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2016-07-00

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405 AB Archiv des Badewesens <strong>07</strong>/<strong>2016</strong> | Gesundheit und Wellness · Physiotherapie<br />

Akademisierung ist keine Lösung<br />

Der Wissenschaftsrat der Bundesregierung<br />

hält eine Akademisierungsquote<br />

von 10 bis 20 % für ausreichend, um<br />

eine Beteiligung der Berufsgruppe an<br />

Lehre und Forschung auf dem Gebiet<br />

der Physiotherapie sowie die Besetzung<br />

von leitenden Stellen in größeren Einrichtungen<br />

durch akademisch weiterqualifizierte<br />

Therapeuten zu gewährleisten.<br />

Der Wissenschaftsrat begründet<br />

dies zurecht mit seinem Verständnis<br />

von einem System abgestufter Ausbildungen<br />

für abgestufte Tätigkeitserfordernisse.<br />

Der VDB-Physiotherapieverband<br />

schätzt den Bedarf an akademisch<br />

weiterqualifizierten Berufsangehörigen<br />

bis 2020 auf 1 - 2 %.<br />

Eine grundständige Akademisierung<br />

der Berufsausbildung Physiotherapeut<br />

würde den Fachkräftemangel zusätzlich<br />

verschärfen, weil die Fachhochschulzugangsberechtigung<br />

zum Nadelöhr<br />

würde. Denn Realschulabsolventen<br />

könnten sich nicht mehr direkt nach<br />

dem Schulabschluss für die Ausbildung<br />

zum Physiotherapeuten bewerben<br />

– auf welchem Wege sollen sie eine<br />

Fachhochschulzugangsberechtigung<br />

erwerben? Für Masseure würde der<br />

Durchstieg zum Physiotherapeuten<br />

deutlich schwieriger – und auch bei<br />

Ihnen ist die Frage, wie sie sie Fachhochschulzugangsberechtigung<br />

für das<br />

Physiotherapiestudium erwerben sollen.<br />

Das Potenzial des Masseurberufs für<br />

die Patientenversorgung würde damit<br />

ohne Not aufgegeben. Die APrVO für<br />

Masseure sieht im Vergleich mit der<br />

Ausbildung Physiotherapie für die Massage<br />

beinahe das dreifache der praktischen<br />

Übungseinheiten vor – eine<br />

deutlich bessere Grundlage also für<br />

das Arbeiten mit händischen Techniken<br />

und auf diesem Gebiet ein Vorsprung<br />

der Masseure, der von den Physiotherapeuten<br />

erst nach einigen Berufsjahren<br />

ausgeglichen werden kann.<br />

Nicht zu vergessen die sehbehinderten<br />

bzw. blinden Therapeuten: Die Berufsförderungswerke<br />

Mainz, Nürnberg und<br />

Chemnitz bringen pro Jahr rund 80<br />

Absolventen mit diesen Handicaps hervor.<br />

Nicht eingerechnet sind hier diejenigen,<br />

die den Therapeutenberuf in<br />

den Berufsförderungswerken erlernen,<br />

weil sie durch eine andere Grunderkrankung<br />

an der Ausübung ihres bisherigen<br />

Berufes gehindert sind.<br />

Zudem ist Kritik an der bestehenden<br />

„Studienlandschaft“ geboten. Es herrscht<br />

ein thematischer Wildwuchs zwischen<br />

Soziologie, Didaktik und Management,<br />

der dazu führt, dass potenzielle Arbeitgeber<br />

nur sehr bedingt abschätzen<br />

können, wie und wofür ein Absolvent<br />

tatsächlich qualifiziert ist. Viele existierende<br />

Studiengänge lassen klinische<br />

Orientierung und Praxisbezug vermissen.<br />

Zertifikate entwerten die Ausbildung<br />

Die sog. Zertifikate verschärfen die Situation<br />

im System der GKV zusätzlich.<br />

Manuelle Lymphdrainage (MLD), Manuelle<br />

Therapie, Krankengymnastik<br />

auf neurophysiologischer Grundlage<br />

und Krankengymnastik am Gerät machten<br />

2015 bei der GVK einen Umsatzanteil<br />

von mindestens 42,60 % aus – mindestens<br />

deshalb, weil der Umsatzanteil<br />

der MLD-30 (MLD mit einer Behandlungszeit<br />

von 30 min; Anmerkung der<br />

Redaktion) aufgrund der Daten des<br />

GKV-Heilmittel-Informations-Systems<br />

(GKV-HIS) nicht exakt ermittelt werden<br />

konnte. Geschätzt wird er aufgrund<br />

der Daten von Abrechnungszentren auf<br />

etwa 1 % (siehe Abbildung 1).<br />

Obwohl diese Therapieformen bereits<br />

in vielen Schulen im Rahmen der Ausbildung<br />

unterrichtet werden, gibt es<br />

keine Anrechnung auf die Umfänge<br />

der Zertifkatskurse. Daher müssen sich<br />

Absolventen der Ausbildungen über<br />

Jahre hinweg aus eigener Tasche umfänglich<br />

fortbilden, bis sie die Ansprüche<br />

des Arbeitsmarktes erfüllen. Die<br />

Ausbildungen werden so entwertet.

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