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Komplett. Das Sauerlandmagazin. Zwischen Verse und Sorpe. Ausgabe November/Dezember 2017

Themen u.a.: Neue Form der Bürgerbeteiligung in Plettenberg - Treffpunkt Bahnhof Werdohl, hier pulsiert das Leben - Professor plant Feiermuseum in Gründerzeitvilla

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gesamte Gebäude seit mehr als<br />

700 Jahren“, erklärt er.<br />

Von der Küche geht es zurück in<br />

die Eingangshalle <strong>und</strong> von dort<br />

in die schlosseigene Kapelle, wo<br />

uns Hunold Graf von Plettenberg,<br />

Schlossherr <strong>und</strong> Vater von<br />

Graf G<strong>und</strong>olf, in Empfang nimmt.<br />

Auch er ist gekleidet in Hemd<br />

<strong>und</strong> Anzughose. Der Schlossherr<br />

lächelt seine zahlreichen Besucher<br />

fre<strong>und</strong>lich an, während die<br />

letzten unserer Gruppe noch versuchen<br />

in die kleine Kapelle zu<br />

gelangen, die inzwischen schon<br />

mit Menschen gefüllt ist. Nur<br />

wenige Bänke finden sich in dem<br />

kleinen Raum, auf denen längst<br />

nicht alle Platz finden. Normalerweise<br />

feierten hier nur Familienmitglieder<br />

die heilige Messe <strong>und</strong><br />

auch diese findet hier wegen Priestermangel inzwischen<br />

nicht mehr statt. Der Schlossherr scheint sich über das<br />

große Interesse der Menschen zu freuen <strong>und</strong> heißt uns<br />

willkommen. „Sie müssen sich vorstellen, dass die Kapelle,<br />

in der wir gerade stehen, früher nicht mit dem<br />

Hauptgebäude verb<strong>und</strong>en war. Vor einigen Jahrh<strong>und</strong>erten<br />

hätten sie die Küche verlassen, wären ins Freie getreten<br />

<strong>und</strong> dann in ein neues Gebäude mit der Kapelle<br />

eingetreten“, erklärt er uns. Dann erläutert Hunold<br />

Graf von Plettenberg den Altar aus dem 17. Jahrh<strong>und</strong>ert,<br />

der mit einem Altarbild des Malers Johann Georg Rudolphi<br />

geschmückt ist. Auch Prozessionsfiguren der Mutter<br />

Anna mit Maria, die früher bei der Fronleichnamsprozession<br />

durch den Ort getragen wurden, finden sich in der<br />

Kapelle. „<strong>Das</strong> ist aber schon so lange her, dass ich selbst<br />

es nicht miterlebt habe“, erklärt der Schlossherr.<br />

Aus der Kapelle führt uns Hunold Graf von Plettenberg<br />

eine Steintreppe hinauf in den ersten Stock. „Bitte passen<br />

Sie auf, wo Sie hintreten. Die Stufen sind nicht alle<br />

gleich hoch. Da kann man schnell stolpern“, gibt er uns<br />

mit auf den Weg. Oben angekommen treten wir durch<br />

eine schwere Eichentür. Diese wurde kunstvoll mit einem<br />

Muster verziert, das aus schwarzen Nägeln besteht.<br />

„Jeder einzelne Nagel wurde mit dem Familienwappen<br />

verziert“, erklärt uns der Graf. Wir befinden uns in einem<br />

Flur, an dessen Wänden zahlreiche Portraits von Familienmitgliedern<br />

der von Plettenbergs aus den vergangenen<br />

Jahrh<strong>und</strong>erten hängen. Auf die weit zurückreichende<br />

Familiengeschichte ist man sichtlich stolz. <strong>Das</strong> sieht<br />

man nicht nur an den Portraits,<br />

sondern man hört es auch daran<br />

wie der Schlossherr über seine<br />

Ahnen <strong>und</strong> deren Arbeiten für<br />

<strong>und</strong> r<strong>und</strong> um das Schloss spricht.<br />

Gegenüber an der Wand hängen<br />

zahlreiche Geweihe, Speere,<br />

Pfeile <strong>und</strong> ein ausgestopfter<br />

Auerhahn. „Der letzte, der hier<br />

1931 geschossen wurde“, wie<br />

der Schlossherr erklärt.<br />

Wir treten in die „gute Stube“,<br />

wie Hunold Graf von Plettenberg<br />

uns mitteilt. In der Mitte<br />

des Raums ist ein Dutzend Stühle<br />

zu einem Kreis aufgestellt. An<br />

den Wänden alte Schränke, Portraits<br />

<strong>und</strong> ein Klavier, das gleich<br />

von einem Kind unserer Besuchergruppe<br />

ausprobiert wird.<br />

Statt des von mir erwarteten<br />

Donnerwetters ist der Schlossherr erfreut. Er ermuntert<br />

den Jungen uns etwas vorzuspielen <strong>und</strong> bittet uns Platz<br />

zu nehmen. So sitze ich auf einem der hohen Lehnstühle,<br />

lausche der Klaviermusik <strong>und</strong> höre dem Schlossherr<br />

zu, der uns erklärt, wozu dieser Raum genutzt wird. Die<br />

Situation ist irgendwie unwirklich, aber sehr faszinierend.<br />

„Früher wurden die Neugeborenen in Schönholthausen<br />

getauft, wo die meisten zu Fuß hinlaufen mussten. Ausnahmen<br />

gab es nur im harten Winter, wenn der Schnee<br />

meterhoch lag. Dann wurden die Kinder hier in der guten<br />

Stube getauft. Heute treffen wir uns hier zu Familienfeiern.“<br />

Durch die Fenster kann man die Hauptstraße<br />

erkennen, die dem Haus seit Jahrzehnten zusetzt. „Die<br />

vorbeifahrenden LKW erschüttern das alte Gebäude immer<br />

wieder. Deshalb haben wir viele Putzrisse, vor allem<br />

im Treppenhaus“, bedauert der Schlossherr.<br />

<strong>Das</strong>s der Familiensitz heute überhaupt noch steht, ist<br />

einem Stahlkorsett zu verdanken, verrät Hunold Graf<br />

von Plettenberg. Im April 1945 wurde das Schloss durch<br />

Bombeneinschläge stark beeinträchtigt. „Man wollte<br />

vermutlich die Bahnlinie treffen <strong>und</strong> hatte sich beim<br />

Abwurf ordentlich verschätzt“, mutmaßt der Schlossherr.<br />

So fielen die Bomben stattdessen in den Schlosshof<br />

<strong>und</strong> den Wassergraben. <strong>Das</strong> Gebäude trug viele sichtbare<br />

Schäden davon. Am meisten beeinträchtigten aber<br />

die Risse im Fels, auf dem das Schloss steht, die Stabilität.<br />

„<strong>Das</strong> zu reparieren war eine mühevolle Angelegenheit.<br />

Nur durch ein Stahlkorsett, das das Gebäude stützt,<br />

war es möglich das Schloss zu erhalten“, erklärt er.<br />

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