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Thermenland Magazin Ausgabe 58

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AKTUELLES<br />

Dr. Hans Göttler legt tiefbraune Dokumentation zu Max Matheis vor<br />

Ein Buch gegen das Ausblenden, Verschweigen, Vergessen!<br />

Die Max-Matheis-Straße ist in Passau keine<br />

abgelegene Siedlungsstraße, mit deren Namen<br />

sich ein paar Anlieger herumquälen müssen,<br />

sondern im Neustift eine wichtige Verkehrsverbindung.<br />

Hier befindet sich das Einkaufszentrum<br />

des Stadtteils mit Discounter, Metzgerei und<br />

Bäckerei. Außer in Passau gibt es Straßen, die<br />

nach dem in Triftern geborenen, bislang hoch<br />

geehrten Heimatdichter benannt sind, sonst nur<br />

in Landau, in Aidenbach und Ruderting. Doch<br />

nur in Ruderting und Passau sorgte die Benennung<br />

der Straße bislang für ein öffentliches<br />

Rumoren. Und das liegt an der akribischen<br />

Arbeit des Kirchhamer Heimatliteraturforschers<br />

Dr. Hans Göttler, der<br />

in der Vergangenheit<br />

schon eine ganze<br />

Reihe von teils fast<br />

vergessenen Literaten<br />

Ostbayerns wiederentdeckt,<br />

ihr Werk<br />

dokumentiert und ihr<br />

Wirken in den die<br />

Geschichte der Region<br />

eingeordnet hat, darunter Emerenz Meier,<br />

Wilhelm Diess, Max Peinkofer, Robert Erbertseder,<br />

aber auch die „Bayrische Passion“ des<br />

Ponzauner Wigg, die lange verkannte Katharina<br />

Koch und Wugg Retzer mit seinem „Stier von<br />

Pocking“.<br />

Zornesrot<br />

Göttler ist eine literarische Trüffelsau. Er geht<br />

einfach los, hängt seine Literatennase in den<br />

Wind und fängt an zu suchen, zu wühlen, umzugraben.<br />

Und er findet immer wieder ungeahnte<br />

Kostbarkeiten, unscheinbar vergraben in staubigen<br />

Archiven und abgelegen Stauräumen, wo<br />

sich sonst keiner die Spürnase schmutzig<br />

machen will. Meist würdigt er seine Entdeckungen<br />

kritisch-wohlwollend und präsentiert die<br />

feinwürzigen Funde in geschmackvoller Atmosphäre<br />

begleitet von Harfenmusik.<br />

Diesmal ist das ganz anders und man möchte<br />

schon meinen, er hätte mit Max Matheis noch<br />

eine ganz persönliche Rechnung offen. Bei der<br />

Lektüre des Vorworts zu seiner Dokumentation<br />

des dichterischen Nachlasses, den Göttler<br />

bereits in den 90er Jahren in Augsburg aufgespürt<br />

hat, meint man den humorvollen, leutseligen<br />

Göttler zornesrot auf die Tasten eindreschen<br />

zu hören und man fragt sich unwillkürlich<br />

„Um wen geht es da eigentlich?“<br />

Hitlertreu<br />

Nun, Max Matheis, 1894 in Triftern geboren, war<br />

seit April 1935 Lehrer in Passau, wo er 1984<br />

auch gestorben ist. Er wurde am 1. Mai 1933<br />

Mitglied der NSDAP, später der SA, war Kreiskulturwart<br />

von Wegscheid und Mitarbeiter im<br />

Sicherheitsdienst (SD) der SS. Neben Heimatund<br />

Mundartliteratur schrieb Matheis Texte für<br />

die NS-Partei mit Huldigungen auf Hitler, durchsetzt<br />

mit antisemitischen Passagen, Kriegsgedichte<br />

gegen das polnische Volk, die stark im<br />

Einklang mit der NS-„Germanisierungspolitik“<br />

jener Zeit standen und fügte sich noch im Sommer<br />

1944 mit seinem Stück „Der Kohlenklau<br />

wird heut erschlagen“ literarisch in den „Endkampf“<br />

ein.<br />

Hochdekoriert<br />

Nach Kriegsende und einem Jahr Internierung<br />

gelang es ihm 1947, die ursprüngliche Einstufung<br />

durch die Spruchkammer in die „Gruppe II<br />

der Belasteten (Aktivisten)“ in die „Gruppe IV<br />

der Mitläufer“ zu erreichen, vor allem auch<br />

dadurch, dass er alle seine NS-Texte verheimlichte<br />

und das politisch-kulturelle Passau dazu<br />

schwieg. So konnte Matheis wieder als Lehrer<br />

und Schriftsteller tätig sein, er wurde hochdekoriert<br />

mit Orden und Ehrenzeichen, die Stadt Passau<br />

widmete ihm noch zu Lebzeiten die Straße<br />

in Neustift und nach seinem Tod wurde sein<br />

Name auf dem städtischen Ehrenmal im Innstadtfriedhof<br />

für die „Wohltäter“ der Stadt aufgenommen.<br />

Aber ist es diese für das Nachkriegsdeutschland<br />

und gerade das Passau der 70er Jahre doch<br />

recht typische Verhalten wert, über 30 Jahre<br />

nach Matheis Tod mit solcher Vehemenz literarisch<br />

auf den Tisch zu hauen? Woher kommt<br />

diese Wut?<br />

Uneinsichtig<br />

„Am 3. August 1984 ist Max Matheis in Passau<br />

gestorben, 90 Jahre alt, vielfach ausgezeichneter<br />

Heimatdichter, hochgeehrt, nicht nur als<br />

Ehrenbürger von Passau. Im Jahr zuvor wurde<br />

ihm noch der „Bayerische Verdienstorden“ verliehen,<br />

ein paar Tage vor seinem Tod brachte<br />

der Bayerische Rundfunk im Hörfunkprogramm<br />

eine 90minütige Sendung über den Dichter mit<br />

dem Titel „Spiegel einer Heimat“, verfasst von<br />

Dr. Walter Münz (1943-2012), einem führenden<br />

BR-Mann und Burschenschaftler sowie früherem<br />

Volksschüler beim Lehrer Max Matheis im<br />

Passau der 1950er Jahre. (...)<br />

Als ich mit meiner Arbeit zu Max Matheis vor ca.<br />

30 Jahren begann, tat ich das in der Erwartung,<br />

einen bieder-harmlosen weißblauen Heimatdichter<br />

entdecken zu können, über dessen Texte<br />

man lachen kann, die man aber ansonsten<br />

Konnte immer ruhigen Gewissens in den Spiegel<br />

schauen: Der von den Nazis gefeierte Blut- und<br />

Bodendichter Max Matheis als Hauptmann während<br />

der Polenfeldzugs 1939. (Das Bild wurde von<br />

PNP-Redakteur Stefan Rammer für die Dokumentation<br />

zur Verfügung gestellt)<br />

nicht allzu ernst nehmen müsse. Je mehr ich<br />

mich dann mit dem „ganzen“ Matheis beschäftigte,<br />

desto weniger war mir danach zu lachen<br />

zumute. (...)<br />

Seine braunen Texte ließen mich erschauern,<br />

ich schämte mich für sie und ihren Verfasser.<br />

Vor allem aber schämte und schäme ich mich<br />

auch heute noch dafür, dass Matheis in all den<br />

Dr. Hans Göttler, „Max Matheis und die tiefbraunen<br />

Flecken auf seiner weißblauen Heimatweste“, kommentierte<br />

Dokumentation, gebunden, 114 Seiten,<br />

14,90 EUR, ISBN 978-3-86512-139-4<br />

Beim Morsak-Verlag unter www.morsak.de bei<br />

Bestellung bis 11. März zum Subskriptionspreis von<br />

11,90 EUR erhältlich.<br />

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