Taxi Times DACH - Mai 2017
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Der Wissenschaftliche<br />
Beirat beim Bundesminister<br />
für Verkehr<br />
und Digitale Infrastruktur<br />
setzt sich aus 16<br />
Professoren zusammen.<br />
Professor Dr. Günter<br />
Knieps (6. von rechts)<br />
ist ihr Vorsitzender.<br />
DER NÄCHSTE VORSTOSS<br />
ZUR DEREGULIERUNG<br />
Geht es nach der Empfehlung von 16 Professoren, benötigt<br />
ein digitaler <strong>Taxi</strong>markt keine festen Preise und auch keine<br />
begrenzte Anzahl an Konzessionen. Wir berichten von einem<br />
Gutachten mit Denkfehlern.<br />
Nur wenige Wochen, nachdem sich<br />
der BZP für eine weitest gehende<br />
Beibehaltung des Ordnungsrahmens<br />
in Form des Personenbeförderungsgesetzes<br />
(PBefG) positioniert hat<br />
(siehe Seite 8), fordert ein Gutachten<br />
des „Wissenschaftlichen Beirat beim<br />
Bundesminister für Verkehr und Digitale<br />
Infrastruktur“ grundlegende Liberalisierungsmaßnahmen<br />
im <strong>Taxi</strong>gewerbe. Es trägt<br />
den Titel „Die Chance der Digitalisierung im<br />
<strong>Taxi</strong>markt nutzen: Liberalisieren und Verbraucherschutz<br />
stärken.“ Der Beirat hat<br />
innerhalb des Bundesverkehrsministeriums<br />
eine beratende Funktion.<br />
Als SPD-Staatssekretär und Vize minister<br />
des Bundesverkehrsministeriums Enak<br />
Ferlemann in seiner Rede vor den BZP-Delegierten<br />
von „aktuellen Lösungsansätzen“<br />
berichtete, die auch „personenbeförderungsrechtliche<br />
Änderungen beinhalten“<br />
(siehe Seite 7), wusste er wohl schon, dass<br />
kurze Zeit später ein weiterer Frontalangriff<br />
auf das PBefG folgen sollte. Die Ideensammlung<br />
der 16 am Gutachten beteiligten<br />
Professoren enthält einige radikale Änderungsvorschläge.<br />
Der Markteintritt neuer internetbasierter<br />
Dienstleister sei mit „inadäquat gewordenen<br />
Regeln“ nur eingeschränkt in Einklang zu<br />
bringen, heißt es in der Einleitung des Gutachtens.<br />
Als inadäquat bezeichnet man<br />
etwas, das nicht im richtigen Verhältnis zu<br />
etwas anderem steht.<br />
Aus Sicht der Professoren stimmt das<br />
Personenbeförderungsgesetz (PBefG) nicht<br />
mit der aktuellen Digitalisierung überein.<br />
Gleichzeitig ermögliche die technische<br />
Entwicklung der letzten Jahrzehnte eine<br />
Deregulierung der <strong>Taxi</strong>märkte. „Die Digitalisierung<br />
erleichtert die Vermittlung von<br />
<strong>Taxi</strong>s, vermindert Leerfahrten und erhöht<br />
so die Produktivität. […] Die Nachvollziehbarkeit<br />
von Erlösen und Arbeitszeiten<br />
für die Aufsichtsbehörden wird vereinfacht“,<br />
führt das Gutachten auf. Man könne auch<br />
hinsichtlich des Fahrzeugangebotes nach<br />
Qualität (preiswerte Kleinwagen oder<br />
teurere Limousinen) bzw. nach Umweltkriterien<br />
(E-<strong>Taxi</strong>s) differenzieren. Als Konsequenz<br />
empfiehlt der Beirat daher eine<br />
Reform des Regulierungsrahmens des <strong>Taxi</strong>marktes,<br />
„um die Früchte dieser Innovationen<br />
zu ernten“.<br />
Hier taucht bereits ein erster Denkfehler<br />
der Professoren auf: Die angesprochene<br />
Digitalisierung betrifft laut Gutachten den<br />
„Markteintritt neuer internetbasierter<br />
Dienstleister.“ Bei der Aufzählung der App-<br />
Anbieter werden dann aber Uber und<br />
blabacar mit taxi.eu, taxi.de und mytaxi in<br />
einen Topf geworfen. Sowohl taxi.eu als auch<br />
mytaxi (sofern Sie ohne Rabattaktionen<br />
agieren) arbeiten aber bereits als brancheninterne<br />
Lösungen von Anfang an im Rahmen<br />
bestehender Gesetze.<br />
Ähnlich falsch sind auch die Schlussfolgerungen,<br />
die hinsichtlich der Aufhebung<br />
quantitativer Konzessionsbeschränkungen<br />
gezogen werden. <strong>Taxi</strong>konzessionen sollen<br />
künftig nur noch der Fachkunde und der<br />
Regelkonformität unterworfen sein, womit<br />
also qualitative Zugangsvoraussetzungen<br />
erhalten bleiben sollen. Erfahrungen in<br />
Hamburg und Schweden würden zeigen,<br />
dass „die Funktionsfähigkeit von <strong>Taxi</strong>märkten<br />
nicht durch den Eintritt weiterer <strong>Taxi</strong>angebote<br />
gefährdet ist“. Eine Überprüfung<br />
des <strong>Taxi</strong>marktes nach § 13,4 PBefG durch<br />
Gutachten und die daraus resultierende Verweigerung<br />
von Genehmigungen sei obsolet<br />
(als obsolet bezeichnet man etwas, das nicht<br />
gebraucht wird, weil es veraltet ist). Was die<br />
Gutachter hier aber unberücksichtigt lassen:<br />
Für das <strong>Taxi</strong>gewerbe sind in Deutschland<br />
rund 800 Aufsichtsbehörden zuständig.<br />
Hamburg funktioniert deshalb, weil dort<br />
ausreichend Personal mit der nötigen<br />
betriebswirtschaftlichen Kompetenz und<br />
technischer Unterstützung die Verfehlungen<br />
der <strong>Taxi</strong>betriebe entlarven kann. In den meisten<br />
Aufsichtsbehörden herrscht jedoch ein<br />
gravierender Mangel an betriebswirtschaftlichen<br />
Grundlagen. In Kombination mit massivem<br />
Personalmangel haben die deutschen<br />
Genehmigungsbehörden ein gravierendes<br />
FOTO: Universität Freiburg<br />
10 MAI / <strong>2017</strong> TAXI