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Autonomie stärken - Eine Orientierung für Mitarbeiter-/innen (2013)

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Sollte sich der Zustand von Frau D. nicht verbessern, ziehen sie eine Entscheidung<br />

des Vormundschaftsgerichts in Erwägung.<br />

(2) Herr W. lehnt eine Nahrungssonde ab<br />

Ausgangssituation:<br />

Herr W. ist 76 Jahre alt und lebt seit 4 Jahren in einem Pflegeheim der St. Anna-Hilfe.<br />

Er hat eine schwere Parkinsonerkrankung mit extremen Schluckstörungen, so dass<br />

er kaum ausreichend Nahrung zu sich nehmen kann. Auch leidet er unter starken<br />

Bewegungseinschränkungen, kann sich kaum artikulieren und ist vor zwei Jahren<br />

erblindet. Er war Geschäftsmann mit einer eigenen Firma, aus der er sich aufgrund<br />

seiner Erkrankung zurückziehen musste, und ist sehr wohlhabend. Anfangs hat er<br />

noch versucht, in seiner Firma mitzubestimmen. Inzwischen hat die Tochter die Firma<br />

aufgelöst.<br />

Er ist zeitlich und örtlich voll orientiert und setzt sich geistig mit seiner Krankheit<br />

auseinander.<br />

Aufgrund der erheblichen Schluckbeschwerden hat Herr W. stark an Gewicht verloren.<br />

Die hinzugezogene Ernährungsberaterin schlägt das Legen einer Nahrungssonde<br />

vor. Herr W. willigt ein. Damit hält er zwar sein Gewicht, kann sich aber mit dieser<br />

Form der Nahrungsaufnahme nicht abfinden und will nur noch Flüssigkeit über die<br />

Sonde aufnehmen, da er der Meinung ist, dass seine Übelkeit von der Sondennahrung<br />

kommt. Die Pflegekräfte versuchen, ihn von der Wichtigkeit der Sondennahrung zu<br />

überzeugen, und erklären ihm, dass seine Übelkeit von den Parkinsonmedikamenten<br />

kommt. Herr W. will aber keine Nahrungssonde mehr.<br />

Er bekommt zweimal wöchentlich Logopädie und Krankengymnastik, die er auch<br />

wünscht.<br />

Mögliche Lösung:<br />

Die Pflegemitarbeiter initiieren eine Fallbesprechung zusammen mit Arzt, Ernährungsberaterin<br />

und Angehörigen. Sie vereinbaren, Herrn W. jetzt zu wiegen und nach<br />

4 Wochen zu entscheiden, wie es weitergeht. Herr W. besteht darauf, die Mahlzeiten<br />

trotz Sonde noch zu bekommen, lehnt aber passierte Kost ab, da er den Geschmack<br />

des Essens haben möchte und auch noch kauen will. Die Wohnbereichsleitung weist<br />

ihn auf Risiken und Folgen fester Nahrungsaufnahme bei seiner Erkrankung hin. Herr<br />

W. ist sich der Risiken bewusst, <strong>für</strong> ihn bedeutet Nahrungsaufnahme aber Lebensqualität,<br />

die er nicht aufgeben will. Deshalb gibt ihm ein <strong>Mitarbeiter</strong> mittags das Essen<br />

ein, was aufgrund seiner Kau- und Schluckbeschwerden mindestens 45 Minuten<br />

dauert. Die <strong>Mitarbeiter</strong> tragen diese zusätzliche zeitliche Belastung mit, da <strong>für</strong> sie der<br />

Wille des Bewohners zählt und sie ihm dadurch die von ihm gewünschte Lebensqualität<br />

geben können.<br />

(3) Frau F. will sterben<br />

Ausgangssituation:<br />

Die 91jährige Frau F. wohnte bis zum Tod ihres Mannes in Mecklenburg-Vorpommern.<br />

Ihre Angehörigen, die in Süddeutschland leben, holen sie zu sich und bringen sie zur<br />

Kurzzeitpflege in ein Haus der St. Anna-Hilfe. Frau F. verkraftet den Tod ihres Mannes<br />

nicht und sagt immer wieder, dass sie nicht mehr leben mag und sterben will. Diesen<br />

Wunsch äußerte sie auch schon in ihrer gewohnten Umgebung in Mecklenburg–Vorpommern.<br />

Sie ist zeitlich und örtlich überwiegend orientiert.<br />

Sie lehnt Nahrung ab und spuckt sie auch aus. Trinknahrung nimmt sie teilweise zu<br />

sich. Auch durch ihre Körperhaltung drückt sie aus, dass sie mit dem Leben abgeschlossen<br />

hat.<br />

Dilemma:<br />

Verliert Herr W. weiterhin an Gewicht, so nehmen seine Abwehrkräfte ab und es<br />

besteht die Gefahr von Folgeerkrankungen.<br />

Dilemma:<br />

Durch die Verweigerung der Nahrung nimmt Frau F. rasant ab. Konnte sie anfangs<br />

noch mit Hilfe ihres Rollators laufen, geht dies nach kurzer Zeit nicht mehr, da sie zu<br />

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