LA KW 25
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Schrotts Gedanken zu Dada<br />
Kulturinitiative auf Zwischenstopp in Tarrenz<br />
(ado) Zum heurigen 100-jährigen Jubiläum der Kunstrichtung<br />
Dada steht das Gasthaus Sonne immer wieder im Mittelpunkt des<br />
Kulturgeschehens, denn immerhin residierten hier in der späten<br />
Hochblüte der „kurzlebigsten Avantgarde des 20. Jahrhunderts“<br />
bedeutende Dadaisten wie Max Ernst oder Hans Arp. Über diese<br />
Zeit sowie die Hintergründe der kulturellen Bewegung referierte<br />
vorvergangenen Freitag der aus Landeck stammende Schriftsteller<br />
Raoul Schrott, der sich im Zuge seiner Dissertation mit dem Phänomen<br />
Dada näher auseinandergesetzt hat.<br />
Auch wenn Dada nur wenige Jahre<br />
lang aktiv praktiziert wurde, gibt<br />
es doch keine andere Kunstform, die<br />
in der Moderne so stark aufgegangen<br />
ist wie diese. Die Verkaufszahlen<br />
von Dada-Büchern gehen zwar trotz<br />
des derzeitigen regelrechten Hypes<br />
praktisch gegen Null, doch die<br />
Auswirkungen, die die inzwischen<br />
100 Jahre alte Kunstrichtung auf die<br />
Der Literat hat für seine Doktorarbeit<br />
auch zahlreiche Schriftstücke zusammengetragen,<br />
die in Tarrenz angefertigt<br />
worden waren.<br />
Gegenwart hat, sind unübersehbar,<br />
wie Raoul Schrott in seinem Vortrag<br />
im Gasthaus Sonne, der im Rahmen<br />
einer länderübergreifenden dreitägigen<br />
Tagung standfand, ausführte.<br />
Ob in Theaterperformances, beim<br />
Poetry-Slam, im modernen Ballett<br />
oder in bereits selbst etwas antiquiert<br />
erscheinenden Lebensformen wie<br />
dem Punk: Dada zieht unübersehbar<br />
seine Spur durch das vergangene<br />
Jahrhundert bis in die Gegenwart –<br />
und ob Lady Gaga ohne Dada sich<br />
so positionieren würde, wie sie es<br />
nun mal tut, ist auch fraglich. Trotzdem<br />
oder vielleicht gerade deshalb<br />
kann Dada heute kaum mehr provozieren<br />
und wird nur mehr selten<br />
herangezogen, um gegenüber der<br />
Gesellschaft Stellung zu beziehen.<br />
Hervorgegangen ist die Kunstform<br />
Dada, deren Blütezeit mit 1916 bis<br />
1922 beziffert wird, laut Schrott aus<br />
Ideen des Expressionismus, Futurismus<br />
und Symbolismus, wobei Dada<br />
sich stets im Balanceakt zwischen<br />
den Säulen Industrie, Zivilisation<br />
und Individuum bewegte.<br />
ZIVILISATION UND NATUR.<br />
„Dada lässt sich reduzieren auf die<br />
Formel ,Ich ist Nicht-Ich‘“, fasst<br />
Schrott diesen Bezug des Menschen<br />
auf seine Welt zusammen. Konventionen<br />
und technische Errungenschaften<br />
wurden dabei ebenso kritisch<br />
hinterfragt wie Philosophien<br />
und Ideologien. All diese Systeme<br />
Willi Pechtl und Raoul Schrott im Gespräch<br />
könnten den Menschen nicht vollständig<br />
erfassen, nur im Dasein der<br />
Narren und Schelme ließen sich<br />
manche Wahrheiten entdecken, so<br />
ein Ansatz der Kunstrichtung Dada.<br />
Schrott, der für seine Doktorarbeit<br />
in den 80ern auch bei den französischen<br />
Dadaisten und Surrealisten<br />
recherchierte, fand im Zuge dessen<br />
zahlreiche Hinweise auf Tirol, darunter<br />
eine große Menge an Literatur,<br />
die auch im Starkenberger Schloss<br />
entstanden sind. Die Dadaisten,<br />
die sich zunächst vor allem mit den<br />
„Artefakten der Zivilisation“ auseinandergesetzt<br />
hatten, begannen laut<br />
Schrott erst in Tirol, die Natur als<br />
Ausgangsmaterial mit einzuarbeiten:<br />
„Als sie in Tarrenz waren, hatten sie<br />
bereits gesellschaftliche Tabula Rasa<br />
RS-Fotos: Dorn<br />
Auch viele Imster Kunstschaffende waren ins Gasthaus Sonne gekommen, um<br />
Raoul Schrotts Ausführungen zu lauschen.<br />
gemacht.“ Auch im Gasthaus Sonne<br />
in Tarrenz wurde eifrig gearbeitet,<br />
debattiert und gestritten. So fertigte<br />
Max Ernst beispielsweise die erste<br />
seiner berühmten Collagen in der<br />
Sonne an. Neben den vielen Kunstwerken,<br />
die in den wenigen Jahren<br />
entstanden sind, bietet Dada aber<br />
auch heute noch den Kunstschaffenden<br />
etwas Brandaktuelles an,<br />
nämlich Lösungsansätze, wie man<br />
sich den Phänomenen der Moderne<br />
nähert. Denn ob der Individualismus<br />
in unserer Gesellschaft wirklich<br />
derart umgesetzt wurde, wie von<br />
manchen Liberalen behauptet wird,<br />
kann wohl ebenso immer noch hinterfragt<br />
werden wie die Technikgläubigkeit<br />
der nicht enden wollenden<br />
Postmoderne.<br />
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PARTNER DER MENSCHEN<br />
PARTNER DER WIRTSCHAFT<br />
22./23. Juni 2016<br />
RUNDSCHAU Seite 35