Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
18<br />
KOLUMNE<br />
Mirko!<br />
Das blöde Gefühl im Bauch – nicht<br />
nur vom Essen<br />
Mirko verbrachte den Jahreswechsel mit seiner<br />
Familie und erzählt von Bubbles und vom Real Life.<br />
<strong>CRUISER</strong> FEBRUAR <strong>2017</strong><br />
VON Mirko<br />
J<br />
etzt bin ich schon ein halbes Jahr do<br />
mit minere Story. Äbe, ich wohne in<br />
Dietikon, bin also ein Scheiss-Agglo.<br />
Und davon will ich nun was erzählen, von<br />
der Bubble und vom Real Life. Meine Eltern<br />
kamen aus Kroatien damals und mein<br />
Vater war der Jugo mit dem Trainingsanzug,<br />
über den ihr Witz gmacht händ. Ja, ich<br />
wohne immer noch bei meinen Eltern und<br />
in den letzten Wochen kam unsere Familie<br />
häufiger zusammen. Wir hatten noch Besuch<br />
aus Kroatien und es gab viel zu viel zu<br />
essen, Pasticada, Sarma und Fritule bis<br />
zum Abwinken. Es wird ja in den Tagen vor<br />
allem gekocht und gegessen. Und viel geredet<br />
– über die Hungerlöhne da in den Fabriken,<br />
wo deine Klamotten genäht werden<br />
in Kroatien, und nicht nur die billigen,<br />
auch die ganz teuren, auch die mit dem roten<br />
Faden am Anzug. Da ging’s so drum,<br />
während wir uns die Bäuche vollschlugen.<br />
Schon krass. Verstohsch, warum ich denn<br />
nöd über LGBT-Rechte diskutieren wött?<br />
Irgendwie chunnt zerscht s Ässe und denn<br />
irgendwenn alles anderi. Oder die Wärme<br />
halt, wenn ich höre, dass meinen Leuten da<br />
in der Kälte vielleicht dann doch bald der<br />
Strom abgestellt wird, weil sie mit den Zahlungen<br />
hintendrein sind. Ok, grad so in<br />
diesen Tagen bei uns liessen wir es uns gut<br />
gehen. Wenn ich so denke, wie meine Eltern<br />
damals in den 90ern hierher gekommen<br />
sind, haben wir’s ja in der Schweiz<br />
sauber hingekriegt. Aber so ganz waren<br />
unsere Verwandten in den Tagen nicht bei<br />
uns, denn ihri Wält isch definitiv kei Ponyhof.<br />
Weisch, ich sass da, auf dem Tisch das<br />
Weihnachtslicht mit dem frischen, grünen<br />
Weizen darumhin, den meine Mutter am<br />
Barbaratag eingelegt hatte, und dachte:<br />
Kroatien isch grad da um de Egge, aber die<br />
Probleme sind schon anders. Irgendwie ein<br />
Kroatien isch grad da um de<br />
Egge, aber die Probleme sind<br />
schon anders.<br />
blödes Gefühl im Bauch und das nicht nur,<br />
weil das Essen einfach zu lecker und zu viel<br />
war. Meine Leute da überlegen sich nicht, ob<br />
sie gendergerecht schreiben, mit Stärnli<br />
oder Underline oder beidem kombiniert mit<br />
em grosse I au no grad dezwüsche. Die überlegen<br />
sich nur, ob sie den Strom für den<br />
nächsten Monat noch bezahlen können,<br />
während sie vom Morge, wenn’s no dunkel<br />
isch bis am Obig, wenn’s au scho wieder<br />
Nacht isch, die Anzüge mit dem roten Faden<br />
nähen – Made in EU, merksch öppis?<br />
Paaah, grad e bitz e Bombe so Aafang<br />
Johr, he. Aber ich ha’s gschriibe im September,<br />
ich bin froh, dass ich noch am Real Life<br />
beteiligt bin, nicht Teil der Bubble bin. Das<br />
bringt mich weiter. Von einer anderen Bubble<br />
konnte ich meine Augen kaum losreissen.<br />
Wow. Min Cousin han i scho länger nüm<br />
gseh. What a bubble ass. Ach, vergiss es. Das<br />
isch Family.<br />
Ich kann ja switchen. Ich habe die Familie<br />
mit allem drum und dran, was ich geil<br />
finde. Ich hab meine Arbeit, de Chole, damit<br />
ich mir ab und zu auch Züri leisten kann –<br />
und Grindr liefert mir auch schön den Spass,<br />
den ich nach der Arbeit brauche. Alles<br />
beschtens greglet. Aber da kommt mir die<br />
andere Bubble wieder d’Sinn: Häsch überleit,<br />
was de Cousin macht, falls er schwul<br />
isch da in Kroatien? Hot ass und Fuessballspieler,<br />
aber wenn das nüt wird mit der Fussballkarriere,<br />
was dänn? Azüüg mit rotem<br />
Fade nähen und dann die Stromrechnung<br />
nicht bezahlen können. D’Homoehe hends<br />
jo scho mol verbote, z’Kroatie. Bi üs hend<br />
80% vo de Zürcher nein gesagt zu sonem<br />
Verbot. Scho andersch. Und wenn’s öppis<br />
würd met de Fuessballkarriere? Wäre er<br />
dann der erste aktivi schwuli Spitzefuessballer?<br />
Oder würd er au nüt säge, so wie ich?