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18 oberlinden KUlTUr JoKer<br />

Freiburgs älteste Nachbarschaftsvereinigung<br />

Die „Oberlinden-Gesellschaft von 1595/ Zierkommission Oberlinden seit 1829<br />

Zum 185. Mal traf sich diesem<br />

Januar die Oberlinden-Gesellschaft<br />

von 1595/ Zierkommission<br />

Oberlinden seit 1829<br />

zu ihrer traditionellen Jahresversammlung<br />

bei Schäufele<br />

und Kartoffelsalat im Roten<br />

Bären am Oberlindenplatz.<br />

Die Wurzeln der Vereinigung,<br />

die gemeinhin als Vorläuferin<br />

der Freiburger Bürgervereine<br />

gilt, reichen zurück bis in die<br />

frühe Neuzeit. Oberlinden war<br />

mit dem Schwabentor an dem<br />

vielbefahrenen Handelsweg<br />

ein bedeutsamer Eingang in<br />

die Stadt, vor allem Waren aus<br />

dem Hochschwarzwald und<br />

Schwaben erreichten Freiburg<br />

auf diesem Wege. Die Waren<br />

mussten nach ihrer Einfuhr im<br />

naheliegenden Kaufhaus am<br />

Münsterplatz versteuert und<br />

verzollt werden. Die Kontrolle<br />

dieses Vorgehens übertrug die<br />

Obrigkeit den Anwohnern und<br />

Gewerbetreibenden in Oberlinden.<br />

„Die Oberlinden-Gesellschaft<br />

entstand sowohl durch<br />

äußeren Druck als auch aus<br />

der guten Gemeinschaft, die<br />

in Oberlinden damals schon<br />

gepflegt wurde“, so Christian<br />

Himmelsbach, langjähriges<br />

Mitglied im Vorstand der Gesellschaft.<br />

Abgesehen von den Aufgaben,<br />

die die Obrigkeit auf die<br />

Bewohner von Oberlinden<br />

übertrug, bildeten diese durch<br />

die Oberlinden-Gesellschaft<br />

auch eine wirtschaftliche und<br />

soziale Einheit. Alljährlich<br />

mussten sie an dem Sonntag,<br />

der der Petri-Kettenfeier am<br />

1. August am nächsten lag, im<br />

Kaufhaus den sogenannten<br />

Oberlinden-Eid ablegen. Dieser<br />

verpflichtete Handwerker<br />

und Wirte, sich nicht gegenseitig<br />

die Kunden wegzunehmen,<br />

auf die Einhaltung der Sonnund<br />

Festtagsruhe zu achten,<br />

Schuldner eines Kollegen nicht<br />

zu bedienen und keine unverzollten<br />

Waren von reisenden<br />

Händlern anzunehmen oder<br />

zu verkaufen. Verstöße gegen<br />

Der zu Fronleichnam festlich geschmückte Oberlindenplatz im frühen 20. Jahrhundert<br />

den Eid wurden in der Regel<br />

mit Bußgeldern geahndet, die<br />

bis zur Hälfte wieder an die<br />

Oberlinden-Gesellschaft zurückflossen.<br />

Mit der langen Zeit der Belagerungen<br />

und Besatzungen<br />

durch die Franzosen, Schweden<br />

und Österreicher seit dem<br />

ausgehenden 17. Jahrhundert,<br />

schlief die Vereinigung ein.<br />

In einer belagerten Stadt gab<br />

es schließlich wenig zu verzollen<br />

und die wechselnden<br />

Das Foto wurde freundlicherweise von Christian Himmelsbach zur Verfügung gestellt<br />

Stadtherren kontrollierten die<br />

ordnungsgemäße Besteuerung<br />

vermutlich lieber selbst.<br />

Die Gesellschaft fand jedoch<br />

exakt 100 Jahre nach der Pflanzung<br />

der jetzigen Linde auf<br />

dem Oberlindenplatz wieder<br />

zusammen. Seither führt sie<br />

den Zusatz „Zierkommission<br />

seit 1829“. Zuständig war die<br />

Vereinigung fortan für das Herrichten<br />

des Quartiers zu Feiertagen<br />

oder Adelsbesuchen. An<br />

Fronleichnam, dem einst höchsten<br />

Feiertag im katholischen<br />

Freiburg, schmückten sie den<br />

Oberlindenplatz mit Pflanzen,<br />

Spruchbändern, festlichen<br />

Altären und lebensgroßen Figuren,<br />

die Szenen des letzten<br />

Mahles vor Jesus’ Kreuzigung<br />

nachstellten. Diese Funktion<br />

verlor die Oberlinden-Gesellschaft/<br />

Zierkommission<br />

schließlich Mitte der 1960er<br />

Jahre, nachdem es mit dem 2.<br />

Vatikanischen Konzil zu einer<br />

Abkehr von der Fronleichnamsprozession<br />

und damit einhergehend<br />

auch von dem Brauch<br />

der Festaltäre kam.<br />

Heute würde man die Oberlinden-Gesellschaft/<br />

Zierkommission<br />

als ein offenes Netzwerk<br />

bezeichnen, als Verein<br />

ist sie nicht eingetragen. Per<br />

Handzettel werden Anwohner,<br />

Geschäftsleute sowie Freunde<br />

und Förderer der Oberen Altstadt<br />

zu den Jahresversammlungen<br />

eingeladen. Geschmückt<br />

wird Oberlinden durch die<br />

Zierkommission beispielsweise<br />

noch zur Weihnachtszeit. Auch<br />

der jährliche Oberlindenhock<br />

im Sommer, der erstmals 1970<br />

anlässlich der 850 Jahrfeier<br />

Freiburgs stattfand, wurde aus<br />

den Reihen der Oberlinden-<br />

Gesellschaft initiiert.<br />

Die namensgebende Linde<br />

steht derzeit wieder im Fokus<br />

der Zierkommission: Das<br />

Freiburger Garten- und Tiefbauamt<br />

hat die Linde im vergangenen<br />

Januar für todkrank erklärt<br />

und beraumt ihre Fällung<br />

innerhalb der nächsten zwei<br />

Jahre an – etwas vorschnell<br />

für einen stadthistorisch derart<br />

wichtigen, knapp 290 Jahre<br />

alten Baum, finden Christian<br />

Himmelsbach und Bärenwirtin<br />

Monika Hansen.<br />

Doch wie konnte eine<br />

Nachbarschaftsvereinigung<br />

von der Neuzeit bis heute überdauern?<br />

Möglich macht dies hauptsächlich<br />

die nach wie vor eher<br />

kleinteilige Struktur des Oberlindenquartiers.<br />

Während im<br />

Bereich der Kaiser-Joseph-<br />

Straße Filialen das Straßenbild<br />

dominieren, findet man um das<br />

Schwabentor noch zahlreiche<br />

inhabergeführte Geschäfte in<br />

historischen Gebäuden, deren<br />

Geschichte vielen Anwohnern<br />

bekannt ist. Die Identifikation<br />

mit dem Stadtteil dürfte daher<br />

ungleich stärker ausfallen.<br />

Valentin Heneka<br />

Freiburg i.Br • Tel. +49(0)761.325 57<br />

www.goldschmiede-im-schwabentor.de<br />

GOLDSCHMIEDE<br />

IM SCHWABENTOR

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