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SZENE I<br />
Magni-MV Agusta Filo Rosso<br />
und sein Bruder Carlo niemandem, nicht<br />
einmal Vater Arturo, von den Plänen zu erzählen,<br />
den Dreizylinder der 800 Brutale<br />
F3 in einen in alter Magni-Tradition aus<br />
Stahlrohren geschweißten Rahmen zu<br />
stecken. „Ich beschloss, ein Bike zu designen,<br />
das mich persönlich begeistert, ohne<br />
darauf zu achten, was andere sagen würden.<br />
Also kaufte ich einen gebrauchten<br />
Motor einer Brutale 800 F3, und Carlo und<br />
ich nahmen genau Maß. Dabei stellten wir<br />
nicht nur fest, wie gut der Motor aussieht,<br />
sondern auch wie kompakt er ist“, stellt<br />
Giovanni klar.<br />
Hatte der anfangs verwendete Drilling<br />
der ersten Generation noch <strong>12</strong>5 PS, so<br />
liefert der aktuelle, hochmoderne MV-<br />
Dreizylinder mit rückwärts drehender<br />
Kurbel welle, Wasserkühlung und Benzineinspritzung<br />
satte 140 PS. Drei Monate<br />
arbeiteten die Brüder praktisch Tag und<br />
Nacht, erst drei Tage vor der Eröffnung<br />
der Messe in Mailand 2014 war der Prototyp<br />
der Filo Rosso fertig. „Er war komplett,<br />
aber er lief nicht – also machten wir einfach<br />
ein paar Fotos, stellten die auf unsere<br />
Website und gingen zu Bett“, erinnert sich<br />
Giovanni grinsend. „Am nächsten Morgen<br />
stellten wir fest, dass unsere Website zusammengebrochen<br />
war und wir hatten<br />
ein Dutzend Bestellungen für das Bike,<br />
ohne dass irgendjemand überhaupt einen<br />
Preis wusste.“<br />
Grünes Licht von MV Agusta<br />
Ein Jahr später stand die fertige, zuvor<br />
ausgiebig auf der Straße getestete Version<br />
auf der EICMA in Mailand und die Produktion<br />
lief an, mit sechs Monaten Lieferfrist.<br />
Kits zum Selbstaufbauen für Kunden<br />
sollte es nicht geben. „Wir verkaufen nur<br />
fertige Bikes“, erläutert Giovanni. „Weil<br />
wir keine Probleme haben, brandneue<br />
MV-Motoren zu bekommen. Als MV-Besitzer<br />
Giovanni Castiglioni zu uns kam,<br />
um das neue Bike zu sehen, stand er einige<br />
Momente davor, betrachtete es, drehte<br />
sich dann zu mir um und sagte: ‚Was immer<br />
ihr von mir braucht, um dieses Bike zu<br />
bauen – fragt mich einfach.‘“<br />
Nun steht sie also da, wohlproportioniert,<br />
und überrascht doch beim Aufsitzen<br />
mit ihrer zierlichen Gestalt, recht niedrig<br />
und auch recht kurz, mit kompakten 1370<br />
Millimetern Radstand (Agos GP-Racer<br />
hatten 1310 mm). Und ohne Verkleidung<br />
wird klar, wie perfekt arrangiert das ganze<br />
Paket ist. Bei aller Kompaktheit findet<br />
doch auch ein 1,80-Meter-Fahrer Platz.<br />
Lang über den handgedengelten 16-Liter-<br />
Alutank gestreckt, mit stark angewinkelten<br />
Beinen und auf hoch montierten Rasten<br />
ruhenden Füßen. Die Arme greifen<br />
nach den unter der vorderen Gabelbrücke<br />
montierten Lenkerstummeln, der Oberkörper<br />
ist deutlich nach vorn gebeugt. Mit<br />
98 <strong>MOTORRAD</strong> CLASSIC <strong>12</strong>/<strong>2016</strong>