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Kultur- Reportage: 35 mm Kontrovers: siche- - Martin-Luther ...

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Von Katja Berg<br />

„Die denken, ich bin russisch…“<br />

Von einer, die auszog, zwei Wahrheiten zu finden<br />

enn Nadja Hagen von Russland erzählt, huscht ein Lächeln<br />

über ihr Gesicht und die Augen beginnen zu strahlen.<br />

Ihre Begeisterung für dieses Land lässt sich kaum<br />

verbergen und langsam beko<strong>mm</strong>t man einen Eindruck<br />

davon, dass Russland weit mehr zu bieten hat als Putin und Vodka.<br />

Nadja Hagen hat das Wintersemester 2007/08 in Ufa, etwa 100<br />

km westlich des Urals, verbracht. Dass sie während ihres Studiums<br />

einmal ins Ausland gehen würde, stand für die MuK-Studentin<br />

mit den Nebenfächern Politikwissenschaft und Slavistik<br />

ebenso fest, wie dass es Russland sein würde. Die Entscheidung<br />

für Ufa – eine Stadt mit einer Fläche von mehr als 750 qkm und<br />

„Ich wollte unbedingt in Russland studieren, um<br />

die Sprache besser zu lernen.“<br />

knapp über einer Million Einwohnern – ist dabei kein Zufall.<br />

Bereits 2006 war sie im Rahmen eines Jugendaustausches für<br />

drei Wochen dort. Genug Zeit, um festzustellen, dass sie ihr<br />

Auslandssemester genau hier verbringen wollte. „Ich habe in<br />

den drei Wochen viele nette Leute kennen gelernt und wollte<br />

unbedingt nach Russland, um die<br />

Sprache besser zu lernen. Da war<br />

Ufa genau richtig. In Moskau gibt<br />

es einfach zu viele Deutsche“, erzählt<br />

die 22-Jährige. Dass die Universität<br />

Ufas eine Partneruni der<br />

MLU ist, und die für Russland üblichen<br />

Studiengebühren so entfielen,<br />

war für die Entscheidung <strong>siche</strong>r nur zuträglich, auch wenn sich<br />

der Unibesuch als komplizierter herausstellte als vermutet. „Das<br />

russische Studiensystem ist ganz anders als das deutsche. Es<br />

gibt dort keine Semester, sondern nur Studienjahre. Deshalb<br />

hätte ich auch keine Scheine machen können.“ Aus diesem<br />

Grund belegte Nadja Hagen anfangs alle Seminare, die ihr interessant<br />

erschienen. „Wo ich was verstanden habe, hab ich<br />

mir ein Kreuz gemacht – da kannste wieder hingehen“,<br />

lacht sie. Dabei stellte sich die russische Sprache nicht<br />

nur in der Uni als Hindernis heraus. „Am meisten habe<br />

ich wohl meine eigene Lernfähigkeit überschätzt.<br />

Die Leute sprechen teilweise zu<br />

schnell, mit Dialekt oder nuscheln. Da<br />

ko<strong>mm</strong>t es schon vor, dass man selbst<br />

nach drei Monaten in Russland i<strong>mm</strong>er<br />

Darf im Touristenprogra<strong>mm</strong> nicht<br />

fehlen: die Basilius Kathedrale auf<br />

dem Roten Platz in Moskau<br />

noch nur Bahnhof<br />

versteht.“ Und dann<br />

fügt sie grinsend<br />

hinzu: „Die Leute<br />

hören meinen Namen:<br />

Nadja. Die denken,<br />

ich bin russisch und reden<br />

einfach drauf los.“<br />

Entspannung<br />

Dann erzählt sie von den Menschen, die so gastfreundlich seien,<br />

dass sie selbst von dem ‚Nichts’, das sie besitzen i<strong>mm</strong>er<br />

noch etwas abgeben würden. Aber auch von den Markthallen<br />

mit den endlosen Obst- und Käseständen und den Tierhälften,<br />

die dort hingen und – zum Beweis, dass sie frisch seien – erst<br />

auf Bestellung zerteilt würden. Dabei gestikuliert sie wild und<br />

in ihrer Euphorie sprudeln i<strong>mm</strong>er wieder russische Wortfetzen<br />

aus ihr heraus, die ich zwar nicht verstehe, aber durch ihre Mimik<br />

und Gestik durchaus zu deuten weiß. Auf meine Frage, ob<br />

es ihrer Meinung nach viele Vorurteile gegen Russland gebe,<br />

wird die quirlige, junge Frau plötzlich nachdenklich und nickt<br />

entschlossen: „In Deutschland, generell im Westen, gibt es starke<br />

Vorurteile gegenüber Russland, was durch die Medien noch<br />

verstärkt wird.“ Wenn man einmal dort gewesen sei, würde man<br />

jedoch alles völlig anders wahrnehmen. „Man sieht schon noch<br />

mit westlichen Augen, aber man lernt auch zwei Wahrheiten<br />

kennen. Man versteht Land und Leute einfach besser“, sagt<br />

sie.<br />

An ihren Ohren baumeln kleine Matroschka-Anhänger, die im<br />

Takt ihres Kopfes hin und her wippen. Während ich mich noch<br />

frage, ob sie wohl ein Mitbringsel aus Russland sind, erzählt die<br />

Studentin von ihrem Praktikum. „Im Januar war das Semester<br />

in Ufa vorbei und anstelle von Scheinen wollte ich irgendetwas<br />

Die schnellste Zugverbindung von Ufa<br />

nach Moskau: 27 Stunden.<br />

mitbringen.“ So kam es, dass sie für einen Monat beim Fernsehsender<br />

Deutsche Welle hinter die Kulissen blicken durfte.<br />

(Nachdem sie mit der schnellsten Zugverbindung – 27 Stunden<br />

Fahrt! – von Ufa nach Moskau reiste.) „Das war ziemlich spannend,<br />

da es genau die Zeit vor der Wahl war. Der Producer hat<br />

deshalb viele Interviews geführt und mich oft mitgeno<strong>mm</strong>en“,<br />

erzählt Hagen. Nicht zuletzt hätte ihr das Praktikum und überhaupt<br />

die gesamte Zeit in Russland bewiesen, dass es für sie<br />

durchaus denkbar wäre, später für längere Zeit dort zu leben.<br />

Und zum Schluss sagt sie: „Ich wünsche mir einfach, dass ich<br />

es mitgeno<strong>mm</strong>en habe, die Dinge entspannter zu sehen, so wie<br />

die Russen es tun.“n<br />

Weit wegn<br />

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