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Rundbrief 1-2010 - Verband für sozial-kulturelle Arbeit

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der Ausländerbehörde eine Aufenthaltsgenehmigung<br />

beantragen. Dann fühlt er, dass er doch nicht Berliner und<br />

auch kein Deutscher ist. Ich denke, über diese Problematik<br />

muss man gründlicher diskutieren und nicht darüber,<br />

ob Hoyerswerda noch ausländerfeindlicher ist als Kreuzberg,<br />

weil uns das nicht weiter bringt.<br />

Petra Sperling: Hatte das konkrete Auswirkungen auf die<br />

Nachbarschaftszentren? Was können wir daraus lernen?<br />

Enver Sen: Wir haben erlebt, dass viele gesagt haben,<br />

dass sie arbeitslos geworden sind, keine Wohnungen<br />

mehr kriegen, dass sie als Menschen zweiter oder dritter<br />

Klasse behandelt werden, obwohl sie so viel hier mitgeholfen<br />

haben.<br />

Petra Sperling: Hat das Nachbarschaftszentrum Angebote<br />

verändert? Gab es auf der strukturellen Ebene<br />

etwas, was auf diese Betroffenheit der Nachbarschaft<br />

bzw. der Menschen reagiert hat?<br />

Hüseyin Yoldas: Ich habe das in einem Haus erlebt, das<br />

damals eine Jugendeinrichtung war. Aufgrund der <strong>Arbeit</strong>slosigkeit<br />

der Eltern haben sich <strong>Arbeit</strong>sgruppen speziell auf<br />

die Einbeziehung von Müttern konzentriert. Auf einmal gab<br />

es dort eine Vätergruppe, in der gemeinsam gekocht wurde;<br />

und man sah sich zusammen einen Film an, was <strong>für</strong> uns<br />

vorher unvorstellbar war. Man versuchte, den Müttern, die<br />

Analphabetinnen waren, zuerst das Lesen und Schreiben<br />

beizubringen. Darüber versuchte man sie in den Schulen<br />

zu integrieren. Die Hoffnung der Nachbarschaftsheime<br />

war, dass man durch die Mütter die Integration der Kinder<br />

in den Schulen schafft. Die Nachbarschaftsheime haben<br />

sich viel mehr um die Eltern gekümmert, insbesondere um<br />

die der ersten Generation, die vorher keine Rolle gespielt<br />

haben. Vorher ging es nur um die Jugend- und Kinderarbeit,<br />

zumindest war das meine Beobachtung. Aber danach<br />

war es in meiner Umgebung so, dass auf einmal Erwachsene<br />

in den Clubs auftauchten, wo wir dachten: Aber das<br />

war doch unser Club! Das war, weil sie einfach arbeitslos<br />

waren und mehr Zeit hatten und wollten dann irgendwas<br />

tun. Ich fand das damals süß.<br />

TN: Ich denke, die Wirtschaftskrise gab es schon vor der<br />

Maueröffnung, da fi ng das an, dass die <strong>Arbeit</strong> nicht mehr<br />

als Integration wirkte, weil es zunehmend <strong>Arbeit</strong>slosigkeit<br />

gab. Durch die Maueröffnung hat sich dann das Interesse<br />

konzentriert und umgedreht. Die Nachbarschaftshäuser<br />

hinken ja, wie die Gesellschaft auch, immer ein bisschen<br />

hinter den gesellschaftlichen Entwicklungen her. Mit dieser<br />

ganzen Integrationsdebatte tauchten dann auch alle<br />

Probleme auf, die eigentlich ganz stark über die <strong>Arbeit</strong>slosigkeit<br />

ausgelöst worden waren. Dann haben sich die<br />

Angebote in Richtung Elternarbeit geändert.<br />

TN: Ich würde dem zustimmen, im Prinzip war das Problem<br />

schon vor der Maueröffnung da. Zum Gründungsmythos<br />

von Gangway gehört natürlich auch, dass große<br />

Gruppen von arabischen und türkischen Jugendlichen<br />

in Kreuzberg und Wedding aufgetaucht sind, bis zu 300<br />

Leuten stark. Sie wurden von Jugendhäusern und Sozialinstitutionen<br />

oder Schulen im Prinzip gar nicht mehr<br />

angesprochen. Natürlich haben die Gruppen als Refl ex<br />

auf diese Ausgrenzungsprozesse, die vorher schon stattgefunden<br />

haben, reagiert. Das kam zeitlich mit dem<br />

Mauerfall zusammen. Da kann man alles mit reinpacken,<br />

wahrscheinlich ist an allem irgendwas wahr. Da hat sich<br />

auch eine Menge hochgespielt. Die <strong>sozial</strong>e <strong>Arbeit</strong> hat<br />

manchmal völlig hilfl os darauf reagiert, was ich eigentlich<br />

ein gutes Beispiel fi nde, auch wenn das im konkreten<br />

Fall nicht stimmt, um mal die Tabugrenzen der <strong>sozial</strong>en<br />

<strong>Arbeit</strong> zu thematisieren. Kann man mit Jugendarbeit oder<br />

Elternarbeit etwas erreichen? Das wird auch theoretisch<br />

viel zu wenig entwickelt.<br />

Die Übernahme von Strukturen im Osten: In Ostberlin gab<br />

es das Drogenproblem, das es in Westberlin gab, überhaupt<br />

nicht. Aber innerhalb kürzester Zeit gab es dort ein<br />

Drogenberatungsteam. Man hat dann gewartet, bis das<br />

Drogenproblem auch ankam. Das lag an den Interessen<br />

von den Trägern, von Interessengruppen, da können wir<br />

uns unter Umständen an bestimmten Punkten an die<br />

eigene Nase fassen, wie die Sachen funktioniert haben.<br />

Die großen Träger haben sich natürlich auch in Bezug auf<br />

Migrantengruppen bestimmte Themen aufgeteilt, wer <strong>für</strong><br />

wen zuständig ist.<br />

Was zusammen gehört ... Jahrestagung 2009 49

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