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De:Bug 172

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<strong>172</strong><br />

Heutige Kameras registrieren, ob die zu fotografierende<br />

Person lacht oder nicht oder sortiert Gruppenaufnahmen<br />

per Gesichtserkennung automatisch ins Familien- oder<br />

Freundealbum. Zwar muss der Fotograf immer noch auf<br />

den Auslöser drücken, die Kamera handelt somit nicht autonom,<br />

aber warum sollte das nicht der nächste Standard<br />

sein: Wenn die Kamera uns immer genauer vorschreibt,<br />

wann der beste Zeitpunkt für ein Foto ist, dann kann sie<br />

auch gleich das Auslösen übernehmen. Die Schnittstellen<br />

der Kamera, allen voran die Einstellräder für Blende und<br />

Verschlusszeit, befinden sich ja bereits seit Jahrzehnten<br />

auf dem Rückzug. Keine Einsteigerkamera lässt sich noch<br />

manuell bedienen, in dem Sinne, dass der Fotograf jede<br />

Entscheidung zu den Einstellungen selber treffen<br />

kann. Eine Schnittstelle, ein Interface, ist immer eine<br />

Vereinfachung, um eine komplexe Maschine steuern zu<br />

können. Wenn die Komplexitätsreduktion nicht gefragt ist,<br />

entfällt das Interface.<br />

»Start, Stop, Schneller,<br />

Stirb. Die Schnittstelle,<br />

das war der Ort, an dem<br />

der Mensch die Maschine<br />

berührte und ihr seinen<br />

Willen aufzwang: Tu, was<br />

du kannst; tu es für mich!«<br />

<strong>De</strong>r Mensch wird autogefahren<br />

Das andere große Alltagsfeld, in dem unsichtbare<br />

Schnittstellen dem Menschen die Bedienung abnehmen,<br />

ist der Verkehr. Von der Makro- zur Mikroebene<br />

wird die Verkehrssteuerung automatisiert: Autobahnen<br />

wissen über ihre Nutzung und passen Umwege<br />

und Geschwindigkeitsbegrenzungen automatisch<br />

an, Ampelschaltungen werden mit Busfahrplänen,<br />

Rettungseinsätzen und Menschenmassen synchronisiert<br />

- und selbst im Auto werden Steuerfunktionen automatisiert.<br />

Warum sollte Mensch in der Risikomaschine Auto<br />

auch tun, was eine Maschine viel besser - und damit sicherer,<br />

effizienter - könnte? Während Autofahren jahrelang ein<br />

enormes Multitasking erforderte, handelt das Automobil<br />

dank allerhand Sensortechnik heute zunehmend autonom.<br />

Beim Bremsen hilft ABS, Regenwischer und Scheinwerfer<br />

schalten sich selbstständig ein, und hey - manche Kids, die<br />

heute ihren Führerschein machen, werden niemals lernen<br />

wie man schaltet. Zu sagen, dass das Lenkrad irgendwann<br />

verschwindet ist nicht absurd oder verrückt, sondern logisch.<br />

Die größte Hürde ist nicht die Technik, sondern das<br />

Versicherungswesen.<br />

Wireless Kabelsalat<br />

Während Schnittstellen an Kameras und Autos wegfallen,<br />

weil der Mensch nicht mehr zur Bedienung benötigt<br />

wird, werden sie dort, wo Maschine mit Maschine<br />

in Kontakt tritt, einfach nur unsichtbar. Das ist vor allem<br />

zwei Entwicklungen geschuldet: der drahtlosen<br />

Datenübertragung und der grundsätzlichen Vernetzbarkeit<br />

über kompatible Übertragungsprotokolle. "Das Internet der<br />

Dinge" ist im Grunde die Hoffnung, dass emergent etwas<br />

Großes entsteht, wenn man die Dinge miteinander plaudern<br />

lässt, wenn man also universelle Maschine-Maschine-<br />

Schnittstellen einrichtet. Dieser Universalschnittstellen-<br />

Gedanke ist derzeit ein Erfolgsmodell. Zeigte bei<br />

Heimelektronik ein harmloser Stecker, der Universal-Serial-<br />

Bus (in Wirklichkeit natürlich: der Super-Adapter), welchen<br />

Erfolg eine einheitliche Schnittstelle haben kann, werden<br />

wohl zunehmend über Bluetooth, Infrarot und W-Lan immer<br />

mehr Schnittstellen an technischen Geräten unsichtbar<br />

werden, und mit ihnen auch hoffentlich der Kabelsalat.<br />

Die Infrastruktur der Datenübertragung wird unsichtbar,<br />

und auch an dieser Stelle findet eine Entmündigung von<br />

uns Nutzern statt. <strong>De</strong>nn eine Datenübertragung, die keine<br />

haptische Infrastruktur benötigt, entzieht sich unserer<br />

Kontrolle. Wir wussten nie genau, welche Daten an<br />

irgendwen gesendet werden, aber jetzt wissen wir auch<br />

nicht mehr, wann und von wem überhaupt Daten gesendet<br />

werden. Die Zeiten, in der eine Verbindung durch<br />

das Anschließen eines Kabels oder das Umlegen eines<br />

Schalters erst aufgebaut werden muss, sind vorbei.<br />

Datenversand wird ein Standard-Feature und damit der<br />

Wunsch nach einer Schnittstelle (also: einem Ausschalter)<br />

immer unerfüllter: Die Verbindung steht permanent. Die<br />

einzige bisher unverzichtbare Schnittstelle für elektrische<br />

Geräte war der Stromanschluss, der ultimative Ausschalter.<br />

Qi nennt sich der vom Wireless Power Consortium angestrebte<br />

internationale Standard, der kabelloses Laden<br />

von Mobiltelefonen ermöglicht und sich gerade zur<br />

Grundausstattung neuer Smartphones mausert. Das MIT,<br />

die Intel Corporation, sie alle arbeiten daran, die kabellose<br />

Stromübertragung weiterzuentwickeln, und in wenigen<br />

Jahren schon wird sich die sichtbare Schnittstelle zwischen<br />

Gerät und Stromversorgung verabschieden.<br />

It’s all Google<br />

Letztendlich fallen Schnittstellen also weg, oder werden unsichtbar,<br />

da der Mensch zur Bedienung nicht mehr benötigt<br />

wird. Summiert man diese Idee der sehenden und autonom<br />

agierenden Maschine mit der Drahtlostechnologie,<br />

landet man zwangsläufig bei den beiden Vorreiter-<br />

Entwicklungen von Google, beziehungsweise deren zukünftiger<br />

Verschmelzung: Google Glass und Google Now.<br />

Die Brille, die sieht, was wir sehen, in dem Moment, in dem<br />

wir es sehen, wird, in Verbindung mit der App, die uns situationsbedingte<br />

Informationen liefert, das Gadget der Zukunft<br />

sein, das Schnittstellen endgültig in den Hintergrund treten<br />

lassen wird. Wozu einen QR-Code scannen, wenn<br />

die Brille uns das Kinoprogramm liefert, sobald wir ein<br />

Filmplakat anschauen? Augmented Reality. Sie wird kommen.<br />

Versprochen. Nur wird ihr Kennzeichen nicht eine<br />

Fülle von neuen Interaktionsmöglichkeiten sein, sondern<br />

das Verschwinden eben derer.<br />

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