Rundbrief 1-2010 - Verband für sozial-kulturelle Arbeit
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Freude über die deutsche Einheit von der nachfolgenden<br />
<strong>Arbeit</strong>slosigkeit zermahlen wurde, zumal die <strong>Arbeit</strong> im<br />
Osten <strong>sozial</strong> höher bewertet war und also das Schicksal<br />
des erzwungenen Nichtstuns mental verschärft erlitten<br />
wird. Sie hat es wirklich hart getroffen, und es ist kein<br />
Trost <strong>für</strong> sie zu wissen, dass 1990 nur zwei Prozent der<br />
DDR-Industrie weltmarktfähig und also überlebensfähig<br />
war. Da gibt es auch die geschürte Unzufriedenheit der<br />
<strong>sozial</strong> Abgestiegenen und Alimentierten durch die Linken<br />
und die Rechten. Apropos Linke. Gestatten Sie mir dazu<br />
einen kleinen Exkurs, da wir uns hier gerade in der Landeshauptstadt<br />
Potsdam befi nden.<br />
Wie Sie wissen, droht Rot-Rot im Lande Brandenburg.<br />
Vor zwanzig Jahren hielt ich es <strong>für</strong> völlig ausgeschlossen,<br />
jemals wieder von den Nachfahren der Einheitspartei<br />
regiert oder mitregiert zu werden. Für mich, <strong>für</strong> viele, die<br />
die SED und die, die sie geführt und getragen haben, nie<br />
wieder an der Macht sehen wollten, war und bleibt das<br />
der demokratische Lackmus-Test. Nun ist das Papier im<br />
Reagenzglas Brandenburg wieder rot, dunkelrot. Ministerpräsident<br />
Platzeck und die Brandenburger SPD sind wild<br />
entschlossen, die SED-Nachfolgepartei an die Teilhabe<br />
der Macht zu hieven. Der Teufel, der sie dabei reitet, ist<br />
der bundesweite Stimmen- und Bedeutungsverlust der<br />
SPD, den die <strong>sozial</strong>demokratischen Linken stoppen möchten<br />
durch ein Kuschelvorspiel und eine schlussendliche<br />
Vereinigung mit der postkommunistischen Linken. Statt<br />
panisch die Flucht nach vorn anzutreten, sollten sich die<br />
Sozialdemokraten auf die inhaltlich wie historisch wohl<br />
begründete Differenz zu den Kommunisten besinnen,<br />
haben sie doch ihre Erfahrungen mit denen gemacht: in<br />
der Weimarer Republik, bei der Zwangsvereinigung, den<br />
Verfolgungen danach, der Demontage Willy Brandts, um<br />
nur einiges zu nennen. Alles vergessen und vergeben?<br />
Vergessen die Vorgänge nach der deutschen Einheit: das<br />
trickreiche Mauscheln mit dem SED-Vermögen, der hinhaltende<br />
Widerstand gegen die Aufarbeitung der zweiten<br />
deutschen Diktatur, der Stimmenfang mit populistischem<br />
Schalmeienspiel und all die andere unglaubwürdige Anpassungsakrobatik?<br />
Vergessen auch, wer da in Brandenburg<br />
zur Machtteilhabe drängt? Der taktische Verzicht der sin-<br />
genden Prinzipalin auf ein Ministeramt ist so durchsichtig<br />
wie peinlich, wenngleich der Grund wenig überraschend<br />
ist: Auch sie diente der Staatssicherheit einst als Spitzel.<br />
Die anderen inoffi ziellen Stasi-Mitarbeiter an der Linkenspitze<br />
scheinen da nicht mehr zu zählen, auch dass die<br />
Mehrheit der linken Landtagsfraktion selbstverständlich<br />
früher schon Genosse war, stört nicht. Jedenfalls nicht<br />
im Lande Brandenburg, das der vormalige Ministerpräsident<br />
und einst als IM „Sekretär“ geführte Manfred Stolpe<br />
launisch als „kleine DDR“ bezeichnete. So ganz daneben<br />
lag und liegt er dabei nicht. Nach 15 Jahren Brandenburg-Erfahrung<br />
habe ich den Eindruck, nirgendwo sonst<br />
in Deutschland geht es derart ideologisch zu, nirgendwo<br />
sonst ist die Stimmung so politisch polarisiert, nirgendwo<br />
sonst gefällt man sich so in Geschichtsvergessenheit<br />
und nostalgischer Rückwendung, nirgendwo sonst wird<br />
die Demokratie so massiv geschmäht und die gewonnene<br />
Freiheit verschmäht wie hier. Und nicht zufällig installierte<br />
Brandenburg als letztes neues Bundesland einen Stasi-<br />
Beauftragten. Neulich sagte eine Buchhändlerin eine vereinbarte<br />
Lesung mit der Begründung ab, sie wolle keinen<br />
Ärger bekommen mit ihrer Hauptkundschaft. So weit sind<br />
wir gekommen. Stolpes langer Schlagschatten liegt noch<br />
immer über dem Land. Der gegenwärtige und zukünftige<br />
Ministerpräsident ist dessen politischer Ziehsohn, hielt<br />
ihm die Hand in schweren Tagen und meint nun, auch<br />
der Linken die Hand reichen zu müssen. Die zwei Hände<br />
im Emblem, das kennen wir schon. Und falls es an einem<br />
Parteinamen <strong>für</strong> die fi nale Fusion mangelt, so habe ich<br />
einen politisch probaten Vorschlag parat. Wie wäre es<br />
denn mit: Sozialistische Einheitspartei Deutschland? Das<br />
Kürzel da<strong>für</strong> lautet: SED.<br />
Doch weiter mit den Unzufriedenen. Da gibt es die ewigen<br />
Nostalgiker, die alle Vergangenheiten verklären und<br />
die prinzipiell früher alles besser fanden. Und da gibt es<br />
die enttäuschten illusionären Erwartungen, materiell wie<br />
ideell. Materiell war es eine märchenhafte Hoffnung, dass<br />
sich auf einen Schlag die Lebensverhältnisse im Osten auf<br />
das Westniveau heben würden, und das fatale Kanzlerwort<br />
von den blühenden Landschaften hat das seine dazu<br />
getan. Und ideell gibt es die, die das Ende der Revolution<br />
Was zusammen gehört ... Jahrestagung 2009 5