kämpfte zeitlebens mit<br />

großen Widersprüchen, wovon dieses<br />

Manuskript ein Zeugnis unter vielen ist.<br />

Als begeisterter, national gesinnter Kriegsteilnehmer<br />

musste er später seinen Irrtum<br />

erkennen. Dennoch blieb er bei seiner Begeisterung<br />

für Deutschland, das er dann<br />

tragischerweise als Jude 1938 verlassen<br />

musste.<br />

Der Stadt Östringen war es gelungen,<br />

mit der hochbetagten Witwe von Gustav<br />

Wolf in den USA Kontakt aufzunehmen<br />

und den gesamten Nachlass zu erwer-<br />

297<br />

ben, um ihn 1990 wieder nach Deutschland<br />

zurückzubringen. Dem bedeutenden<br />

Sohn der Stadt wurde ein eigenes Museum<br />

gewidmet, in dem Gemälde und Graphiken<br />

ausgestellt werden. Der schriftliche<br />

Nachlass blieb zunächst unversorgt. Im<br />

Februar 2008 machte eine Wissenschaftlerin<br />

das Deutsche Kunstarchiv auf diesen<br />

aufmerksam. Das Archiv nahm daraufhin<br />

Kontakt mit der Stadt Östringen auf und<br />

sichtete den Bestand im Januar 2009. Im<br />

April 2009 erfolgte ein Gegenbesuch<br />

der Abgeordneten aus Östringen, im<br />

Februar 2010 die Übergabe der schriftlichen<br />

Unterlagen an das Archiv. Sie<br />

enthalten sehr persönliche Dokumente<br />

wie dieses Manuskript, aber auch Tagebücher,<br />

Korrespondenzen, Notizen und<br />

Skizzen. Sonderdrucke, Publikationen,<br />

Druckgraphiken, Presseausschnitte ergänzen<br />

den Bestand.<br />

Lit.: Gustav Wolf. Das druckgraphische Werk.<br />

Bearb. von Johann Eckart von Borries. Karlsruhe<br />

1982. –Gustav Wolf. Schöpfer visionärer<br />

Kunst. Bearb. von Barbara Brähler/Wolfgang<br />

Braunecker. Östringen o.J. [ca. 1995]. –Barbara<br />

Brähler: Gustav Wolf (1887–1947) –eine<br />

Weltanschauung in Bildern. Werkverzeichnis<br />

des künstlerischen Nachlasses in Östringen.<br />

Ketsch bei Mannheim. Diss. Heidelberg 2000,<br />

Microfiche.<br />

Geschenk der Stadt Östringen<br />

Birgit Jooss<br />

Reisepass von Oskar Koller<br />

DKA, NL Koller, Oskar, I, B(Abb. 112). Seite<br />

10/11 des Reisepasses, Nürnberg, 1966–76,<br />

Stempel, Kugelschreiber und aufgeklebte Marken<br />

auf Papier. H. 15,2, B. 20,7 cm (aufgeschlagen).<br />

Oskar Koller (1925–2004) war für seine<br />

Aquarellmalerei berühmt und gilt als einer<br />

der großen Meister dieser Technik<br />

des 20. Jahrhunderts. Virtuos setzte er seinen<br />

Pinsel ein, abstrahierend war seine<br />

Bildsprache. Ihn interessierte nicht das<br />

bloße Abbild, als vielmehr das Essenzielle,<br />

das zeitlos hinter den Dingen steht.<br />

So entstanden schwerelos wirkende,<br />

zarte Bilder von Landschaften, Bäumen,<br />

Blumen, Menschen –darunter viele<br />

Motive aus fernen Ländern.<br />

Der Maler wurde am 16. Oktober<br />

1925 in Erlangen geboren. Nach einer<br />

kaufmännischen Lehre besuchte er zwi-

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