Autonomie stärken - Eine Orientierung für Mitarbeiter-/innen (2013)
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schwach ist. Trotz ärztlich verordneter Infusionen und Ergänzungsnahrung nimmt sie<br />
täglich ab. Sie macht weiterhin entschieden deutlich, dass sie nicht mehr essen will.<br />
zu ihrem Stammtisch oder unternimmt Ausflüge. Sie entscheidet, was und wann sie<br />
etwas macht.<br />
Mögliche Lösung:<br />
Die Pflegedienstleitung initiiert mit den Angehörigen und dem Arzt ein Gespräch. Es<br />
wird vereinbart, dass man ihr Nahrung anbietet, die sie gerne mag, und versucht, ob<br />
Wunschkost sie zum Essen animieren kann.<br />
Sie wird nicht zur Nahrungsaufnahme gezwungen. Aufgrund ihrer klaren Willensäußerung<br />
wird ihr keine Sonde gelegt. Es werden ihr aber weiterführende Hilfen, wie<br />
seelsorgliche Gespräche, angeboten.<br />
(4) Frau R. möchte selbstständig bleiben<br />
Ausgangssituation:<br />
Frau R. ist 96 Jahre alt. Sie lebt bisher alleine in ihrem Haus und entschließt sich nun,<br />
in ein Pflegeheim einzuziehen. Da sie vielfältige Ansprüche an ihre zukünftige Wohnform<br />
stellt, prüft sie mehrere Einrichtungen zusammen mit ihrem Enkel. Sie wählt ein<br />
Pflegeheim der St. Anna–Hilfe in ihrem Wohnort aus, weil sie überzeugt ist, das es<br />
ihren Bedürfnissen entspricht. Außerdem wohnen dort schon Bekannte von ihr.<br />
Für Frau R. ist es sehr wichtig, wie und wo sie ihre letzten Lebensjahre verbringt. Sie<br />
möchte unter keinen Umständen plötzlich in die Situation kommen, in der sie nicht<br />
bestimmen kann, wo sie lebt. Sie ist zeitlich und örtlich voll orientiert.<br />
Sie wartet mit ihrem Einzug ins Pflegeheim, bis ein Zimmer frei wird, das ihren Vorstellungen<br />
im Bezug auf Ausstattung und Lage entspricht. Nach dem Einzug legt sie<br />
großen Wert darauf, ihr bisheriges Leben soweit wie möglich weiter zu führen. Sie<br />
lehnt jede pflegerische Hilfe ab und möchte auch ihr offenes Bein niemandem zeigen.<br />
Sie verbindet es täglich selbst. Auch kümmert sie sich weiterhin um ihre Wäsche,<br />
die sie selbständig zur Reinigung bringt. Sie nimmt an Angeboten im Haus und in der<br />
Stadt teil, trifft sich mit ihren Freund<strong>innen</strong> zum Essen in einem Hotel, geht weiter<br />
Dilemma:<br />
Die <strong>Mitarbeiter</strong> auf ihrem Wohnbereich wissen häufig nicht, wo Frau R. ist. Die Wunde<br />
am Bein scheint Probleme zu bereiten und heilt nicht, aber sie will sie auch dem<br />
Hautarzt nicht zeigen. Im Gegenteil, immer wenn dieser ins Haus kommt, ist sie nicht<br />
anwesend.<br />
Der medizinische Dienst hat sie in Pflegestufe 1 eingruppiert, da sie durchaus eine<br />
pflegerische Versorgung benötigt, die sie aber nicht möchte. Auch leidet Frau R.<br />
immer wieder an Schwindelanfällen, von denen sie den <strong>Mitarbeiter</strong>n nichts sagt.<br />
Mögliche Lösung:<br />
Die <strong>Mitarbeiter</strong> des Wohnbereichs vereinbaren mit Frau R., dass sie Bescheid gibt,<br />
wenn sie das Haus verlässt, und sich auch abmeldet, wenn sie zu den Mahlzeiten nicht<br />
da ist. Frau R. ist damit einverstanden.<br />
Sie führen ein Beratungsgespräch mit Frau R., in dem sie sie auf mögliche Folgen<br />
und Risiken einer nicht heilenden Wunde am Bein hinweisen. Außerdem bieten ihr die<br />
<strong>Mitarbeiter</strong> weiterhin pflegerische Hilfestellung an, unterstützen sie in ihrer Lebensführung<br />
und beobachten ihre Schwindelanfälle, um im Notfall reagieren zu können.<br />
Ansonsten kann Frau R. ihr gewohntes Leben weiter so führen, wie sie es möchte.<br />
(5) Frau S. darf nicht mehr in ihrem Zimmer rauchen<br />
Ausgangssituation:<br />
Die 50-jährige Frau S. leidet an einem organischen Psychosyndrom, ist in ihrer Bewegungsfähigkeit<br />
stark eingeschränkt und dauerhaft auf die Benutzung eines Rollstuhls<br />
angewiesen. Sie ist regelmäßig auffällig aufgrund ihres Medikamenten- und Alkoholmissbrauchs<br />
und ist in hohem Ausmaße auf laufende pflegerische und betreuerische<br />
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