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➤ DESTINATION Portugal<br />
Kultur allein<br />
reicht nicht<br />
Portugal ■ Sintra ist für Lissabon-Besucher ein Muss<br />
– allerdings nur als Tagesausflug. Das genügt den Tourismusmanagern<br />
der ehemaligen Königsresidenz nicht mehr.<br />
José Cardoso Martins ist mit der Rolle, die<br />
seine Stadt spielt, schon lange nicht mehr<br />
einverstanden. »Wir wollen nicht nur als<br />
Anhängsel von Lissabon gesehen werden, wo<br />
man vielleicht einen romantischen Abend verbringt<br />
oder ein paar der Törtchen isst, für die<br />
unsere Stadt so bekannt ist«, sagt der Kultur-<br />
und Tourismusbeauftragte der Region Sintra<br />
in Portugal.<br />
Die Stadt Sintra liegt etwa 25 Autominuten<br />
vom Flughafen Lissabon entfernt. Zu den<br />
bekannten Sehenswürdigkeiten der ehemaligen<br />
Königsresidenz gehören vor allem der<br />
Nationalpalast mit seinen als Wahrzeichen<br />
geltenden kegelförmigen Kaminen und der<br />
von dem deutschen Architekten Wilhelm Ludwig<br />
erbaute Palácio da Pena, dem portugiesischen<br />
Schloss Neuschwanstein. Zwischen die<br />
Besichtigung der beiden Bauten passt gerade<br />
noch ein Besuch in der Konditorei Piriquita,<br />
schräg gegenüber des Nationalpalasts, um zu<br />
einem Spottpreis geniale portugiesische Leckereien<br />
zu naschen.<br />
Die wichtigsten Highlights lassen sich bequem<br />
an einem Tag abarbeiten – aber genau<br />
das ist auch das Problem: Die Stadt Sintra<br />
zieht bislang hauptsächlich Tagestouristen an,<br />
die ihren Städteurlaub in Lissabon verbringen<br />
oder Badeferien in Cascais machen. »Sintra<br />
war in den vergangenen Jahrzehnten ein Ort,<br />
den die Touristen auf dem Weg zu anderen<br />
Reisezielen passierten«, gibt Cardoso zu. Etwa<br />
500.000 Besucher kamen 2004, um die historische<br />
Altstadt zu besuchen – nur wenige blieben<br />
dort über Nacht. Eine Tatsache, die auch<br />
Pedro Leão, Chef des portugiesischen Fremdenverkehrsamts<br />
in Frankfurt bedauert: »Sintra<br />
ist schließlich kein kleines Dorf.«<br />
Dabei gehören gerade die Kulturinteressierten<br />
<strong>zur</strong> finanziell attraktiven Klientel.<br />
Denn Kulturreisende geben schlichtweg mehr<br />
Geld aus als kostenbewusste Low-Budget-Tra-<br />
veller. Glaubt man den Teilnehmern des Forums<br />
Kulturtourismus 2005 in Sintra, müssen<br />
viele Tourismusmanager unbequemen Fakten<br />
ins Auge blicken. Einerseits konzentrieren<br />
sich die meisten Reisenden auf Last-Minute-<br />
Angebote und wenden erhebliche Zeit auf,<br />
um ein günstiges und attraktives Angebot im<br />
Internet zu finden. Dem gegenüber steht, dass<br />
für die Kulturtouristen weltweit das Angebot<br />
an anspruchsvollen Destinationen mit erstklassigen<br />
Sehenswürdigkeiten wächst.<br />
Knackpunkt: Bekannt,<br />
doch nicht einmalig<br />
Das Thema Kultur steigt damit nicht nur in<br />
seiner Bedeutung für die Reisenden, sondern<br />
auch für die Reisebranche. So wurde die Landschaft<br />
um Sintra zwar als Unesco-Weltkulturgut<br />
ausgezeichnet. Doch gerade Destinationen,<br />
die sich einzigartiger Sehenswürdigkeiten<br />
rühmen, sehen<br />
sich zunehmend damit<br />
konfrontiert, dass<br />
sie in den Augen der<br />
Touristen eben nicht<br />
so einmalig sind, wie<br />
sie es gerne hätten.<br />
Mit diesem Umstand<br />
müssen sich auch<br />
andere Länder auseinandersetzen.<br />
Italien<br />
und Rom sind da ein<br />
gutes Negativbeispiel,<br />
meint Patrick Trancu,<br />
Geschäftsführer der<br />
italienischen Agentur<br />
TT&A, die Sintra in<br />
Italien bewirbt. Die<br />
Einstellung »Wir haben<br />
Rom und das Ko-<br />
FA C T S<br />
Sintra in Kürze<br />
■ Sehenswürdigkeiten: Das Städtchen<br />
war einst Sommerresidenz der portugiesischen<br />
Königsfamilie, wegen des angenehmen<br />
Klimas und der schönen Landschaft.<br />
Sie residierte im Nationalpalast (14. Jahrhundert)<br />
und im Palácio da Pena (19. Jahrhundert).<br />
■ Übernachtungen: Die Region Lissabon,<br />
zu der die Statistiker auch Sintra zählen,<br />
registrierte 2004 rund 8,1 Millionen<br />
Übernachtungen (+9,4%). Davon verdankte<br />
sie 5,6 Millionen Übernachtungen<br />
ausländischen Gäste (+10,8%). Die Deutschen<br />
trugen knapp 53.500 Übernachtungen<br />
<strong>zur</strong> Gesamtzahl bei.<br />
losseum, die Leute werden schon kommen«<br />
reiche heute nicht mehr aus, um Touristen<br />
anzulocken. »Die Besucher kommen nicht,<br />
weil du eine kleine Kirche auf einem Hügel<br />
hast, der Reisende will eine Erfahrung durchleben«,<br />
fasst Trancu die Bedürfnisse des heutigen<br />
Reisenden zusammen. Für Kulturtourismus<br />
heißt das plakativ formuliert: Nicht mehr<br />
die interessantere Sehenswürdigkeit gewinnt,<br />
sondern, wer damit verknüpft die interessanteren<br />
Erlebnisse bietet,<br />
erhält den Zuschlag.<br />
Der Wettbewerb<br />
um die lukrative Klientel<br />
wächst. Auch<br />
Sintras Tourismusverantwortliche<br />
haben<br />
erkannt, dass Schlösser<br />
und Törtchen alleine<br />
nicht ausreichen.<br />
Bereits seit 1957 veranstaltet<br />
die Stadt ein<br />
Musikfestival, seit kurzem<br />
finden auf dem<br />
Platz vor dem Nationalpalastmittelalterliche<br />
Ritterspiele statt.<br />
Und im neuen Teil<br />
der Stadt gibt es ein<br />
20 TRAVEL ONE 14.12.2005