Energie und Baudenkmal 1 Gebäudehülle
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Gründächer<br />
Gründächer sind mit Erdreich bedeckte <strong>und</strong> bepflanzte<br />
Warmdächer. Der Bau von bepflanzten Flachdächern<br />
erfuhr in Europa <strong>und</strong> Amerika in der zweiten Hälfte des<br />
19. Jahrh<strong>und</strong>erts zum ersten Mal in der Geschichte eine<br />
weite Verbreitung, vor allem dank der Entwicklung des<br />
Holzzementdachs. So besass Berlin um 1900 mehr als<br />
2 000 begrünte Flachdächer. Einen neuen Impuls erhielt<br />
dieser Dachtyp mit der Verbreitung des Eisenbetons. Le<br />
Corbusier schrieb dazu 1921: «Dieses [Flachdach] muss<br />
einerseits wohnbar gemacht werden, anderseits bedarf<br />
das Dach eines Schutzes. Dies wird erreicht durch Anlegen<br />
eines Gartens, welcher einen Ausgleich gegen die<br />
Aussentemperatur schafft. Auf die Dachisolation kommt<br />
eine regenfeuchte Sandschicht, die mit Betonplatten<br />
abgedeckt wird; die Fugen können mit Rasen bewachsen<br />
sein. Die Erde in den betonierten Blumenbeeten verlangt<br />
eine direkte Verbindung mit der Sandschicht. Die<br />
Wasserabläufe sind im Innern des Gebäudes. Auf diese<br />
Weise erstellte Terrassen lassen das Regenwasser äusserst<br />
langsam abfliessen <strong>und</strong> erreichen eine andauernde Feuchtigkeit<br />
auf dem Dache.» 1<br />
Kontrollzwecken zugänglich war. Für gedämmte Dächer<br />
ändert sich die Situation.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich gehört aber die Erhaltung eines technischen/konstruktiven<br />
Systems <strong>und</strong> seiner Funktionsweise<br />
(z.B. Kaltdach) ebenso zu den denkmalpflegerischen<br />
Zielen wie die Erhaltung von Substanz <strong>und</strong><br />
Erscheinung.<br />
l <strong>Gebäudehülle</strong><br />
Umkehrdach<br />
Das Umkehrdach ist ein einschaliges, nicht belüftetes<br />
Flachdach oder auch ein schwach geneigtes Dach. Im<br />
Unterschied zum konventionellen Warmdach liegt die<br />
Wärmedämmung auf der Aussenseite der Dachabdichtung.<br />
Das Umkehrdach ist eine typische Sanierungsvariante.<br />
Die Wärmedämmung erhält eine doppelte Funktion:<br />
Sie dient der Wärmedämmung, <strong>und</strong> sie schützt die<br />
Dachhaut vor grossen Temperaturschwankungen, vor<br />
UV-Strahlung <strong>und</strong> vor mechanischen Beanspruchungen<br />
während der Bau- <strong>und</strong> Nutzungsphase. Häufiger Dachaufbau<br />
(von unten nach oben): Betondecke, Dachhaut,<br />
Dämmung, Vlies <strong>und</strong> Kiesschüttung. Da das Dämmmaterial<br />
der Feuchtigkeit (Regen, Schnee) ausgesetzt ist,<br />
muss es geschlossenporig <strong>und</strong> dicht sein. Extrudiertes<br />
Polystyrol (XPS) <strong>und</strong> Schaumglas gehören zu den geschlossenporigen<br />
Dämmmaterialien.<br />
9.5 Belüftetes Dach (Kaltdach)<br />
Mit stabförmigen Tragelementen konstruierte Dächer<br />
hingegen wurden oft als Kaltdächer ausgebildet. Das<br />
Kaltdach unterscheidet sich vom Warmdach durch eine<br />
Belüftungsschicht zwischen der Wärmedämmung <strong>und</strong><br />
der Abdichtung, sodass beispielsweise Kondensate<br />
auf der Kaltseite der Dämmung austrocknen können.<br />
Besonders die feuchtempfindlichen Holzdächer konnten,<br />
wurden sie als Kaltdächer ausgebildet, besser gewartet<br />
werden. Nicht selten wurde diese Unterlüftung zu einem<br />
eigentlichen Kriechraum geformt, damit das Dach zu<br />
Aufbau des Kaltdachs (Abb. 101)<br />
Rudolf Gabarel, Kleinkinderschule Davos, 1933,<br />
unterlüftetes Dach (Abb. 102)<br />
Nicht alle belüfteten Dächer funktionieren, vor allem<br />
wenn durch die Dämmung die Belüftungsquerschnitte<br />
verkleinert werden. Das entscheidende Manko<br />
der Flachdachbelüftung ist das Fehlen des Höhenunterschieds<br />
für einen guten thermischen Auftrieb.<br />
Es wurde festgestellt, dass die Belüftung Kondensate<br />
infolge Dampfkonvektion durch Leckagen <strong>und</strong><br />
<strong>und</strong>ichte Anschlüsse verstärkt. Wie schon für andere<br />
Bauteile festgestellt wurde, ist es auch hier so, dass<br />
das Verdunstungspotenzial raumwärts ausgeschöpft<br />
werden muss. Obschon aus denkmalpflegerischer<br />
Sicht die Erhaltung des ursprünglichen Kaltdachsystems<br />
angestrebt wird, gibt es Fälle, in denen es<br />
zugunsten der Sicherheit aufgegeben werden muss<br />
(Entscheid durch Fachleute am konkreten Objekt).<br />
1) Le Corbusier, Vers une<br />
architecture, 1921<br />
<strong>Energie</strong> <strong>und</strong> <strong>Baudenkmal</strong> – <strong>Gebäudehülle</strong> – V1 – 2014<br />
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