02.11.2016 Aufrufe

Autonomie stärken - Eine Orientierung für Mitarbeiter-/innen (2013)

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Begründung:<br />

Die Klinik sah keine Handlungsalternative, die in der Sache und auch ethisch als bessere<br />

Problemlösung überzeugt hätte. Sie empfand es als besondere Herausforderung,<br />

im Sinne des Stiftungsauftrags auch <strong>für</strong> „schwierige“ Menschen mit besonderem<br />

Hilfebedarf „da zu sein“ und mit den vorhandenen Rahmenbedingungen <strong>für</strong> ihn und<br />

in seinem Sinne eine passende Hilfe zu organisieren. Der gewählte Lösungspfad zeigt<br />

sich als zielführend. Herr B. fühlt sich wohl, er ist im neuen Gruppenverbund gut<br />

integriert und findet Anerkennung. Das Problemverhalten ist quantitativ wie qualitativ<br />

deutlich abgemildert – ein stringenter sozialtherapeutischer Kontext ist allerdings<br />

noch immer hilfreich und mittlerweile von Herrn B. als echte Hilfe akzeptiert und<br />

anerkannt.<br />

(8) Herr U. will Beifahrer werden<br />

Ausgangssituation:<br />

Herr U. ist 30 Jahre alt, arbeitet im Lager der Liebenau Service GmbH und wohnt<br />

vollstationär auf einer Wohngruppe der St. Gallus-Hilfe. Seine Mutter ist gesetzliche<br />

Betreuerin. Herr U. hat eine geistige Behinderung und ist Epileptiker. Er bekommt<br />

etwa ein bis zwei Anfälle in der Woche. <strong>Eine</strong>n Schutzhelm zu tragen lehnt er strikt ab.<br />

Herr U. hat den Wunsch, als Beifahrer auf dem Lkw zu arbeiten.<br />

Sein Verhalten und seine Beschäftigung im Lager sind als sehr schwierig zu bezeichnen.<br />

Er lässt sich schnell von seiner Arbeit ablenken, ist unmotiviert und verlässt<br />

öfters ohne Begründung seinen Arbeitsplatz. Auch lenkt er gerne seine Arbeitskollegen<br />

von der Arbeit ab und stichelt oder provoziert andere verbal. Er hofft, dass er<br />

sich mit seinem negativen Verhalten unbeliebt macht und dadurch schneller auf den<br />

Lkw-Arbeitsplatz wechseln darf.<br />

Beteiligte Personen:<br />

Mutter als gesetzliche Betreuerin:<br />

Die gesetzliche Betreuerin stimmt nicht zu, dass ihr Sohn auf dem Lkw arbeitet, da<br />

dieser Arbeitsplatz <strong>für</strong> Herrn U. aufgrund seiner Epilepsie gefährlicher ist als die<br />

bisherige Tätigkeit im Lager.<br />

Arzt:<br />

Ein Gespräch mit dem Arzt fand statt. Die Medikation wurde überprüft. Herr U. wurde<br />

auf die Gefahren eines epileptischen Anfalles hingewiesen und über das erhöhte Risiko<br />

aufgeklärt, wenn er keinen Schutzhelm trägt. Von Seiten des Arztes besteht <strong>für</strong><br />

Herrn U. überall ein Unfallrisiko. Er informiert Herrn U. über dieses Risiko.<br />

Arbeitsbereich/Wohnbereich:<br />

<strong>Eine</strong>rseits ist Herr U. Epileptiker mit häufigen Anfällen, <strong>für</strong> die sich vorher keine<br />

Anzeichen ergeben. Das heißt, er fällt bei einem epileptischen Anfall ohne vorherige<br />

Warnung oder Veränderung seines Verhaltens um. Die Gefahr, dass auf dem Lkw<br />

etwas passiert bzw. dass er sich beim Ein- und Aussteigen verletzt, ist groß. <strong>Eine</strong>n<br />

Schutzhelm will er aber nicht tragen.<br />

Auf der anderen Seite ist es der größte Wunsch des behinderten Menschen, auf dem<br />

Lkw mitzuarbeiten. Er bringt auch die Fähigkeiten/Fertigkeiten mit, diese Tätigkeit<br />

auszuführen.<br />

Dilemma:<br />

Darf ein <strong>Mitarbeiter</strong> mit einer epileptischen Erkrankung als Beifahrer auf einem Lkw<br />

trotz potentiellem Anfallsrisiko mitfahren, womöglich verbunden mit dem Risiko der<br />

Gefährdung Dritter?<br />

Zu entscheiden ist zwischen dem ausdrücklichen Wunsch von Herrn U. nach einem<br />

Arbeitsplatz als Beifahrer und dem davon ausgehenden Gefahrenrisiko, das bei einem<br />

Anfall <strong>für</strong> Herrn U. und eventuelle Dritte entsteht.<br />

Lösungsweg:<br />

Da der gesetzliche Betreuer nach Aufklärung der Lage nicht schriftlich zustimmte,<br />

dass Herr U. auf dem Lkw als Beifahrer ohne Schutzhelm arbeiten darf, wurde er<br />

zunächst weiter im Lager beschäftigt. Die neue Einstellung der Medikation durch<br />

48 49

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!