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Absicht war also nicht, einen stärkeren<br />
Motor zu bauen, sondern die gleiche Leistung<br />
entspannter zu erzielen und dem<br />
Motor gleichzeitig zu mehr Zuverlässigkeit<br />
zu verhelfen. Es bestand die Wahl<br />
zwischen einem Roadster mit kleinem<br />
Tank, einem Hi-Rider mit hohem Lenker<br />
und der Interstate mit großem Tank.<br />
Im Februar 1973 leistete die MkI A 850<br />
erwiesene 60 PS bei 6200/min – die originale<br />
Commando schaffte 56 PS bei 6500/<br />
min, während es die notorisch unzuverlässige,<br />
getunte „Combat“-750er auf 65 PS<br />
bei 6500/min gebracht hatte. Die 850er<br />
profitierte auch von ihrem Drehmomentplus<br />
zwischen 2000 und 4500/min: Eine<br />
Zeit von 12,75 Sekunden für den Viertelmeilen-Sprint<br />
und eine Topspeed von 125<br />
mph (rund 200 km/h) ließ das amerikanische<br />
Magazin Motorcycle World von der<br />
850 Roadster als „größtem, schnellstem,<br />
stärkstem und gleichzeitig sanftestem<br />
britischen Bike“ schreiben. Die 750er-<br />
Baureihe endete im Oktober 1973, und<br />
dezente Änderungen an den 850er-<br />
Modellen (Bearbeitung der Einlasskanäle<br />
und die Rückkehr zum schwarzen Finish<br />
des Zylinderblocks) führten 1974 zum Typ<br />
850 MkII A. Die große Commando war<br />
zivilisierter und zuverlässiger, doch einigen<br />
Besitzern schien der Kickstart des<br />
lang hubigen Biests an kalten Wintermorgen<br />
nahezu unmöglich.<br />
Und dies bringt uns zurück zum Electric<br />
Start-Logo auf dem Seitendeckel.<br />
Die im Februar 1975 den amerikanischen<br />
Händlern vorgestellte MkIII verwöhnte<br />
mit einem Prestolite-E-Starter, einer stärkeren<br />
180-Watt-Lichtmaschine, und der<br />
Schalthebel wanderte von der rechten auf<br />
die linke Seite, um amerikanischen Gesetzen<br />
zu genügen. Die hartverchromte<br />
Brems scheibe vorn wechselte ebenfalls<br />
von der rechten auf die linke Seite, eine<br />
270-Millimeter-Scheibenbremse ersetzte<br />
die bisherige Trommel im Hinterrad. Drohenden<br />
deutschen Lautstärke-Limits und<br />
schärferen amerikanischen Standards für<br />
den Schadstoffausstoß begegnete man mit<br />
deutlich leiseren Schalldämpfern mit ringförmigem<br />
Auslass sowie einer großen Airbox.<br />
Weniger offensichtlich, jedoch wichtiger<br />
waren der neue hydraulische Primärkettenspanner<br />
und die überarbeitete<br />
Isolastic-Aufhängung des Antriebstrangs.<br />
Beim alten Isolastic-System erfolgte die<br />
Einstellung über Entfernung oder Hinzufügung<br />
von Stahlscheiben – zu viel Seitenspiel<br />
an den Gummi-Aufhängungen ließ<br />
das Handling leiden, zu wenig ließ starke<br />
Vibrationen zum Fahrer durch. Die MkIII<br />
nutzte das viel sinnvollere und wirksamere<br />
Vernier-System. Jetzt dauerte die exakte<br />
Einstellung nur Minuten statt Stunden.<br />
Frühe 850er drehten locker über 7000/<br />
min, doch die strengen Ein- und Aus lass-<br />
Beschränkungen würgten die Power der<br />
MkIII über 6000/min gnadenlos ab. Sie<br />
mag nicht so lebendig sein wie die 750er<br />
oder frühe 850er, doch die MkIII zieht<br />
stramm ab 1500/min und dreht bei gut<br />
110 Sachen gerade mal lässige 3800 Touren.<br />
Unter 2500/min zerrt der Motor an<br />
seinen Gummiaufhängungen, doch mit<br />
Überschreiten der 3000er-Marke verwandelt<br />
sich die Commando in eines der sanftesten,<br />
wenn auch nicht der schnellsten<br />
Motorräder der Welt. So lebt vor allem die<br />
Legende des einzigartigen Handlings und<br />
Große Weiten und ferne Ziele sind<br />
die Domäne des starken Tourers.<br />
Recht gut zugänglich unter der Sitzbank<br />
zwischen den Rahmen rohren<br />
befindet sich der hinter dem rechten<br />
Seitendeckel verborgene Öltank<br />
(unten). Geschaltet wird nun links,<br />
das Getriebe besitzt nach wie vor<br />
vier Stufen, die Kupplung nun fünf<br />
statt vier Scheiben<br />
der tadellosen Präzision in der MkIII weiter.<br />
Um sie in die Kehre zu feuern braucht<br />
es nur einen winzigen Stups am Lenker,<br />
und das Bike fühlt sich stets wunderbar<br />
ausbalanciert an. Das Getriebe arbeitet<br />
leicht und willig, der Motor reagiert spontan<br />
auf kleinste Bewegungen am Gasgriff<br />
und liefert üppiges Drehmoment. Die<br />
MkIII ist vielleicht keine vor Angriffslust<br />
„schnaubende“ Norton, doch als eine der<br />
letzten originalen Commandos lässt sie einen<br />
das erleben, was eine Commando ausmacht:<br />
einen großen, starken Tourer. ◻<br />
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