Rundbrief 1-2010 - Verband für sozial-kulturelle Arbeit
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gestiegen. Was sie nicht wussten, war, dass diese Räume<br />
zu der Kinder-, Eltern- und Senioreneinrichtung gehörten,<br />
die sie bei der Schule angemietet hatte. In einem Raum<br />
waren Gegenstände von einer Seniorengruppe gelagert,<br />
die einbrechenden Jugendlichen fanden z.B. einen Ghettoblaster<br />
und mehrere Kisten mit Sekt.<br />
Die Leiterin dieser Kinder-, Eltern- und Senioreneinrichtung<br />
ist eine sehr gute Pädagogin, beim öffentlichen Träger<br />
angestellt, aber sehr kommunikationsbereit und uns<br />
sehr zugewandt. Wir haben es geschafft, über das Team<br />
von Elke, Stephan und Steffen, diese Jugendgruppe, die<br />
dort eingestiegen ist, so zu beackern, dass die bereit<br />
waren, sich zu entschuldigen, was eine riesengroße Geste<br />
war. Es hat Ewigkeiten gedauert, bis es zu diesem Termin<br />
gekommen ist, bis die endlich mal erschienen sind.<br />
Jetzt kommt der Hintergrund dieser Geschichte, warum<br />
die Senioren und Ines, die Leiterin, so erbost waren: Die<br />
Sektfl aschen hatten eine rituelle Bedeutung, weil das<br />
eine Seniorengruppe von krebskranken Patienten war.<br />
Wenn ein Mitglied aus der Gruppe gestorben war, haben<br />
sie eine Sektfl asche geöffnet. Als den jungen Menschen<br />
das erklärt wurde, waren sie sehr schwer betroffen. Damit<br />
hatte niemand gerechnet, dass da so ein Hintergrund sein<br />
könnte. Das hat bei denen so viel bewegt, dass sich alle<br />
Beteiligten mittlerweile in die Augen schauen können, sie<br />
grüßen sich freundlich, also da ist einfach Beziehungsarbeit<br />
passiert, weil die Schwellen abgebaut wurden. Das<br />
kann man fördern und das ist auch Stadtteilarbeit, nämlich<br />
den Kiez zu entanonymisieren.<br />
Stephan Preschel: Im Rahmen dieses Prozesses hatten<br />
wir außer diesem Film noch ein paar andere Ideen. Es<br />
gab zum Beispiel im Rahmen des runden Tisches die<br />
Idee eines Subotniks. Ein Subotnik ist ein freiwilliger<br />
<strong>Arbeit</strong>seinsatz. Mit den Kindern, den Jugendlichen und<br />
den verschiedenen Institutionen gemeinsam sollten an<br />
einem bestimmten Tag auf diesem Areal der Müll und die<br />
Schmierereien beseitigt werden. Das wurde auch erfolgreich<br />
durchgeführt.<br />
Stephan Preschel: Das Tolle war, dass die Rentner der<br />
Senioreneinrichtung da <strong>für</strong> die Jugendlichen gegrillt und<br />
Kuchen gebacken haben. Und nach diesem <strong>Arbeit</strong>seinsatz<br />
haben sie alle gemeinsam gegessen und miteinander<br />
geredet. Das war eigentlich das Schönste an diesem<br />
Tag, weil er das gebracht hat, was wir wollten, nämlich<br />
Kommunikation.<br />
Elke Ostwaldt: Das waren nicht Unmengen von Menschen,<br />
es waren auch nicht wahnsinnig viele Jugendliche,<br />
aber es war eine kleine Sache, die uns alle sehr<br />
zusammengeführt hat. Stand der Dinge heute: Dieser<br />
Platz wird im Moment von Jugendlichen überhaupt nicht<br />
genutzt, die Eltern und Kinder haben den Spielplatz wieder<br />
erobert, auf dem Sportplatz wird ganz normal Fußball<br />
gespielt. Das geht in der Regel ziemlich gut, weil da<br />
die albanischen Väter auch mal <strong>für</strong> ein bisschen Ruhe<br />
sorgen. Und der Schulhof fehlt den Kindern, das muss<br />
man sagen. Die VHS war von dieser Zusammenarbeit so<br />
begeistert, dass sie eine Kollegin von uns, die in einem<br />
Schülerclub arbeitet, darum gebeten haben, zu kooperieren.<br />
Also insgesamt ist dieser Konfl ikt ganz gut ausgegangen.<br />
Aber im letzten Jahr um diese Zeit war es dort<br />
sehr heiß, und normalerweise ist diese Gegend ziemlich<br />
konfl iktbelastet.<br />
TN: Wo sind die Jugendlichen jetzt? Sie haben berichtet,<br />
wo alle anderen sind, aber die Jugendlichen fehlen.<br />
Elke Ostwaldt: Bei den Jugendlichen ist es ganz unterschiedlich.<br />
Es heißt ja immer: Integriert sie – im Notfall<br />
stellen wir euch auch einen Bus zur Verfügung, damit sie<br />
bleiben. Das hat natürlich gar nicht funktioniert. Aber es<br />
gibt andere Plätze, insofern ist das nur eine Verlagerung.<br />
Wenn die Jugendlichen sich jetzt nicht mehr auf dem<br />
„Harry Potter“ treffen und chillen, dann gehen sie in die<br />
Wuhlheide. In der Wuhlheide gibt es im Moment Treffen<br />
von über 150 Jugendlichen. Das sind oft Verlagerungen.<br />
Einige gehen dann in Jugendclubs, andere machen zum<br />
Beispiel dann Hip Hop-Musik, einige machen Graffi ti, also<br />
das ist ganz unterschiedlich. Und man kann jetzt nicht<br />
sagen, dass der ganze <strong>sozial</strong>e Raum befriedet ist, es geht<br />
im Moment einfach nur um diesen Platz, um den herum<br />
eine Entspannung erreicht wurde.<br />
Was zusammen gehört ... Jahrestagung 2009 31