Nr. 8 (III-2014) - Osnabrücker Wissen
Nr. 8 (III-2014) - Osnabrücker Wissen Wir beantworten Fragen rund um die Osnabrücker Region. Alle drei Monate als Printausgabe. Kostenlos! Und online unter www.osnabruecker-wissen.de
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Wie erklärt man Autismus?<br />
FAMILIE<br />
Keine ganz einfache Aufgabe, wie unsere Recherchen zu diesem Thema zeigen. Noch<br />
komplizierter wird es, wenn man die Störung Kindern erklären möchte. Genau das macht<br />
die Autorin, und betroffene Mutter eines autistischen Kindes, Dagmar Eiken-Lüchau<br />
nun in ihrem Kinderbuch „Mia - meine ganz besondere Freundin“. Zum Start unseres<br />
Gesprächs weist sie darauf hin: „Viele kennen Autismus aus dem Film „Rain Man“. Ein toller<br />
Film - aber bitte vergesst ihn zunächst!“<br />
Hintergrund © Elena Schweitzer; Fotolia.com<br />
Die Wallenhorsterin Dagmar Eiken-<br />
Lüchau ist Mutter von vier Kindern. Die<br />
jüngste Tochter Mia ist 2,5 Jahre alt und<br />
Autistin. Im Alltag stößt die Familie<br />
auf schwierige Situationen. „Autismus<br />
ist eine schwerwiegende angeborene<br />
Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungsstörung“<br />
erklärt Dagmar<br />
Eiken-Lüchau. „Die Funktionsweise des<br />
Gehirns ist dabei eingeschränkt oder<br />
stark beeinträchtigt. Es gibt sehr große<br />
Unterschiede bei der Symptomatik<br />
und Ausprägung. Autismus ist nicht<br />
heilbar“, führt sie fort.<br />
Wie äußert sich Autismus?<br />
Sehr unterschiedlich! Im Fall der kleinen<br />
Mia bemerkten die Eltern ab dem 2. Lebensjahr,<br />
das irgendwas anders war als<br />
bei den Geschwistern. Sie reagierte in der<br />
Regel nicht auf Fragen und schien in ihrer<br />
eigenen Welt zu leben. Tests ergaben,<br />
dass Mia´s Gehörorgan aber völlig funktionsfähig<br />
war - die Diagnose lautete<br />
„Autismus-Spektrum-Störung“. Als Mia<br />
dann in den Kindergarten kommen<br />
sollte, machten sich die Eltern darum<br />
Gedanken, wie sie den Erziehern, den<br />
anderen Eltern aber vor allem auch<br />
Kindern die Krankheit erklären sollten<br />
- zum Beispiel bemerkte die ein Jahr ältere<br />
Tochter von Freunden der Familie<br />
allmählich, dass man mit Mia nicht so<br />
richtig spielen konnte. Das führte zu<br />
Verunsicherungen und Frust, denn auch<br />
andere Kinder fingen in der Zeit an zu<br />
spielen - Mia beteiligte sich aber nicht.<br />
Wie wird man zur Autorin?<br />
Dagmar Eiken-Lüchau suchte ein Buch,<br />
das auf spielerische Weise die Eigenarten<br />
und Besonderheiten von Mia und ihrem<br />
Autismus erklären könnte. Ohne wirklichen<br />
Erfolg. Daraufhin kam ihr die Idee,<br />
einfach selbst ein Buch über das Thema<br />
zu realisieren. Herausgekommen ist ein<br />
spielerisch aufbereitetes Vorlesebuch für<br />
Kinder im Vorschulalter zum Thema<br />
Autismus. „Ich nutzte die schlaflosen<br />
Nächte, die ich in der Zeit hatte und fing<br />
einfach an zu schreiben. In dem Stil, wie<br />
ich das Thema kleineren Kindern oder<br />
auch unseren besten Freunden schon<br />
öfters erklärt hatte.“<br />
Um der fertigen Geschichte am Ende<br />
Leben einzuhauchen, machte sie sich<br />
auf die Suche nach einer Künstlerin. Bei<br />
der Tschechin Lucie Vyhnálková, die in<br />
Osnabrück studiert, stimmte von Anfang<br />
an die Chemie. „Mit viel Kreativität<br />
und Sensibilität illustrierte Lucie die<br />
Geschichte - und besuchte Mia oft im<br />
Alltag, um ihr Verhalten zu beobachten<br />
und zu verstehen“, schwärmt die Buchautorin<br />
von der Zusammenarbeit.<br />
Macht das Buch toleranter?<br />
Dagmar Eiken-Lüchau möchte mit dem<br />
Buch aufklären - nicht nur aus dem<br />
Blickwinkel ihrer eigenen Familie, sondern<br />
für alle Betroffenen. So könne man<br />
Autisten ihre Behinderung oft gar nicht<br />
ansehen und bekäme in vielen Situationen<br />
Unverständnis entgegengebracht.<br />
„Die Blicke und Reaktionen der Menschen<br />
sind oft vorwurfsvoll, als könnten<br />
wir unsere Tochter nicht erziehen, wenn<br />
sie in bestimmten Situationen einfach<br />
nicht reagiert. So wird der Supermarkt,<br />
das Restaurant oder der Strand durchaus<br />
zu einer echten Herausforderung!<br />
Es ist aber nicht Mia, die uns das Leben<br />
schwer macht, sondern eher die Gesellschaft!“,<br />
meint die Autorin. | StB<br />
WISSEN KOMPAKT:<br />
Was ist Autismus?<br />
<strong>Osnabrücker</strong> <strong>Wissen</strong> fragte bei Bärbel Thierau<br />
nach, der Leiterin des Autismus Therapie<br />
Zentrums Bersenbrück. Die Diplom-Sozialpädagogin<br />
erklärte uns:<br />
„Die Autismus-Spektrum-Störung (z.B. Frühkindlicher<br />
Autismus oder Asperger-Syndrom)<br />
ist eine tiefgreifende Entwicklungsstörung.<br />
Betroffene Menschen haben häufig Probleme<br />
in der sozialen Kontaktgestaltung, sind in<br />
ihren Möglichkeiten zu kommunizieren eingeschränkt<br />
und oftmals unflexibel im Denken<br />
und Handeln. Meistens ist es schwierig<br />
für sie, Informationen aus ihrer Umgebung<br />
zu deuten und ihr Verhalten darauf abzustimmen.<br />
Deshalb kann es zu Verhaltensweisen<br />
kommen, die für andere „sonderbar“ erscheinen.<br />
Die Informationsverarbeitungsstörung<br />
führt jedoch auch zu besonderen „autistischen<br />
Fähigkeiten“.<br />
Autismus ist unabhängig von gesellschaftlichen<br />
oder kulturellen Hintergründen und<br />
umfasst ein breites Intelligenzspektrum. Bis<br />
zu 25 von 10.000 Menschen werden weltweit<br />
von Fachärzten diagnostiziert.<br />
In der UN-Behindertenrechtskommission<br />
wird Teilhabe, Mitwirkung und Befähigung<br />
aller Menschen angestrebt.<br />
Vor diesem Hintergrund besuchen inzwischen<br />
z.B. auch mehr Schüler mit Autismus<br />
Regelschulen, werden als Erwachsene auf<br />
den allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelt und<br />
erfahren mehr Verständnis und Teilhabe am<br />
gesellschaftlichen Leben.“<br />
Kontakt:<br />
Bärbel Thierau<br />
Diplom-Sozialpädagogin/KJP<br />
Leiterin des Autismus Therapie Zentrums<br />
Bersenbrück & Diepholz, HpH Bersenbrück gGmbH<br />
Fon: 0 543 9 / 94 69 -0 ∙ Mail: info@hph-bsb.de<br />
Infos im Internet: www.hph-bsb.de<br />
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