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SPORTaktiv Juni 2017

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FOTO: istock<br />

Früher war es Jägerlatein an<br />

Stammtischen und in Vereinslokalen.<br />

Wie schnell warst<br />

du? Welche Zeit hast du? Da<br />

konnte man schon einmal kräftig<br />

übertreiben, Fabelzeiten erfinden und<br />

Heldenstatus unter seinen Kollegen<br />

erlangen. Angeberei ist in Zeiten von<br />

GPS vorbei, jetzt wachen Sportuhren<br />

wie Garmin, Polar und Suunto und<br />

eine Heerschar von Satelliten über unsere<br />

Leistungen. Und die lügen nicht.<br />

Viele Internetseiten und Apps<br />

sind in den letzten Jahren aus dem Boden<br />

geschossen, die diese GPS-Daten<br />

grafisch auf Kartenmaterial darstellen<br />

und vergleichbar machen. Als Nummer<br />

eins unter den sozialen Plattformen<br />

für (Rad-)Sportler hat sich der<br />

US-Anbieter Strava etabliert (siehe Kästen<br />

rechts unten). Und so heißt es statt<br />

frei erfundenem Jägerlatein nun: „If it’s<br />

not on strava, it didn’t happen.“ Zeige<br />

deine Daten, oder keiner glaubt es.<br />

Landauf, landab rittern nun vornehmlich<br />

Rennradfahrer und Mountainbiker<br />

(unter Läufern ist die Plattform<br />

noch nicht so präsent) um<br />

Bestzeiten auf völlig frei wählbaren<br />

Segmenten. Der Schnellste bekommt<br />

als Prämie eine virtuelle Krone zu seinem<br />

Usernamen und die Bezeichnung<br />

„King of the Mountain“ (König der Berge),<br />

oder kurz KOM. Die schnellste<br />

Dame ist die „Queen of the Mountain“.<br />

PROFIS GEGEN AMATEURE<br />

Dieses Phänomen greift unter Hobbysportlern<br />

genauso um sich wie unter<br />

Profis. Leistungen werden vergleichbar.<br />

Rund um seine Heimatstadt<br />

Lienz etwa ist Mountainbike-Marathon-Weltmeister<br />

Alban Lakata sehr<br />

aktiv und Inhaber vieler KOMs, an denen<br />

sich dort die Ehrgeizigen (erfolglos)<br />

messen. Rund um Innsbruck sind<br />

es die Downhiller und Enduro-Kaiser,<br />

die auf steilsten Abfahrten mit ihren<br />

Daten für Staunen sorgen. Rund um<br />

Graz haben die beiden Radprofis<br />

Stephan Rabitsch und Georg Preidler<br />

viele Daten und Kronen gesammelt.<br />

Wobei man natürlich nie weiß, ob die<br />

Jungs gerade voll Stoff geben, dass sich<br />

die Pedale biegen oder freihändig fahrend<br />

eine Banane abschälen.<br />

Auch von den Profirennen wie Paris-Roubaix,<br />

dem Giro oder der Tour de<br />

France gibt es beeindruckende Werte<br />

GENERATION<br />

STRAVA<br />

Weltweit nutzen Sportler die GPS-App Strava, um ihre<br />

Leistungen zu messen und zu vergleichen. Auch in Österreich<br />

wird es unter Profis und Hobbyradsportlern immer<br />

beliebter. Die Jagd nach „Kronen“ und Bestzeiten macht<br />

Spaß – hat aber auch einige Schattenseiten.<br />

TEXT: Christoph Heigl<br />

und Zahlen. Laut Strava verwenden<br />

weltweit mehr als 600 Profisportler<br />

diese Plattform, insgesamt waren es im<br />

letzten Jahr 304 Millionen Aktivitäten.<br />

In Österreich, Deutschland und der<br />

Schweiz hat Strava rund eine Million<br />

User, eine genauere Zahl wird nicht<br />

veröffentlicht. Sehr wohl haben wir<br />

auf Anfrage andere interessante, Österreich-spezifische<br />

Daten bekommen –<br />

siehe Seite 71.<br />

Der Hobby-Kurbler freut sich,<br />

wenn er irgendwo in einer Bestenliste<br />

vor einem Profi oder bekannten Namen<br />

aufscheint. Als Anerkennung geben<br />

sich die Sportler gegenseitig „Kudos“,<br />

das ist der „Daumen hoch“ in der<br />

Strava-Welt.<br />

NICKNAMES UND PSEUDO-PROFILE<br />

Tierisch ernst darf man Strava und die<br />

Jagd nach Bestzeiten aber nicht nehmen.<br />

Davon zeugen allein schon die<br />

witzigen Nicknames und Pseudo-Profile.<br />

Man ist nicht zum wahren Namen<br />

verpflichtet. Rund um Los Angeles hält<br />

beispielsweise ein gewisser „Axl Rose“<br />

einige Bestzeiten. Man darf getrost ausschließen,<br />

dass es sich dabei um den<br />

Sänger von Guns’n’Roses handelt.<br />

Zudem machen sich Strava-Nutzer<br />

einen Spaß daraus, ihre Trainingseinheiten<br />

mit lustigen Namen<br />

und kreativen Fotos zu zieren. „Heim<br />

zur Mutti“ kann ein Track genauso heißen<br />

wie „Kaffee bei der Ex“, „Leiden<br />

ohne Ende“, „Welcome to the Jungle“<br />

oder „Ab in den Süden“. Auch bei den<br />

Segmenten gibt es keine Regeln, sie<br />

können viele, viele Kilometer lang sein<br />

oder kurz wie ein Zebrastreifen oder<br />

eine Fußgängerunterführung („Vorsicht,<br />

Stiiiiiiiege“). Und zur Klarstellung:<br />

Im „Real Life“, im Gelände oder<br />

in der Stadt, sieht man den Beginn und<br />

das Ende der Segmente natürlich<br />

nicht, man kann sie aber auf den Karten<br />

und der App fast auf den Meter genau<br />

identifizieren.<br />

DIE BESTZEIT IM KOPF<br />

Im Königreich der virtuellen Kronen<br />

gibt es aber auch ein paar Schattenseiten<br />

und ein paar Punkte, die zum<br />

Nachdenken anregen. Erstens gibt es<br />

viele, die beim Sport einfach nur das<br />

Gefühl des Freiseins und keinerlei<br />

Leistungsdruck spüren wollen. Die<br />

verzichten gerne auf Pulsmesser,<br />

Tacho und sonstigen technischen<br />

Schnickschnack. Und zweitens regt<br />

die Jagd nach Bestzeiten auch zum Rasen<br />

und rücksichtslosen Fahren an.<br />

Vor allem bei Mountainbikern im Gelände<br />

soll es da schon zu bösen Unfällen<br />

oder Konflikten mit Wanderern gekommen<br />

sein, wenn man als „Segment<br />

Hunter“ den Trail oder die Forststraße<br />

auf der Jagd nach dem KOM mit einer<br />

Rennstrecke verwechselt. In Deutschland<br />

gab es Fälle, wo sich Justizorgane<br />

und Forstbedienstete selbst als User<br />

Nr. 3; <strong>Juni</strong>/Juli <strong>2017</strong><br />

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