O+P Fluidtechnik 6/2017
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INTERVIEW<br />
Die Gesamtbetriebskosten (Total Cost of Ownership, TCO) von<br />
Maschinen und Anlagen sind ein entscheidender wirtschaftlicher<br />
Faktor für Industrieunternehmen. Sie standen im Zentrum des<br />
diesjährigen Shell Technology Forums in Amsterdam. Dort hatten wir<br />
Gelegenheit mit Ahmet Güven, Product Application Specialist für<br />
Hydrauliköle, über die neue Generation Hydrauliköle des<br />
Unternehmens sowie ihre Auswirkungen auf die TCO zu sprechen.<br />
Herr Güven, heutzutage<br />
müssen Hydrauliksysteme<br />
rund um die Uhr arbeiten, bei<br />
maximaler Effizienz und<br />
Produktivität sowie unter<br />
extrem hohen Drücken von<br />
bis zu 500 bar. Welche<br />
Auswirkungen hat dies auf<br />
das verwendete Hydrauliköl?<br />
Sie haben kürzlich die<br />
nächste Generation Ihrer<br />
Shell Tellus Hydraulik-Öle auf<br />
den Markt gebracht. Was sind<br />
die Vorteile dieser Produkte?<br />
Wie schwer ist es, eine solche<br />
neue Generation von<br />
Hydraulikölen zu entwickeln?<br />
Wird das falsche Öl in einem<br />
hydraulischen System<br />
genutzt, kann es zum<br />
Maschinenausfall führen,<br />
was wiederum hohe Kosten<br />
nach sich zieht. Die TCO<br />
steigen. Ich schätze, es gibt<br />
einen großen Bedarf an<br />
Service und Support, oder?<br />
Wie sie bereits sagten, die Drücke steigen. Und wenn die Drücke steigen, steigen auch die Temperaturen<br />
und damit die Belastung des Öls. Es gibt die Faustregel: pro Temperaturanstieg um<br />
10 Grad Celsius verdoppelt sich die Oxidation. Also muss das Öl oxidationsresistent sein.<br />
Darüber hinaus gibt es jedoch noch weitere Belastungen, bedingt durch die hohen Drücke.<br />
Wenn das Öl bei solch hohen Drücken durch das Ventil strömt, kommt es zu Druckabfällen, die<br />
sehr große Reibung verursachen sowie zu einer großen Temperaturänderung.<br />
Die Temperatur steigt und fällt also kontinuierlich. Die Temperaturspitzen reichen bis zu 135<br />
Grad Celsius. Und an diesen Stellen kommt der sogenannte Thermal Breakdown ins Spiel, an<br />
dem die Bindungen zwischen den verschiedenen chemischen Elementen des Fluids brechen.<br />
Dies ist eine weitere Belastung für das Hydrauliköl, der es widerstehen muss. Wenn man eine<br />
neuartige Formel für ein Fluid entwickelt, muss man diese drei Dinge beachten: Belastung<br />
durch Druck, Oxidation und Temperatur.<br />
Die Shell Tellus S2 VX und MX Öle sind momentan die einzigen auf dem Markt, die die extrem<br />
anspruchsvollen Anforderungen der Bosch Rexroth Fluid Ratings List RDE 90245 erfüllen. Es kann<br />
bei Drücken bis zu 500 bar eingesetzt werden, bei Drehzahlen bis zu 4000 Umdrehungen pro<br />
Minute und einer Arbeitstemperatur von 100 Grad Celsius. Somit schützen diese Shell Fluide<br />
selbst unter den oben genannten Einflüssen – Druck, Oxidation, Hitze – die Pumpe vor Verschleiß.<br />
Shell Tellus S2 VX und MX sind zudem von Gruppe 1 in Gruppe 2 der Basisöle aufgestiegen. Das<br />
bedeutet, wir haben eine verbesserte Oxidationsstabilität. Zur Verdeutlichung: Wir haben einen<br />
Reifungstest nach ASTM D943 (Standard-Oxidationstest, Hinweis der Redaktion) mit diesen Produkten<br />
ausgeführt – wir nennen ihn TOST Life Test – und Bosch Rexroth verlangt an dieser Stelle<br />
2500 Betriebsstunden. Wir haben diese Anforderung um das Doppelte übertroffen; unsere Öle<br />
liefen über 5000 Stunden. Die Ölwechselintervalle werden somit deutlich länger und unsere Kunden<br />
können ihre Maschinen nahezu durchgehend betreiben. So steigern unsere Öle die Produktivität<br />
der Anwender und reduzieren Wartungskosten und somit die TCO.<br />
Es ist nicht einfach, denn man muss immer den bestmöglichen Kompromiss finden. Wenn man<br />
beispielsweise den Schutz vor Verschleiß verbessern möchte und ein entsprechendes Additiv<br />
hinzufügt, kann dies unter Umständen negative Effekte für andere Aspekte nach sich ziehen, wie<br />
zum Beispiel einen schlechteren Schutz vor dem Thermal Breakdown Effekt. Dies muss man<br />
alles ausbalancieren.<br />
Zudem fragen nicht alle OEM dieselben Werte nach. Wir erfüllen eine Vielzahl von Spezifikationen,<br />
nicht nur das eingangs erwähnte Bosch Rexroth Fluid Rating. Unter anderem erfüllen Shell<br />
Tellus Öle auch die Anforderungen nach Parker Denison oder Eaton.<br />
Darüber hinaus ist eine der größten Herausforderungen heutzutage auf Seite der Dichtungen zu<br />
finden. Die OEM sind sehr erpicht auf Dichtungskompatibilität. Früher testeten wir die Kompatibilität<br />
über eine Dauer von 100 Stunden, heute sind es über 1000 Stunden. Weiterhin verlangen<br />
die Maschinen- und Komponentenhersteller inzwischen viel mehr Informationen als früher. Vor<br />
einigen Jahren reichte es noch zwei Datensätze zum jeweiligen Öl zu liefern. Inzwischen wollen<br />
die Hersteller alle Daten für alle Basisöl-Kombinationen. Man muss also sehr viele sehr teure<br />
Tests durchführen, um diesen Anforderungen gerecht zu werden.<br />
Dummerweise ist die erste Aufgabe eines hydraulischen Fluids, Kraft von einem Ort zu einem<br />
anderen zu übertragen. Wenn ein Maschinenbetreiber das Hydrauliköl in einem System wechselt<br />
und danach sieht, dass diese Aufgabe der Kraftübertragung befriedigend erfüllt wird, ist er<br />
der Meinung, dass alles in bester Ordnung ist. Je nachdem um welches Öl es sich handelt, kann<br />
er sich jedoch große Probleme einhandeln, selbst wenn die Maschine zunächst wie erwartet<br />
läuft. Sowohl unsere Erfahrungen als auch die von Filter- und Additivherstellern haben gezeigt,<br />
dass mindestens 50 Prozent aller Service-Fälle von Hydrauliksystemen mit der Qualität und<br />
Reinheit des Hydrauliköls in Verbindung gebracht werden können.<br />
Wichtig hierbei: Es fehlt in nahezu allen Fällen an ausreichendem Know-How. Denn die Ausfälle<br />
sind meist mechanischer Natur – man hat z.B. einen Ausfall eines Lagers, eines Zylinders<br />
oder eines Ventils – und beim Check wird genau das festgestellt: ein Problem am Lager, Zylinder<br />
oder Ventil. Aber in Wirklichkeit sind diese meist durch die Qualität des Hydrauliköls bedingt.<br />
<strong>O+P</strong> <strong>Fluidtechnik</strong> 6/<strong>2017</strong> 33