Landshuter Mama Ausgabe 10
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Kolumne<br />
halbe Jahr überlebt, als unser Kind voll<br />
gestillt wurde und ich alle zwei Stunden<br />
aufgeweckt wurde und zweitens:<br />
Sollte ich mein Handy bei der<br />
nächsten Reise nicht doch lieber<br />
ganz zu Hause lassen?<br />
Gitterstäbe seines Käfigs beuge ich<br />
mich, ihn seinem Gefängnis zu entreißen.<br />
Wie Sisyphos, bin ich verdammt<br />
jede Nacht diesen Kampf auszutragen,<br />
welchen ich nicht gewinnen kann…er<br />
ist der Nachtkönig. Er wird es immer<br />
bleiben … er …“<br />
Josepha Sophia und Markus<br />
Wagner: Frisch verheiratet und voller<br />
Zukunftspläne. Ihr Beziehungsstart<br />
war eher spontan. Mit dem positiven<br />
Schwangerschaftstest in den Händen<br />
beschlossen sie ein Paar und eine<br />
Familie zu werden. Über ihren Alltag<br />
und ihre Erlebnisse berichten sie bei<br />
uns …<br />
Er und Er allein zu Haus<br />
Jetzt ist es also soweit. Unser kleiner<br />
Junge ist ein Jahr alt. WOW. Unglaublich.<br />
Er geht und brabbelt und ist schon<br />
eine komplette kleine Persönlichkeit.<br />
Und nun ist es also wirklich soweit.<br />
<strong>Mama</strong> verlässt die Herde.<br />
Das Muttertier zieht<br />
alleine los. Für eine Woche.<br />
Eine ganze Woche.<br />
Ich selbst habe überhaupt keine Bedenken,<br />
dass Papa-Tier und Baby-Tier<br />
nicht klar kommen würden. Die schaffen<br />
das bestimmt ganz hervorragend.<br />
Schließlich ist Markus ein Papa, der<br />
sehr viel Zeit mit seinem Kind verbringt.<br />
Seine Freiberuflichkeit ermöglicht ihm<br />
eine große Freiheit und dem Xaver<br />
ermöglicht es, dass er seinen Papa<br />
nicht nur abends nach der Arbeit sieht,<br />
sondern mit ihm aufsteht und den Tag<br />
verbringt. Sein Papa ihm Frühstück<br />
macht, spazieren geht, Mittagsschlaf,<br />
baden, wickeln, Heulattacken überlebt.<br />
Der ganz normale Alltag eben.<br />
Das ist nichts Neues für die<br />
Beiden. Also alles easy … oder? …<br />
Jetzt ist es soweit. Ich bin dann mal<br />
weg. Eine Woche nicht erreichbar.<br />
Nicht verfügbar. Doch schon nach der<br />
ersten Nacht wird klar, dass das, was<br />
Frauen den ganzen Tag mit den Kidies<br />
so leisten, eine wirkliche Leistung ist.<br />
Ein Verdienst, der meiner Meinung<br />
nach gerne gut bezahlt werden könnte.<br />
Während ich den Schilderungen meines<br />
Mannes am Telefon so zuhöre –<br />
sein Wehklagen über die Nächte, in<br />
denen er kaum schläft, in denen er den<br />
Kleinen nicht mehr beruhigen kann, in<br />
denen er kurz vor einem Nervenzusammenbruch<br />
steht, stelle ich mir zwei Fragen.<br />
Erstens: Wie habe ich das erste<br />
Markus erzählt mir was von einem<br />
Nachtkönig. „Was? Der Erlkönig? Das<br />
Gedicht von Goethe?“ „Nein, Josepha,<br />
nein. Es ist der Nachtkönig. ER ist der<br />
Nachtkönig.“ Langsam fange ich an, mir<br />
ernsthaft Sorgen zu machen. Markus<br />
hat seine Arbeit komplett eingestellt. Er<br />
beschreibt mir seine Nächte allein zu<br />
Haus: „Schrill schreiendes Wehklagen<br />
reißt mich aus dem viel zu leichten<br />
Schlaf. Meine Zeit ist gekommen. Das<br />
ist das Zeichen für meinen Aufbruch.<br />
Jede Nacht dieses Spiel. Gezeichnet,<br />
gestraft und verdammt von den Göttern,<br />
muss ich aufbrechen, mich meinem<br />
Schicksal demütig ergebend. Durch das<br />
Dunkel der Nacht streifend, mein Haupt<br />
schwer, ob diesen schweren Kampfes.<br />
Jede Nacht sterbe ich.<br />
Stets auf neue.<br />
Der Nachtkönig erwartet mich schon.<br />
Ohrenbetäubend, nahe dem Wahnsinn,<br />
gellt sein schrill schreiendes Wehklagen<br />
… welch geschundenes Wesen …<br />
in einen Käfig eingesperrt, auf seinen<br />
Knien sitzend … die Nacht lässt seine<br />
Augen wie schwarze Löcher wirken, ich<br />
bin nicht sicher, ob er mich überhaupt<br />
sehen kann. Durch sanfte Worte mache<br />
ich mich bemerkbar, doch sein schneidendes<br />
Klagen übertönt alles. Über die<br />
Was UM HIMMELS WILLEN<br />
treiben die beiden da zu Hause?<br />
Er soll unser Kind doch einfach nur ins<br />
Bett bringen. Das ist alles. Wo ist das<br />
Problem? Ich versuche die Fassung zu<br />
wahren, was mir nicht gelingt. Vor meinem<br />
innerlichen Auge sehe ich schon,<br />
in welchem Zustand die Wohnung sich<br />
befindet, wenn ich nach Hause komme.<br />
Ich darf eine Woche Haushalt nach<br />
arbeiten, meinen durch geknallten Mann<br />
beruhigen und unser schrill schreiendes<br />
Kind wieder selbst ins Bett begleiten. Da<br />
kommt eine dritte Frage in mir hoch, die<br />
ich auch postwendend meinem Mann<br />
an die Stirn knalle:<br />
„WER, verdammt noch mal, reitet<br />
jetzt so spät durch Nacht und<br />
Wind?! Es ist die MUTTER mit<br />
ihrem Kind – sie hält es sicher, sie<br />
hält es warm!“<br />
Und irgendwie fühle ich mich gut dabei.<br />
Ich bin also nicht entbehrlich. Ich<br />
werde gebracht und mache hier, wie<br />
es scheint, einen verdammt guten Job.<br />
Check.<br />
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