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O+P Fluidtechnik 6/2017

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VERBINDUNGSELEMENTE<br />

Eine Veröffentlichung von Schmitz [10], über die simulative Analyse<br />

der Dynamik einer Gasblase zur Untersuchung des Dieseleffektes<br />

in hydraulischen Systemen, gibt einen Überblick zum aktuellen<br />

Stand der Forschung. Die genauen Systembedingungen, die zum<br />

Auftreten des Diesel-Effektes führen, sind zwar noch immer nicht<br />

vollständig bekannt, man weiß heute aber, dass die Zusammensetzung<br />

des Fluiddampf-Luft-Gemisches, das Temperaturniveau in<br />

der Blase und die Druckanstiegsgeschwindigkeit wesentliche Einflussgrößen<br />

sind.<br />

Die Erläuterungen zu Bild 01 haben bereits verdeutlicht, dass es<br />

zum Ende des Bremsvorgangs direkt hinter dem Ventil, also am Anfang<br />

der Tankleitung, eine kavitationsähnliche Zone geben kann. Der<br />

reinen Existenz der Einflussgröße „Fluiddampf-Luft-Gemisch“ ist also<br />

genüge getan, wobei es, je nach Vehemenz des Bremsvorgangs,<br />

sicherlich eine unterschiedlich große kavitationsähnliche Zone mit<br />

unterschiedlich großen Gemischblasen geben wird. Die praktische<br />

Erfahrung zeigt, dass mit Sicherheit einige der Blasen dann auch das<br />

bei Schmitz [10] beschriebene richtige Gemisch für die Selbstzündung<br />

haben. An dieser Stelle sei erwähnt, dass bereits Lohrentz [7]<br />

von erfolgreichen Experimenten berichtet, bei denen dem Hydrauliköl<br />

Superbenzin oder Bleitetraäthyl hinzugefügt wurde, um die Oktanzahl<br />

zu erhöhen und somit die Zündwilligkeit zu reduzieren.<br />

Was die Einflussgröße „Temperaturniveau in der Blase“ anbelangt,<br />

so zeigt ein Blick in den Motorenbau, dass es nur einer ausreichenden<br />

Kompression, also genügend Druck, bedarf, um das<br />

richtige Temperaturniveau für eine Selbstzündung zu erreichen.<br />

Bei modernen Diesel-Motoren mit Aufladung liegt das Kompressionsverhältnis<br />

unter 19:1 und ohne Aufladung zwischen 21:1 bis<br />

23:1 [11]. Das sind Kompressionsverhältnisse, die die moderne<br />

Ölhydraulik locker schafft. Würde der Druck am Anfang der Tankleitung<br />

während des Bremsvorgangs bis auf 0,1 bar absolut abfallen,<br />

dann würde schon ein Druckschlag mit einer Amplitude von<br />

knapp über 2 bar für die notwendige Kompression ausreichen.<br />

Wie in Bild 03 bei Schmitz [10] und in Bild 02 bei Lipphardt [9]<br />

dargestellt, spielt die Einflussgröße „Druckanstiegsgeschwindigkeit“<br />

eine bedeutende Rolle beim Diesel-Effekt.<br />

Der Druckanstieg muss abhängig von den anderen Einflussgrößen<br />

so schnell erfolgen, dass die Wärme, die während der Kompression<br />

entsteht, die zur Selbstzündung notwendige Temperatur<br />

von > 320 °C erreicht. Ist der Druckanstieg zu langsam, geht die<br />

Wärme von der Blase in das Fluid über und es erfolgt keine Zündung.<br />

Da die höchsten Druckgradienten während des Druckschlags<br />

auftreten, ist die genaue Kenntnis der dynamischen Vorgänge eine<br />

notwendige Voraussetzung, um die Wahrscheinlichkeit des Auftretens<br />

eines Diesel-Effekts abschätzen zu können.<br />

ZURÜCKSTRÖMEN DER FLUIDSÄULE<br />

IN DER TANKLEITUNG<br />

Ist die Fluidsäule aus Bild 01 zum Stillstand gekommen und hat sich<br />

eine kavitationsähnliche Zone mit niedrigem Druck gebildet, dann<br />

wird die Fluidsäule anschließend aufgrund des höheren Druckes<br />

im Tank wieder zurück Richtung Ventil beschleunigt. Die Gemischblasen<br />

werden hierbei zunächst ohne viel Widerstand komprimiert.<br />

Es beginnen die thermodynamischen Vorgänge, die schlussendlich<br />

zur Selbstzündung führen.<br />

Was dies für die Dynamik in der Fluidsäule bedeutet, lässt sich<br />

stark vereinfacht wie folgt beschreiben. In den Gemischblasen<br />

steigt während der Kompression der Druck, wodurch auf die zurückströmende<br />

Fluidsäule eine stetig wachsende Bremskraft wirkt.<br />

Dies ist zunächst in etwa so, als wenn eine bewegte Masse in eine<br />

weiche Feder läuft. Aufgrund der Thermodynamik der Gemischblasen<br />

ist die Federrate jedoch nicht linear, sondern steigt während der<br />

Kompression progressiv. Dies ist die bereits in [4] erwähnte dämpfende<br />

Wirkung.<br />

Die in der Wasserhydraulik als etwas Positives empfundene dämpfende<br />

Wirkung hat jedoch eine fatale Auswirkung auf die Dynamik<br />

einer ölhydraulischen Fluidsäule. Bei der Richtungsumkehr der<br />

Fluidsäule aus Bild 01 gilt direkt wieder die Druckgleichung, nur<br />

dass die Volumenstrombilanz jetzt positiv ist und es zu einem<br />

Druckaufbau kommt. Wäre die kavitationsähnliche Zone komplett<br />

mit Fluid gefüllt, das einen geringen Volumenanteil ungelöster Luft<br />

enthält, so würde der Druckaufbau sofort mit einem relativ hohen<br />

Kompressionsmodul des Fluids starten. Die rückströmende Fluidmasse<br />

würde also direkt gegen eine stark progressive Feder anlaufen.<br />

Durch die Gemischblasen wird der effektive Kompressionsmodul<br />

des Fluids jedoch sehr stark reduziert und es bedarf erst einmal<br />

einer gewissen zurückströmenden Fluidmenge bis sich wieder ein<br />

effektiver Kompressionsmodul ergibt, der groß genug ist, einen<br />

nennenswerten Bremsdruck aufzubauen. Wiederum als mechanische<br />

Analogie ausgedrückt, läuft die rückströmende Fluidmasse<br />

zunächst gegen eine sehr weiche Feder. Die Fluidsäule beschleunigt<br />

hierdurch zu Beginn des Rückströmvorgangs viel länger, als es<br />

bei einer Tankleitung ohne kavitationsähnliche Zone möglich wäre.<br />

Am Ende des Vorgangs muss die Fluidsäule aus einer deutlich höheren<br />

Geschwindigkeit abgebremst werden. Durch dieses Abbremsen<br />

der Fluidsäule wird jetzt der Druckschlag in der Tankleitung<br />

eingeleitet und es sind alle Voraussetzungen erfüllt, dass es dabei<br />

auch zu einem Diesel-Effekt kommen kann.<br />

Um abzuschätzen, aus welcher Geschwindigkeit die Fluidsäule<br />

während des Druckschlags abgebremst wird, wird die vereinfachte<br />

Betrachtung aus Bild 01 erweitert. Relevant für die Dynamik in der<br />

Tankleitung ist nämlich nur der Teil der Fluidsäule, der sich in der<br />

Leitung befindet (Bild 04). Der Bremsweg reduziert sich hierdurch<br />

im Vergleich zu Bild 01 etwas, da bei konstantem Bremsdruck die<br />

Bremsbeschleunigung ansteigt, wenn die Masse in der Leitung abnimmt.<br />

Würde Reibung immer noch keine Rolle spielen und gäbe es keine<br />

kavitationsähnliche Zone, so würde die Fluidsäule mit der Geschwindigkeit<br />

auf das geschlossene Ventil prallen, mit der sie zu Beginn<br />

des Bremsvorgangs in die Tankleitung eingeströmt ist. Das<br />

Vorzeichen ist jetzt entgegengesetzt. Die voraussichtliche Amplitude<br />

des Druckschlags, und somit auch der zu erwarteten Druckgradient,<br />

können mit den in Bild 05 dargestellten Berechnungsgleichungen<br />

für den Druckstoß ermittelt werden.<br />

Druckstoß: Der Druckstoß (auch Wasserhammer, engl. Water hammer,<br />

pressure surge) wurde von Joukowsky im Jahre 1898 erkannt<br />

und von Allievi im Jahre 1905 theoretisch hergeleitet und bezeichnet<br />

die dynamische Druckänderung eines Fluids. Druckstöße sind<br />

in technischen Anlagen generell unvermeidlich (das wäre nur mit<br />

einer unendlich langen Schließzeit möglich), das Ausmaß eines<br />

Druckstoßes lässt sich jedoch mindern. Die Information „Druck“<br />

wird dabei von longitudinalen Druckwellen weitergegeben [12].<br />

Umgangssprachlich wird der Begriff Joukowsky-Stoß für den<br />

Druckanstieg in einer Rohrleitung verwendet, der beim zu raschen<br />

Schließen eines Ventils (oder Stellarmatur) auftritt. Die Gleichung<br />

in Bild 05 ist gültig für Rohrleitungen mit sehr kleiner Wandreibung,<br />

wenn die Geschwindigkeitsänderung unter der Wellenfortpflanzungsgeschwindigkeit<br />

liegt und der Zeitraum der Geschwindigkeitsänderung<br />

im Vergleich zur Reflexionszeit kurz ist. Der so berechnete<br />

Druckstoß unter Verwendung der Wellenfortpflanzungsgeschwindigkeit<br />

des Strömungsmediums stellt die ideale physikalisch<br />

maximal mögliche Druckerhöhung bei einer unendlich steifen<br />

Rohrleitung dar [12].<br />

Um realere Werte zu bekommen, müssen jedoch Einflussfaktoren<br />

wie die Elastizität der Rohrwand (Bild 05, rechter Teil) und<br />

der Luftgehalt im Fluid, durch den, wie bereits geschildert, der<br />

Kompressionsmodul des Fluids reduziert wird, bei der Berechnung<br />

der Wellenfortpflanzungsgeschwindigkeit berücksichtigt werden.<br />

Hierdurch wird die effektiv im Medium auftretende Wellenfort-<br />

<strong>O+P</strong> <strong>Fluidtechnik</strong> 6/<strong>2017</strong> 41

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