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Kultur- Reportage: 35 mm Kontrovers: siche- - Martin-Luther ...

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n<strong>Kultur</strong>beute<br />

16<br />

Schabowski und das Känguru<br />

Missverständnisse im Berliner Museum für Ko<strong>mm</strong>unikation<br />

Von Nicole Trodler und Kalina Yovcheva<br />

ür den Philosophen und Journalisten Manfred Hinrich<br />

kann ein Missverständnis der Wahrheit näher sein als<br />

ein Einverständnis. Nach der Informationstheorie von<br />

Shannon und Weaver ist Informationstransfer umso größer<br />

je größer die Störung ist. Und Missverständnisse setzen Erzählungen<br />

laut Aristoteles erst in Gang. In der privaten Partnerschaft,<br />

der großen Politik oder zwischen verschiedenen <strong>Kultur</strong>en:<br />

Störungen sind ein ständiger Begleiter des menschlichen<br />

Austausches. Mit diesem Thema setzte sich die Ausstellung<br />

„Missverständnisse: Stolpersteine der Ko<strong>mm</strong>unikation“ des<br />

Museums für Ko<strong>mm</strong>unikation Berlin vom 23. April bis zum 5.<br />

Oktober auseinander.<br />

Die Mission heißt Ko<strong>mm</strong>unikation<br />

Vor dem Eingang der Wechselausstellung steht ein ausgestopftes<br />

Känguru. Der Name des Tieres soll auf ein Ko<strong>mm</strong>unikationsproblem<br />

zwischen den Aborigines und dem Entdecker James<br />

Cook zurückgehen. Auf Cooks Nachfrage sollen die Ureinwohner<br />

„Känguru“ für „Ich verstehe nicht“ geantwortet und so den Namen<br />

für das Tier geprägt haben. Mittlerweile geht man jedoch<br />

davon aus, dass sie ihm doch „gangurru“ antworteten, womit<br />

tatsächlich das Beuteltier bezeichnet gewesen sein könnte. Somit<br />

symbolisiert das Känguru zugleich ein Missverständnis und die<br />

Aufklärung eines solchen.<br />

Die berühmtesten Missverständnisse wurden medial verbreitet —<br />

etwa jenes, welches zur vorzeitigen Maueröffnung geführt hat.<br />

Günther Schabowski, damals SED-Funktionär, verlas auf einer<br />

Pressekonferenz am 9. November 1989 die neuen Reisebesti<strong>mm</strong>ungen<br />

für DDR-Bürger, die allerdings erst vier Uhr nachts in<br />

Kraft treten sollten. Schabowski verkündete stattdessen die sofortige<br />

Grenzöffnung und die Geschichte nahm ihren Lauf.<br />

Nicht nur die verbale Ko<strong>mm</strong>unikation bietet Raum für Missverständnisse,<br />

auch non-verbale Zeichensprache macht das Verstehen<br />

nicht i<strong>mm</strong>er leichter — besonders zwischen Menschen<br />

verschiedener <strong>Kultur</strong>- und Sprachräume. Ein gutes Beispiel ist<br />

die so genannte „Ring-Geste“, bei der Daumen und Zeigefinger<br />

einen Kreis formen. In Deutschland oder auch in Nordamerika<br />

wird damit signalisiert, dass etwas perfekt oder zumindest okay<br />

sei, während Franzosen, Italiener und Belgier angesichts dieser<br />

Geste beleidigt reagieren würden. In diesen Ländern bedeutet sie<br />

nämlich: „Du bist eine totale Null.“<br />

Aber, damit wir uns nicht missverstehen, auch die Dauerausstellung<br />

des Museums ist empfehlenswert. Schrilles Telefonklingeln,<br />

unverständliche Lautsprecheransagen und Auszüge aus histori-<br />

schen Fernsehbeiträgen hallen ununterbrochen durch die drei<br />

Stockwerke des prachtvollen hundert Jahre alten Gebäudes.<br />

Zeitgemäß stellt es nicht nur Exponate aus, sondern spielt mit<br />

Erwartungshaltungen der Besucher. Besonderes Ziel des Museums<br />

ist es, Ko<strong>mm</strong>unikation zu ermöglichen. Diesem Anspruch<br />

gerecht zu werden, gelingt mit vielen interaktiven Installationen<br />

bereits im Erdgeschoss.<br />

Den Anfang machen drei ko<strong>mm</strong>unizierende Roboter, die im Lichthof<br />

emsig ihre Runden drehen. Die kleinen Brüder von R2-D2<br />

aus Star Wars unterbrechen ihren Lauf sofort, wenn ein Mensch<br />

die Szene betritt: „Ko<strong>mm</strong> rein“, der erste Roboter, begrüßt die<br />

Besucher. Sein Bruder „Mach was“ lädt zum Fußballspiel ein.<br />

Der Dritte im Bunde, „Also gut“, informiert über die Geschichte<br />

des Gebäudes. Weitere Installationen reagieren auf Knopfdruck:<br />

So erklingt zum Beispiel eine ganze Horde Telefone. Wenn man<br />

die Hörer abni<strong>mm</strong>t, sind von früheren Besuchern aufgeno<strong>mm</strong>ene<br />

Botschaften zu hören. Außerdem brüllen Lautsprecher unverständliche<br />

Ansagen — ständige Ko<strong>mm</strong>unikationsangebote.<br />

Besucher des Museums werden aber nicht nur zur ständigen<br />

Ko<strong>mm</strong>unikation aufgefordert, sondern erfahren auch viel — zum<br />

Beispiel über die technische Entwicklung der Ko<strong>mm</strong>unikaton seit<br />

dem 19. Jahrhundert,<br />

vor allem<br />

über Post,<br />

Nachrichtendienst<br />

im Krieg<br />

und Teleko<strong>mm</strong>unikation.<br />

Ein<br />

Highlight ist die „Begrüßungsko<strong>mm</strong>itee“ des Museums<br />

so genannte<br />

Schatzka<strong>mm</strong>er<br />

im Untergeschoss. In dieser werden die wertvollsten Exponate<br />

des Museums ausgestellt, darunter die ersten Telefonapparate<br />

von Philipp Reis und die berühmtesten Briefmarken der Welt: die<br />

Blaue und die Rote Mauritius. Außerdem präsentiert das Museum<br />

neben traditionellen Ausstellungsstücken wie Briefumschlägen<br />

und Postkarten umfangreiche Sa<strong>mm</strong>lungen alter Schreibutensilien,<br />

Stempel und Telegraphen. Das ist zwar nicht „Alles, was Gott<br />

erschaffen hat“, wie die erste von Samuel Morse 1844 im Punkt-<br />

Strich-Code telegrafierte Botschaft lautet, aber ziemlich viel von<br />

dem, was die Mediengeschichte zu bieten hat. n<br />

8 http://www.museumsstiftung.de<br />

Die Wechselausstellung wird derzeit im Museum für<br />

Ko<strong>mm</strong>unikation in Frankfurt am Main gezeigt.

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