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Autonomie stärken - Eine Orientierung für Mitarbeiter-/innen (2013)

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(2) Vorgeschichte<br />

Frau D. und Herr B. lebten seit Januar 2006 in einem Behindertenheim in M. im Großraum<br />

Stuttgart, waren aber auch schon davor vollstationär in verschiedenen Heimen<br />

untergebracht. Das Heim in M. ist nicht gemeindenah, sondern in der Peripherie<br />

gelegen.<br />

Frau D. und Herr B. sind seit 20 Jahren befreundet und seit August 2009 ein Paar<br />

mit der Absicht, zu heiraten. Im Heimbereich bewohnten die beiden zwei getrennte<br />

Zimmer. Arbeiten und Wohnen waren räumlich nicht getrennt, sondern lagen innerhalb<br />

des Heimgeländes. Durch den stationären Kontext war nur ein geringes Maß an<br />

<strong>Autonomie</strong> gegeben; zum Beispiel war selbstständiges Einkaufen oder Essenszubereitung<br />

kaum möglich. In nahezu allen Lebensbereichen erfolgte eine vollstationäre<br />

Versorgung. Für die <strong>Mitarbeiter</strong> war es nicht vorstellbar, dass Menschen mit diesen<br />

Behinderungen in einer Wohnung selbständig zusammen leben und ambulant begleitet<br />

werden können.<br />

Frau D. arbeitete ganztags in der Werkstatt <strong>für</strong> behinderte Menschen (WfbM), Herr B.<br />

halbtags. Beide haben keine gesetzlichen Betreuer und sind voll geschäftsfähig. Frau<br />

D. lebte bis vor ca. zehn Jahren schon hier in Oberschwaben (im Körper-Behinderten-<br />

Zentrum Oberschwaben), aus diesem Grund war der Wunschwohnort der Kreis<br />

Ravensburg.<br />

(3) Veränderungen durch ambulantes Begleiten in der eigenen Wohnung<br />

Durch die „Aufnahme ins Ambulant Betreute Wohnen“ ergab sich <strong>für</strong> die beiden Rollstuhlfahrer<br />

im Vergleich zum stationären Heimbereich in M. ein erheblicher Zuwachs<br />

an <strong>Autonomie</strong> und Teilhabe und somit an Lebensqualität. Im Einzelnen handelt es sich<br />

um folgende Veränderungen:<br />

Sie wohnen jetzt als eigenständige Mieter in einer 66 qm großen, barrierefreien<br />

2-Zimmer-Neubauwohnung in G., etwa 5 km von Ravensburg, mit schöner Aussicht<br />

(Normalität der Wohnverhältnisse). Sie können also als Paar in einer Wohnung zusammenleben.<br />

Ihr Anteil an der Selbstversorgung ist stark gestiegen, sie bereiten sich<br />

beispielsweise alle drei Mahlzeiten täglich selbstständig zu (wann, was und wie sie<br />

wollen). Die Wohnung wurde nach ihren eigenen Vorstellungen und Wünschen gestaltet,<br />

wie z. B. die Auswahl der Möbel oder das Zusammenstellen der Einzelbetten<br />

(elektrisches Bett und Pflegebett) ins gemeinsame Schlafzimmer. Beide sind sehr<br />

stolz auf ihre eigenen Haustürschlüssel. Sie schätzen das Vorhandensein von Nachbarschaftsbeziehungen.<br />

Sie begrüßen die Freiheit zu ihrem eigenen Tag-/Nachtrhythmus<br />

vor allem am Wochenende. Für die individuelle Unterhaltung haben sie zwei Fernsehgeräte<br />

angeschafft.<br />

Herr B. übernimmt deutlich mehr Verantwortung <strong>für</strong> die Pflege seiner Partnerin,<br />

auch die Verantwortung im Notfall (z. B. bei einem epileptischen Anfall) telefonisch<br />

Hilfe anzufordern. Termine mit dem ABW, der Sozialstation, dem Arzt, der Krankengymnastik<br />

vereinbaren sie eigenverantwortlich. Sie genießen die gute Infrastruktur<br />

durch Gemeindenähe, d. h. Einkaufsmöglichkeiten, Bank, Arzt, Apotheke, Krankengymnast.<br />

Das Halten von Tieren (zwei Kaninchen) ist möglich.<br />

Wichtig ist vor allem: Der Arbeitsplatz ist getrennt vom Wohnen. Durch die neue<br />

Lebensform hat sich bei Herrn B. der Wunsch nach einer Vollzeitbeschäftigung in<br />

einer WfbM verstärkt. Die Hospitation in einer WfbM hat zum Aufbau erster Kontakte<br />

geführt.<br />

(4) Hilfen des Fachdienstes „Ambulant Betreutes Wohnen“<br />

Der Assistenzvertrag beschreibt u. a. die individuellen Betreuungsleistungen des ABW<br />

(und die Gegenleistungen des Klienten) und ist von Frau D. und Herrn B. selbstständig<br />

unterschrieben, da beide keine gesetzliche Betreuung haben.<br />

Folgende Leistungen werden aktuell bzw. wurden schon erbracht: Unterstützung bei<br />

der Beantragung der Kostenübernahme und bei der Gewährung der Erstausstattung<br />

<strong>für</strong> die Wohnung; Wohnungssuche (barrierefrei) und Mithilfe bei der Ausstattung, wie<br />

rollstuhlgerechte Küche, Beleuchtung, Waschmaschine, Hilfsmittel wie Pflegebett und<br />

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