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De:Bug 172

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<strong>172</strong> — MUSIK<br />

Trotz geregelterem Leben ist er aber doch mehr als<br />

ein Feierabendmusiker: "Wenn ich von einem langen<br />

Arbeitstag nach Hause kam, habe ich herumgespielt -<br />

einen Loop angefangen, Bass gespielt oder mit Effekten<br />

rumgemacht. Das war ein bisschen wie Therapie, um<br />

einfach nur was aus den Boxen rauszukriegen, aus mir<br />

selbst. Das war meine einzige Motivation." Das klingt<br />

nach Perfektionismus, und da will man doch wissen, was<br />

für einen MPC mittlerweile das wichtigste Kriterium ist,<br />

damit er zufrieden mit einem Song ist? <strong>De</strong>r Perfektionist<br />

bleibt da natürlich vage - richtig müsse es sich anfühlen,<br />

"nach mir. Und interessant. Alles andere bleibt auf<br />

der Strecke." Auf einmal gerät er ins Schwärmen - beim<br />

Auflegen wäre ja alles so anders und einfacher. "Ich lege<br />

mit jemandem regelmäßig zusammen auf und wir<br />

spielen alles, sehr amerikanisch gemixt, Baltimore und<br />

Jersey Club und HipHop. Mein Kollege sagt immer: Lass<br />

uns doch genau solche Tracks machen! Und ich habe<br />

es versucht, es macht auch Spaß, fühlt sich aber doch<br />

komisch und unbehaglich an. Es ist letztendlich nicht<br />

mein Ding, denn Produzieren ist doch viel persönlicher<br />

als Auflegen. Es muss sich, für mich zumindest, extrem<br />

persönlich anfühlen."<br />

»Viele nehmen das mit der<br />

depressiven Musik einfach<br />

auch viel zu ernst.«<br />

ich brauchte aber einen Tritt in den Arsch, den dir eigentlich<br />

nur New York geben kann. Es motiviert, hier zu leben,<br />

man muss hustlen und am laufenden Band Dinge machen,<br />

um es sich leisten zu können. Das mag ich irgendwie.<br />

Wäre ich in San Francisco geblieben, hätte ich wahrscheinlich<br />

das Album nicht fertig gemacht. <strong>De</strong>shalb habe ich auch<br />

Berlin anfangs nicht wirklich vermisst. Ich war bereit, mich<br />

einfach mal auf Arbeit zu konzentrieren. Und Berlin, zumindest<br />

als ich dort wohnte, und so ist es wohl immer noch, ist<br />

ein Nimmer-Nimmer-Land, ein Spielplatz, wo du die ganze<br />

Zeit rumhängen kannst und nichts machen musst, wenn<br />

du es so willst."<br />

Das Happy-Sad-Verhältnis<br />

Was genau er damit meint, hört man relativ unverschlüsselt<br />

auf "In A Manner Of Sleeping". Es steckt bei Safety<br />

Scissors eigentlich in allen klitzekleinen <strong>De</strong>tails, in jedem<br />

elektronischen Fiepser und süßen Knacksen, jeder samtenen<br />

Bassdrum und flauschigen Textzeile: Matthew will<br />

intim werden, aber Würde wahren, er will aufrichtig sein<br />

und doch ein wenig vage bleiben. Freundlich und fröhlich,<br />

aber immer nachdenklich. Viel zu selten zeigen einem<br />

Platten so deutlich, mit was für einem Menschen man es<br />

eigentlich zu tun hat. Und wenn Musik so klingt, wie der<br />

Künstler sich fühlt, dann darf man das auch "persönlich"<br />

nennen. "Mein Sinn für Humor ist ähnlich", sagt Matthew,<br />

als wir über das richtige Happy-Sad-Verhältnis in seiner<br />

Musik reden. "Würde ich noch mal zur Uni gehen, dann<br />

würde ich ein neues Fach für 'Humor' entwickeln und studieren,<br />

auf eine sehr ernsthafte Weise. Es ist so wichtig,<br />

Humor ernst zu nehmen und sich umgekehrt über ernsthafte<br />

Dinge lustig machen zu können. Ich nehme mir nicht<br />

vor, fröhliche oder traurige Sachen zu machen, aber ich<br />

will meine Melodien schön catchy bekommen, und am<br />

Ende klingt es dann eben melancholisch. Viele nehmen<br />

das mit der depressiven Musik einfach auch viel zu ernst.<br />

Ich bin meistens ein sehr fröhlicher Mensch, und erfreue<br />

mich an vielen Dingen. Daran liegt das wohl."<br />

Und weil die nächste triste Krise bestimmt kommt,<br />

sollte man sein Angebot einfach mal annehmen - ist doch<br />

alles nicht so schlimm, flüstert jeder Safety-Scissors-<br />

Song. Alles ist gut. Und Matthew selbst hat durch sein<br />

kleines Comeback auch neuen Schwung in die Segel bekommen,<br />

denn er arbeitet schon an der Fortsetzung: "Die<br />

nächste Platte wird ein Cover-Album. Allerdings nicht mit<br />

Songs, die ich per se unbedingt covern möchte, sondern<br />

es gibt ein Thema - das werde ich aber nicht verraten.<br />

Es sind sogar viele Songs dabei, die ich vorher nicht mal<br />

kannte. Nur so viel: allen Künstlern, die ich covere, ist genau<br />

dasselbe zugestoßen."<br />

34<br />

Safety Scissors, In A Manner Of Sleeping,<br />

ist auf BPitch Control/Rough Trade erschienen.

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