De:Bug 172
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<strong>172</strong> — MUSIK<br />
FREUND<br />
DER<br />
FAMILIE<br />
WENN<br />
ES KLICK<br />
MACHT<br />
TEXT THADDEUS HERRMANN<br />
Es gab kaum wichtigere Platten aus deutschen<br />
Landen in den letzten Jahren. Elegant platziert unter<br />
dem Radar, haben sich die Freunde der Familie<br />
ein Imperium aufgebaut, das mit gestempeltem Vinyl,<br />
Roboter-Karikaturen und tiefen Dubs die Welt<br />
ein bisschen besser gemacht hat.<br />
Mit ihren weißen Handschuhen sehen sie aus wie Zauberer.<br />
<strong>De</strong>n Zylinder und das Kaninchen haben Mirko Hunger<br />
und Klaus Rakete jedoch gegen Stempelfarbe und White<br />
Labels getauscht. Im Ladenlokal ihres Vertriebs in Berlin-<br />
Rummelsburg ist eine neue Lieferung angekommen, der<br />
aktuelle Release auf Freund der Familie, dem Baby der<br />
beiden Sachsen. Label einerseits, gemeinsames Projekt<br />
andererseits. Haltung sowieso. In Windeseile zirkulieren<br />
die schneeweißen 1"s auf dem großzügigen Tisch. <strong>De</strong>r<br />
eine stempelt Logo, der andere die fortlaufenden Nummern<br />
der limitierten Auflage. Konzentriert und doch lässig<br />
und routiniert wird den Platten ihre Identität aufgeprägt,<br />
ein kurzes Trockenhauchen, eine elegante Drehung, von<br />
Mirko zu Klaus und wieder zurück. Es gibt Kaffee mit<br />
und ohne Schuss, Teilchen werden angeboten, im Hintergrund<br />
werden die 12"s der Woche gegengehört. Jedes<br />
Exemplar der "Porentief Remixes" geht durch die Hände<br />
der Künstler, der Macher: Vinyl-Alltag in <strong>De</strong>utschland.<br />
Jede Platte anders, jede einzigartig. Da kann man die<br />
Stempelfarbe noch so akkurat aufbringen: Techno wird<br />
immer mehr zum Unikat.<br />
Handarbeit<br />
Freund der Familie kommen aus einer Gegend, in der<br />
die Clubs "Riot" oder "Dirty" heißen. Aus einer Gegend,<br />
in der man sich um die Jahrtausendwende herum seine<br />
eigenen Partys organisieren musste, um überhaupt die<br />
Chance zu haben, selber zu spielen. Eine Gegend, in der<br />
man auf seinen Lieblings-DJ spart, weil vollkommen klar<br />
ist, dass die Gage nie eingespielt werden kann. Wo selbst<br />
die kleinsten Schritte auf dem Weg in eine bessere Nacht<br />
nicht auf eine bestehende Infrastruktur abgewälzt werden<br />
können. Handarbeit, wie heute noch beim Stempeln der<br />
Schallplatten. Bestimmte Rituale gehen einfach nicht<br />
verloren.<br />
Wem diese Geschichte bekannt vorkommt, liegt goldrichtig:<br />
Die Entstehung von Freund der Familie und Modeselektor<br />
gleichen sich über weite Strecken. <strong>De</strong>r eine DJ,<br />
der andere Produzent, der eine jünger, der andere älter,<br />
irgendwann kreuzen sich die Wege. Im umgenutzten Kulturhaus<br />
oder in einem Keller einer alten Fabrik. Die Bassdrum<br />
hält ihre schützende Hand über alle Beteiligten und<br />
es macht klick. Und eben jener Klicktrack beim Freund der<br />
Familie heißt "Alfa", das <strong>De</strong>bütalbum ist gerade erschienen.<br />
Ansage. Genau wie der erste Release der beiden von<br />
28, "König der Welt". Große Gefühle für Sounds, die<br />
ganz nah am Herzen pulsen, tiefe Dubs, die jedoch kategorisch<br />
anders funktionieren. Nichts bedienen, sondern<br />
immer die Basis von etwas Neuem sein, eine Plattform<br />
bilden, frei schwebend im Raum, auf der die nächsten<br />
Puzzle-Stücke zusammengesetzt werden. <strong>De</strong>r "König der<br />
Welt" läuft auf dem Nachtdigital. <strong>De</strong>r schwerfällig rieselnde<br />
Glitzerstaub taucht Olganitz in tiefes Blau. <strong>De</strong>r Remix<br />
von Sven Weisemann (eine rein zufällige Bekanntschaft<br />
und der Beginn einer wundervollen Freundschaft) tut sein<br />
Übriges. Gestempelt wird jetzt im Akkord.<br />
"Es sind meist nur ganz kurze Momente im Studio, die<br />
den Ausschlag für einen neuen Track geben", sagt Mirko,<br />
"wenn sich unsere Vorstellungen überlagern. Dann schnell<br />
speichern und alles auf Null. Genau da müssen wir dann<br />
weiterarbeiten, alles andere vergessen." Kein Wunder,<br />
dass es mit dem Album ein wenig gedauert hat. Lediglich<br />
zwölf Releases zählt der Label-Katalog bislang, die beiden<br />
Unterabteilungen "RAW" und "SOUL" inklusive. "Wir<br />
haben irgendwann gemerkt, dass es auch noch andere<br />
Künstler gibt, die so ticken wie wir. Wo alles passt. Die<br />
aus einer ganz anderen Richtung kommen, vielleicht, aber<br />
ähnliche Ideen verfolgen", erzählt Klaus, der sich neben<br />
der Musik auch um die gesamte Administration kümmert.<br />
"Für die haben wir die Sublabels gegründet. Je breiter man<br />
aufgestellt ist, desto besser. Auch im Kleinen."<br />
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