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Fritz + Fränzi

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Erziehung & Schule<br />

Eine Frage der Perspektive<br />

Erwachsene sollten öfter mal den Blickwinkel wechseln und die Dinge aus der Sicht von Kindern und<br />

Jugendlichen betrachten. Insbesondere, wenn es um Schule und Beruf geht. Text: Bruno Rupp<br />

«Auch ich habe mich immer<br />

wieder zur Aussage ‹Das<br />

ist doch nicht normal!›<br />

verleiten lassen.»<br />

Bruno Rupp ist Primarlehrer, Schulleiter,<br />

Mitglied der Leitungskonferenz Bildung Bern<br />

und Mitglied der LCH-Geschäftsleitung.<br />

Er ist Vater von drei erwachsenen Kindern.<br />

Es lohnt sich, die Perspektive<br />

zu wechseln, Dinge mit einer<br />

anderen Brille anzuschauen –<br />

mit der des Kindes.<br />

selbe Brille zu schauen. Beide kommunizieren<br />

auf derselben Ebene<br />

miteinander.<br />

Wie oft hören Kinder oder<br />

Jugendliche von den Eltern Sätze<br />

wie «Das sehe ich aber anders»,<br />

«Wie kannst du nur!», «Das ist doch<br />

nicht normal!». In solchen Momenten<br />

und Situationen sehen beide<br />

«die Welt» mit verschiedenen<br />

Augen.<br />

Erwachsene müssen Wege in die<br />

Selbständigkeit aufzeigen<br />

Als Vater von drei heute erwachsenen<br />

Kindern habe auch ich mich<br />

immer wieder zur Aussage «Das ist<br />

doch nicht normal!» verleiten lassen.<br />

Eine Aussage, die jungen Menschen<br />

die Botschaft vermittelt, dass ich als<br />

Erwachsener und Vater selbstredend<br />

weiss, was «normal» ist. Aus meiner<br />

Sicht eben.<br />

Wie sieht es aber aus Sicht des<br />

Jugendlichen aus? Kenne ich seine<br />

Sichtweise und Begründung für sein<br />

«abnormales» Verhalten? Könnte es<br />

sein, dass sein Verhalten aus seiner<br />

Sicht vielleicht gar nicht so abnormal<br />

ist? Sollte es mich nicht interessieren,<br />

aus welchen Gründen, Erfahrungen<br />

oder mit welcher Absicht<br />

der Jugendliche eine andere Vorstellung<br />

von «normal» und «abnormal»,<br />

von «richtig» oder «falsch» hat?<br />

Als Eltern und Lehrpersonen ist<br />

es unsere Pflicht, Kindern und<br />

Jugendlichen Wege in die Selbständigkeit<br />

zu zeigen, sie auf dem Weg<br />

zur Mündigkeit zu unterstützen und<br />

Sie kennen doch bestimmt<br />

das Spiel «Ich sehe was,<br />

was du nicht siehst», das<br />

Kinder oft auf langen Fahrten<br />

im Zug oder im Auto<br />

spielen. Es ist mehr als ein Zeitvertreib.<br />

Das Kind und der erwachsene<br />

Mitspieler versuchen, die Welt oder<br />

zumindest einen kleinen Teil der<br />

Welt mit den Augen des anderen zu<br />

sehen. Beide versuchen, durch diezu<br />

begleiten. Wir haben hier eine<br />

Vorbildfunktion. Was vermitteln wir<br />

denn für Werte und Haltungen,<br />

wenn wir diese einfach unreflektiert<br />

aufgrund unserer Stärke als Erwachsene<br />

den Jungen überstülpen?<br />

Aufgrund meiner langen Erfahrung<br />

als Vater, Erzieher und Lehrer<br />

bin ich überzeugt, dass es sich<br />

immer wieder lohnt, die Perspektive<br />

zu wechseln und die Dinge mit einer<br />

anderen Brille anzuschauen: mit der<br />

Brille des Kindes respektive des<br />

Jugendlichen.<br />

Die Welt mit den Augen des<br />

anderen zu sehen, ist wichtig und<br />

hilfreich. Eine Situation aus einer<br />

anderen Richtung oder Perspektive<br />

zu sehen, bedeutet, die eigene Blickrichtung<br />

zu verändern und sich in<br />

die Situation des anderen zu versetzen<br />

und hineinzudenken.<br />

Einfühlungsvermögen oder<br />

Empathie ist die Fähigkeit und<br />

Bereitschaft, Empfindungen, Ge ­<br />

danken, Emotionen, Motive und<br />

Persönlichkeitsmerkmale einer<br />

an deren Person zu erkennen und zu<br />

ver stehen. Zur Konfliktlösung<br />

kommt dieser Fähigkeit eine wichtige<br />

Bedeutung zu. Perspektivenwechsel<br />

verbunden mit Einfühlungsvermögen<br />

und Empathie<br />

öffnet den Weg für ein anderes Verständnis<br />

und für neue, andere Ideen.<br />

Als Schulleiter habe ich immer<br />

wieder die Aufgabe, Gespräche zwischen<br />

Eltern und Lehrpersonen zu<br />

moderieren. Gespräche, in welchen<br />

die Teilnehmenden unterschiedliche<br />

54 November <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi

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