11/2017
Fritz + Fränzi
Fritz + Fränzi
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«Eltern sollten die<br />
Mutmacher ihrer<br />
Kinder werden»<br />
Acht Prozent der Schulkinder sind übermässig schüchtern, und das<br />
über eine lange Zeit. Aus der ständigen Angst heraus, schlecht beurteilt<br />
zu werden, verhalten sie sich im Unterricht meist passiv – mit fatalen<br />
Folgen, sagt Georg Stöckli. Der Erziehungswissenschaftler über stumme<br />
Beobachter, überbehütende Eltern und besonders hartnäckige<br />
Hemmzwerge. Interview: Evelin Hartmann Bilder: Daniel Winkler / 13 Photo<br />
Alte<br />
Wirkungsstätte:<br />
Georg Stöckli<br />
war Leiter der<br />
Forschungsstelle<br />
Kind und Schule<br />
an der Uni Zürich.<br />
Ein ständiges Wispern und Klappern<br />
erfüllt den grossen Saal, Studenten<br />
unterhalten sich, bestellen Kaffee und<br />
Gipfeli. «Oh, das habe ich mir anders<br />
vorgestellt», sagt Georg Stöckli, der<br />
den Lichthof der Universität Zürich als<br />
Ort für dieses Interview vorgeschlagen<br />
hatte. «Ansonsten stehen hier immer<br />
Tische und Stühle.» Heute jedoch wird<br />
hier für einen Stehapèro aufgetischt.<br />
Erziehungswissenschaftler und<br />
Journalistin wissen sich zu helfen,<br />
belegen einen der herumstehenden<br />
Bistro-Stehtische und führen das<br />
Gespräch im Stehen.<br />
Herr Stöckli, viele Kinder sind schüchtern.<br />
Stellt dieses Persönlichkeitsmerkmal<br />
überhaupt ein Problem dar?<br />
Es kommt darauf an, wie ausgeprägt<br />
das schüchterne Verhalten ist. Unter<br />
Schüchternheit versteht man grundsätzlich<br />
die Ängstlichkeit eines Menschen<br />
beim Knüpfen zwischenmensch<br />
licher Beziehungen.<br />
Schüch ternheit ist, solange sie kein<br />
Leiden verursacht, keine psychische<br />
Störung, sondern ein Ausdruck des<br />
Temperaments eines Menschen. Viele,<br />
besonders jüngere Kinder verhal<br />
ten sich in unbekannten Situationen<br />
zurückhaltend, insbesondere, wenn<br />
ein Kind in den Kindergarten oder<br />
die Schule kommt. Das geht meist<br />
vorüber, wenn es sich an die zunächst<br />
neue Lehrerin und den Klassenraum<br />
gewöhnt hat.<br />
Wann ist ein Kind zu schüchtern?<br />
Wenn der Erstklässler, um bei diesem<br />
Beispiel zu bleiben, obwohl er<br />
gerne Freundschaften schliessen<br />
«Solange sie kein<br />
Leiden verursacht,<br />
ist Schüchternheit<br />
keine Störung.»<br />
würde, sich auch nach Wochen<br />
zurückhält und selten den Kontakt<br />
zu seinen Mitschülern sucht und sich<br />
im Unterricht kaum bis gar nicht<br />
mündlich beteiligt. Wissenschaftlich<br />
ausgedrückt: Wenn sein Vermeidungsverhalten<br />
ausgeprägter ist als<br />
sein Annäherungsverhalten. >>><br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
November <strong>2017</strong>35