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Schiffbau in Deutschland – Werften im Wandel - GL Group

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MODERNE SCHADENSANALYSE<br />

Vom Se<strong>in</strong> und Sollen<br />

„Wir beg<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> solchen Fällen grundsätzlich mit der<br />

Überprüfung der Materialeigenschaften“, schildert Feyer den<br />

Ablauf der Untersuchung. „Immerh<strong>in</strong> kann bis zu e<strong>in</strong>em<br />

Beweis des Gegenteils e<strong>in</strong>e Materialverwechslung nicht ausgeschlossen<br />

werden. Deshalb müssen wir als erstes die trivialste<br />

Frage verb<strong>in</strong>dlich beantworten: Handelt es sich bei dem<br />

Material tatsächlich um den spezifizierten Werkstoff?“<br />

Um das festzustellen, muss das Bauteilfragment e<strong>in</strong>e<br />

Vielzahl martialischer Gewalte<strong>in</strong>wirkungen über sich ergehen<br />

lassen. Es wird gezogen, gebogen und geätzt, was – <strong>im</strong> wahrsten<br />

S<strong>in</strong>ne des Wortes – das Zeug hält. Den Anfang macht die<br />

Zugfestigkeit. Dazu arbeiten die Labortechniker aus dem<br />

Schraubenschaft e<strong>in</strong>e Zugprobe heraus und ermitteln <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em genau def<strong>in</strong>ierten Zugversuch die Festigkeit des vorliegenden<br />

Materials. Diese vergleichen sie dann mit den Anforderungen,<br />

die die entsprechende Norm an den Werkstoff<br />

stellt. Ähnlich wird bei dem sogenannten Kerbschlagbiegeversuch<br />

verfahren, der die Zähigkeit des Materials ermittelt.<br />

Dazu wird e<strong>in</strong> Probekörper e<strong>in</strong>seitig gekerbt und dann mit<br />

e<strong>in</strong>em Pendelhammer durchschlagen. Je nachdem, wieviel<br />

Energie die Probe aufn<strong>im</strong>mt – also wie zäh sie ist – schw<strong>in</strong>gt<br />

der Pendelhammer unterschiedlich hoch zurück. Die<br />

Zähigkeit ist allerd<strong>in</strong>gs nicht nur vom Material abhängig, sondern<br />

auch von den Umgebungs-bed<strong>in</strong>gungen – vor allem von<br />

der Temperatur. Die Um-gebungsparameter müssen also<br />

genau kontrolliert werden, um verlässliche Daten zu erhalten.<br />

St<strong>im</strong>men die <strong>in</strong> den Versuchen ermittelten Kennwerte mit den<br />

Normwerten des Werkstoffes übere<strong>in</strong>, spricht vieles dafür,<br />

dass tatsächlich das spezifizierte Material e<strong>in</strong>gesetzt wurde.<br />

Letzte Gewissheit ergibt die chemische Analyse. Mittels e<strong>in</strong>es<br />

Spektrometers erzeugen die Techniker ausgehend von der<br />

Materialprobe e<strong>in</strong>en Lichtbogen – ähnlich wie be<strong>im</strong><br />

Schweißen. Das Spektrometer analysiert diesen Lichtbogen,<br />

der für jede Materialzusammensetzung anders ausfällt. Das<br />

Verfahren, das sich bei allen metallischen Werkstoffen z. B. auf<br />

Eisen-, Nickel-, Alum<strong>in</strong>ium- und Kupferbasis e<strong>in</strong>setzen lässt,<br />

liefert nun e<strong>in</strong>e exakte Analyse der verwendeten Legierungsbestandteile<br />

<strong>in</strong> der Materialprobe.<br />

Unwiderstehlicher Blick<br />

Im Falle der Zyl<strong>in</strong>derkopfschraube war das Ergebnis klar:<br />

Die Schraube war e<strong>in</strong>deutig aus dem spezifizierten Chrom-<br />

Molybdän-Stahl gefertigt – e<strong>in</strong>e Materialverwechslung lag<br />

nicht vor. Die Schadensursache kannte Feyer damit zwar<br />

<strong>im</strong>mer noch nicht, er konnte aber <strong>in</strong> diesem Fall bereits e<strong>in</strong>ige<br />

Ursachen ausschließen. Den Durchbruch brachte schließlich<br />

die mikroskopische Untersuchung. Neben dem<br />

Lichtmikroskop mit e<strong>in</strong>er etwa 1000fachen Vergrößerung<br />

nutzen die Prüftechniker <strong>im</strong> <strong>GL</strong>P dazu die 20.000fache<br />

Vergrößerung e<strong>in</strong>es Elektronenmikroskops. Der Blick dieses<br />

hochauflösenden Analysegerätes erwies sich als unwiderstehlich:<br />

Auszumachen waren <strong>im</strong> Gew<strong>in</strong>degrund – Ausgangspunkt<br />

der Rissbildung – w<strong>in</strong>zige Korrosionsspuren. „Die<br />

Frage: Warum startete der Riss? war damit beantwortet“, zeigt<br />

sich Feyer zufrieden. Die Korrosion störte die Gesamtbilanz<br />

der zulässigen Spannungen <strong>in</strong> der Schraube – es kam zu<br />

e<strong>in</strong>em Mikro-Riss, der sich zu e<strong>in</strong>em bauteilgefährdenden<br />

Riss auswuchs. Der Rest war Rout<strong>in</strong>e: „Im Serviceletter für die<br />

Hauptmasch<strong>in</strong>e war genau beschrieben, wie die Zyl<strong>in</strong>derkopfschrauben<br />

e<strong>in</strong>zusetzen s<strong>in</strong>d“, erklärt Feyer, „nämlich<br />

unter Verwendung e<strong>in</strong>es Dichtmittels, um Feuchtigkeit vom<br />

62 nonstop 3/2006<br />

Bruchoberfläche mit bei e<strong>in</strong>em Schw<strong>in</strong>gbruch typischen Rastl<strong>in</strong>ien.<br />

Gew<strong>in</strong>de fernzuhalten. Offenbar ist das bei der letzten<br />

Wartung nicht geschehen.“ Der Wartungsmangel war e<strong>in</strong>deutig<br />

nachgewiesen. Glück <strong>im</strong> Unglück für den Schiffseigner –<br />

dumm gelaufen für das Serviceunternehmen, das mit der<br />

Wartung beauftragt war. „Die konnten nach Vorlage des<br />

Prüfberichts gleich ihre Versicherung anrufen.“<br />

Vorausschauend Schäden verh<strong>in</strong>dern<br />

Nicht <strong>im</strong>mer ist der f<strong>in</strong>anzielle Vorteil, den der Kunde aus<br />

der hochwertigen Ausrüstung und der Expertise des <strong>GL</strong>P<br />

zieht, so klar ersichtlich und schnell umsetzbar wie <strong>im</strong><br />

beschrieben Fall. Insbesonders die Schadensprävention<br />

erfordert e<strong>in</strong>e Sichtweise, die lange Zeiträume <strong>in</strong>s Visier<br />

n<strong>im</strong>mt. „Die Bedeutung der beratenden Werkstoffuntersuchung<br />

– e<strong>in</strong>es weiteren Standbe<strong>in</strong>s – n<strong>im</strong>mt aber ständig<br />

zu“, erklärt Feyer. Immer mehr setzt sich die Erkenntnis<br />

durch, dass sich nicht alles am Computer konstruktionstechnisch<br />

opt<strong>im</strong>ieren lässt – es bleiben Restunsicherheiten.<br />

Manchmal fehlen auch schlicht Betriebsdaten, um e<strong>in</strong><br />

Verfahren oder e<strong>in</strong> Bauteil opt<strong>im</strong>ieren zu können. Beispiel<br />

Punktverschweißungen <strong>in</strong> der Blechverarbeitung: Um die<br />

selbstgesteckten Qualitätsziele erreichen zu können, lässt e<strong>in</strong><br />

Unternehmen die Nullserie e<strong>in</strong>es sicherheitsrelevanten<br />

Behälters <strong>im</strong> <strong>GL</strong>P untersuchen. Mit Erfolg, wie Feyer betont:<br />

„Wir konnten H<strong>in</strong>weise auf die Opt<strong>im</strong>ierung der angewandten<br />

Verfahren geben.“<br />

Zur Schadensprävention trägt zweifellos auch die enge<br />

Zusammenarbeit des <strong>GL</strong>P mit dem Zentralen Schadensmanagement<br />

des <strong>GL</strong> e<strong>in</strong>. Die Rückkoppelung hilft, Fehlentwicklungen<br />

frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden. Hier<br />

bewährt sich die breite Aufstellung der <strong>GL</strong>-Gruppe, die nicht<br />

nur zertifiziert, sondern auch prüft und reguliert. „Wenn wir<br />

aus Schadensfällen Systematiken erkennen können, fließen<br />

die <strong>in</strong> unsere Regeln e<strong>in</strong>“, betont Feyer. Nicht alle Fälle, die<br />

auf Feyers Schreibtisch oder den se<strong>in</strong>er Kollegen <strong>in</strong> Mülhe<strong>im</strong>,<br />

Herne und Stuttgart landen, erfordern so e<strong>in</strong>e detektivische<br />

Spürnase wie der Fall der Zyl<strong>in</strong>derkopfschraube. Es gibt auch<br />

die „Brot- und Butter-Jobs“ – Rout<strong>in</strong>eüberprüfungen, die <strong>im</strong><br />

Rahmen von Werkstoffzertifizierungen, Produktumstellungen,<br />

Lieferanten- oder Materialwechsel anstehen. Aber auch<br />

sie ersparen dem Kunden unter Umständen viel Geld – etwa<br />

wenn e<strong>in</strong> Unternehmen den Lieferanten von Gussteilen<br />

wechselt. Die Maßhaltigkeit der angelieferten Teile kann jede<br />

gut ausgestattete Warene<strong>in</strong>gangskontrolle prüfen – die<br />

Materialbeschaffenheit nur e<strong>in</strong> Labor. „Die rechtzeitige<br />

E<strong>in</strong>schaltung des <strong>GL</strong>P könnte so manche Rückrufaktion vermeiden<br />

helfen“, ist sich Feyer sicher. ■ JI<br />

Weitere Informationen: Dr. Manfred Feyer, Leiter Germanischer Lloyd Prüflabor,<br />

Tel.: +49 208 58982-13, manfred.feyer@gl-group.com

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