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Kultur- Reportage: 35 mm Kontrovers: siche- - Martin-Luther ...

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n<strong>Kontrovers</strong><br />

12<br />

Tausche Privatsphäre gegen Gruscheleinheiten<br />

Schließen sich der Wunsch nach virtueller Gemeinschaft und nach geschütztem Privatleben<br />

grundsätzlich aus? Wie viel geben wir im Internet über uns preis? Wo ist unsere persönliche<br />

Schmerzgrenze? Hier einige grundsätzliche Überlegungen dazu - und der ultimative Psychotest.<br />

Von Melanie Grießer<br />

igentlich ist studiVZ wie das Poesiealbum, das wir<br />

früher hatten. Gut, die Seiten sind mittlerweile<br />

aus HTML gemacht, der kreative Beitrag ist das<br />

Foto von der letzten durchfeierten Partynacht und<br />

auch die Freunde von früher, die besser nur in<br />

der Erinnerung geblieben wären, haben etwas hineingeschrieben.<br />

Dafür beginnen die Grüße mit<br />

‚Hey Schnecke‘ und die Poesie findet in platzsparenden 64<br />

Zeichen langen Gruppennamen ihre moderne Entsprechung:<br />

„Schakkeline, ko<strong>mm</strong> wech von die Regale, du Arsch!“<br />

Das Album von früher war aber nur eine Momentaufnahme,<br />

die als Erinnerung im Regal verstaubt. Die Social Networks<br />

von heute, MySpace, studiVZ, Facebook, Xing und viele andere,<br />

haben demgegenüber einen entscheidenden Vorteil: Sie<br />

sind lebendig. Man ist stets informiert über aktuelle Veränderungen<br />

im Freundeskreis – von der Haarfarbe bis zur neuen<br />

Liebschaft. Alte Gefährten verlieren sich langsam in neuen<br />

Hobbies und neue Freunde finden sich durch alte Gewohnheiten.<br />

Doch etwas hat das alte Freundschaftsalbum den<br />

neuen Plattformen voraus: Der Besitzer konnte selbst entscheiden,<br />

für wen das kleine goldene Schloss geöffnet wird,<br />

um den kostbaren Inhalt preiszugeben. Wer heute nicht nach<br />

geeigneten Sicherheitslösungen für seine Profilseite, also für<br />

sein virtuelles Privatleben sucht, teilt Ausschnitte seines realen<br />

Lebens, Freunde und Bilder allein auf studiVZ mit derzeit<br />

ca. fünf Millionen Mitgliedern. Dank der Verknüpfung mit<br />

meinVZ, dem Portal für Nicht-Studenten, ko<strong>mm</strong>en täglich ein<br />

paar tausend potenzielle Freunde hinzu.<br />

Unfreiwilliger Ruhm<br />

Würden die Profilseiten anders aussehen, wenn man sich bei<br />

jeder Äußerung und jedem Bild fragt, was Verwandte, Dozenten,<br />

potentielle Arbeitgeber oder gar Stalker und Kriminelle<br />

damit anfangen könnten? Wird das niemals vergessende<br />

Internet unseren Kindern später peinliche Beweise für genau<br />

das Verhalten liefern, das wir ihnen ausreden wollen? Schon<br />

jetzt lassen sich genügend Beispiele dafür finden, warum das<br />

Veröffentlichen der eigenen Daten kritisch sein kann. So wid-<br />

Sichere Vernetzung<br />

mete die BILD einer heiklen Flugzeuglandung im März 2008<br />

eine Titelseite und veröffentlichte Bilder und Daten der jungen<br />

Co-Pilotin, die ohne ihr Einverständnis von studiVZ und<br />

anderen Internetseiten geno<strong>mm</strong>en wurden.<br />

Schlagzeilen machte auch eine studiVZ-Gruppe mit 700<br />

männlichen Mitgliedern, die Frauenbilder aus Profilen und<br />

Fotoalben tauschten und bewerteten. Praktischerweise wurde<br />

den interessierten Männern gleich der vollständige Name, der<br />

Link zum Profil und auch schon mal die Anschrift des Wohnheims<br />

mitgeteilt. Die unwissende ‚glückliche‘ Gewinnerin eines<br />

monatlichen Fotowettbewerbs wurde zur Belohnung für<br />

das veröffentlichte Bild dann zu verabredeter Zeit von vielen<br />

Männern gleichzeitig „gegruschelt“. (Zusa<strong>mm</strong>ensetzung aus<br />

„grüßen“ und „kuscheln“) Die Gruppe wurde irgendwann gemeldet.<br />

Der zuständige Mitarbeiter von studiVZ schlug eine<br />

Abänderung des Beschreibungstextes vor – und bat anschließend<br />

darum, sich und einen der Gründer von studiVZ in die<br />

Gruppe aufzunehmen.<br />

Entblößung des Privatlebens<br />

Die informationelle Selbstbesti<strong>mm</strong>ung – also die Entscheidungsgewalt<br />

darüber, wer was auf welchem Wege über uns<br />

erfährt, dient dem Schutz des privaten Raumes gegenüber<br />

der Öffentlichkeit. Die Entblößung des Privatlebens im Internet<br />

ist nicht nur ein (bewusster?) Verzicht auf diesen Schutz,<br />

sondern ein Aufweichen der Grenzen zwischen Privatem und<br />

Öffentlichem. Für die Aufrechterhaltung dieser Grenze wurde<br />

und wird an vielen Stellen gekämpft. Zum Beispiel gegen<br />

Vorratsdatenspeicherung, biometrische Daten im Ausweis und<br />

gegen die Verwendung privater Informationen für personalisierte<br />

Werbung. Letzteres hat studiVZ mit der Einführung<br />

neuer Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) durchgesetzt.<br />

Die Ankündigung der geplanten Änderungen löste bei Datenschützern<br />

und auch einigen Benutzern der Plattform Proteste<br />

aus. StudiVZ überarbeitete daraufhin schwa<strong>mm</strong>ige Formulierungen,<br />

die den Verkauf der Nutzerdaten befürchten ließen,<br />

strich Passagen zum Werbeversand per SMS und Online-Messenger<br />

und verpflichtete sich dazu, die Daten von ehemaligen

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