11/2017
Fritz + Fränzi
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Digital & Medial<br />
Anderen beim<br />
Spielen zuschauen<br />
Sogenannte Let’s Player sind bei Teenagern voll im Trend. Nur: Was<br />
finden Jugendliche daran, anderen beim Videospielen zuzuschauen?<br />
Und was heisst das für die Eltern? Text: Stephan Petersen<br />
Daniels Mutter ist ge <br />
nervt. Gerade erst<br />
hat sie ihren 13-jährigen<br />
Sohn von der<br />
Spielkonsole loseisen<br />
können. Jetzt sitzt er am Smartphone.<br />
«Was machst du denn da?»,<br />
fragt sie ihn. «Ich schaue mir nur<br />
schnell dieses Video an.» Sie blickt<br />
über seine Schulter: «Ist das ein<br />
Video über ein Computerspiel?» –<br />
«Ja, ein Let’s Play!», lautet die Antwort.<br />
«Du hast doch gerade erst<br />
gespielt! Und das sieht nicht so aus,<br />
als ob es ein Spiel für Dreizehnjährige<br />
wäre. Mach jetzt dein Natel<br />
aus!» Daniel seufzt extra laut und<br />
legt das Smartphone zur Seite.<br />
Schreckensschreie und zusammengebissene<br />
Zähne live<br />
So wie Daniel schauen Millionen<br />
Jugendliche sogenannte Let’s Plays.<br />
Bei Let’s play wird live gespielt.<br />
Das heisst: Der Spieler hat das<br />
Game vorher noch nie gespielt.<br />
Let’s Play bedeutet «Lass uns spielen».<br />
Es sind Videos, in denen Games<br />
vorgeführt und kommentiert werden.<br />
Man schaut anderen Spielern<br />
beim Spielen zu. Vorläufer dieses<br />
Trends waren die 2006 von Spielern<br />
im Forum der US-amerikanischen<br />
Webseite «Something Awful» veröffentlichten<br />
Bilder aus von ihnen<br />
gespielten Games. Die anderen<br />
Forumsteilnehmer konnten direkt<br />
darauf antworten und Anregungen<br />
geben, wie die Spieler weiter agieren<br />
sollten. Mit der zunehmenden Verbreitung<br />
des Videoportals Youtube<br />
entstand die Idee, den kompletten<br />
Spielverlauf beim Gamen zu filmen<br />
und zu kommentieren.<br />
Heute filmen die Spieler sich<br />
meist noch zusätzlich selbst. So<br />
hören die Zuschauer nicht nur die<br />
Kommentare, sondern sehen auch<br />
die Reaktionen des Spielers auf das<br />
Geschehen: zusammengebissene<br />
Zähne in kniffligen Szenen und kurze<br />
Schreckensschreie, wenn Unvorhergesehenes<br />
geschieht. Das Besondere<br />
an Let’s Plays: Es wird live<br />
gespielt. Das bedeutet hier: Der<br />
Spieler hat das Game vorher noch<br />
nie gezockt und erlebt gemeinsam<br />
mit dem Zuschauer sämtliche Situationen<br />
zum ersten Mal.<br />
Was als kleiner Spass für ein paar<br />
Dutzend Zuschauer begann, ist in<br />
den vergangenen Jahren zu einem<br />
Millionen-Trend insbesondere bei<br />
Teenagern geworden. 50 Prozent<br />
aller Let’s-Play-Zuschauer sind zwischen<br />
13 und 17 Jahre alt. Mit rund<br />
30 Prozent machen junge Erwachsene<br />
zwischen 18 und 25 Jahren die<br />
zweitgrösste Gruppe aus. Das Pu blikum<br />
ist also jung. Und noch etwas<br />
fällt auf: Je nach Schätzungen und<br />
Umfragen sind 70 bis 80 Prozent der<br />
Zuschauer männlich.<br />
Let’s play als Entscheidungshilfe<br />
Eltern zeigen sich besorgt über den<br />
Trend. Die meisten stehen Games an<br />
sich schon skeptisch gegenüber. Nun<br />
fragen sie sich: Ist es sinnvoll, dass<br />
mein Kind passiv Videos über Computerspiele<br />
konsumiert, anstatt<br />
wenigstens selbst aktiv zu sein und<br />
kreative Lösungsstrategien in einem<br />
Game zu finden? «In den seltensten<br />
Fällen werden Let’s Plays nur angeschaut,<br />
ohne dass man selbst gamt»,<br />
relativiert Isabel Willemse, Medienpsychologin<br />
an der Zürcher Hoch<br />
82 November <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi