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CRUISER_Februar_2017_LowRes_Einzelseiten

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KOLUMNE<br />

Mirko!<br />

Das blöde Gefühl im Bauch – nicht<br />

nur vom Essen<br />

Mirko verbrachte den Jahreswechsel mit seiner<br />

Familie und erzählt von Bubbles und vom Real Life.<br />

<strong>CRUISER</strong> FEBRUAR <strong>2017</strong><br />

VON Mirko<br />

J<br />

etzt bin ich schon ein halbes Jahr do<br />

mit minere Story. Äbe, ich wohne in<br />

Dietikon, bin also ein Scheiss-Agglo.<br />

Und davon will ich nun was erzählen, von<br />

der Bubble und vom Real Life. Meine Eltern<br />

kamen aus Kroatien damals und mein<br />

Vater war der Jugo mit dem Trainingsanzug,<br />

über den ihr Witz gmacht händ. Ja, ich<br />

wohne immer noch bei meinen Eltern und<br />

in den letzten Wochen kam unsere Familie<br />

häufiger zusammen. Wir hatten noch Besuch<br />

aus Kroatien und es gab viel zu viel zu<br />

essen, Pasticada, Sarma und Fritule bis<br />

zum Abwinken. Es wird ja in den Tagen vor<br />

allem gekocht und gegessen. Und viel geredet<br />

– über die Hungerlöhne da in den Fabriken,<br />

wo deine Klamotten genäht werden<br />

in Kroatien, und nicht nur die billigen,<br />

auch die ganz teuren, auch die mit dem roten<br />

Faden am Anzug. Da ging’s so drum,<br />

während wir uns die Bäuche vollschlugen.<br />

Schon krass. Verstohsch, warum ich denn<br />

nöd über LGBT-Rechte diskutieren wött?<br />

Irgendwie chunnt zerscht s Ässe und denn<br />

irgendwenn alles anderi. Oder die Wärme<br />

halt, wenn ich höre, dass meinen Leuten da<br />

in der Kälte vielleicht dann doch bald der<br />

Strom abgestellt wird, weil sie mit den Zahlungen<br />

hintendrein sind. Ok, grad so in<br />

diesen Tagen bei uns liessen wir es uns gut<br />

gehen. Wenn ich so denke, wie meine Eltern<br />

damals in den 90ern hierher gekommen<br />

sind, haben wir’s ja in der Schweiz<br />

sauber hingekriegt. Aber so ganz waren<br />

unsere Verwandten in den Tagen nicht bei<br />

uns, denn ihri Wält isch definitiv kei Ponyhof.<br />

Weisch, ich sass da, auf dem Tisch das<br />

Weihnachtslicht mit dem frischen, grünen<br />

Weizen darumhin, den meine Mutter am<br />

Barbaratag eingelegt hatte, und dachte:<br />

Kroatien isch grad da um de Egge, aber die<br />

Probleme sind schon anders. Irgendwie ein<br />

Kroatien isch grad da um de<br />

Egge, aber die Probleme sind<br />

schon anders.<br />

blödes Gefühl im Bauch und das nicht nur,<br />

weil das Essen einfach zu lecker und zu viel<br />

war. Meine Leute da überlegen sich nicht, ob<br />

sie gendergerecht schreiben, mit Stärnli<br />

oder Underline oder beidem kombiniert mit<br />

em grosse I au no grad dezwüsche. Die überlegen<br />

sich nur, ob sie den Strom für den<br />

nächsten Monat noch bezahlen können,<br />

während sie vom Morge, wenn’s no dunkel<br />

isch bis am Obig, wenn’s au scho wieder<br />

Nacht isch, die Anzüge mit dem roten Faden<br />

nähen – Made in EU, merksch öppis?<br />

Paaah, grad e bitz e Bombe so Aafang<br />

Johr, he. Aber ich ha’s gschriibe im September,<br />

ich bin froh, dass ich noch am Real Life<br />

beteiligt bin, nicht Teil der Bubble bin. Das<br />

bringt mich weiter. Von einer anderen Bubble<br />

konnte ich meine Augen kaum losreissen.<br />

Wow. Min Cousin han i scho länger nüm<br />

gseh. What a bubble ass. Ach, vergiss es. Das<br />

isch Family.<br />

Ich kann ja switchen. Ich habe die Familie<br />

mit allem drum und dran, was ich geil<br />

finde. Ich hab meine Arbeit, de Chole, damit<br />

ich mir ab und zu auch Züri leisten kann –<br />

und Grindr liefert mir auch schön den Spass,<br />

den ich nach der Arbeit brauche. Alles<br />

beschtens greglet. Aber da kommt mir die<br />

andere Bubble wieder d’Sinn: Häsch überleit,<br />

was de Cousin macht, falls er schwul<br />

isch da in Kroatien? Hot ass und Fuessballspieler,<br />

aber wenn das nüt wird mit der Fussballkarriere,<br />

was dänn? Azüüg mit rotem<br />

Fade nähen und dann die Stromrechnung<br />

nicht bezahlen können. D’Homoehe hends<br />

jo scho mol verbote, z’Kroatie. Bi üs hend<br />

80% vo de Zürcher nein gesagt zu sonem<br />

Verbot. Scho andersch. Und wenn’s öppis<br />

würd met de Fuessballkarriere? Wäre er<br />

dann der erste aktivi schwuli Spitzefuessballer?<br />

Oder würd er au nüt säge, so wie ich?

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