Komplett. Das Sauerlandmagazin. Zwischen Verse und Sorpe. Ausgabe November/Dezember 2017
Themen u.a.: Neue Form der Bürgerbeteiligung in Plettenberg - Treffpunkt Bahnhof Werdohl, hier pulsiert das Leben - Professor plant Feiermuseum in Gründerzeitvilla
Themen u.a.: Neue Form der Bürgerbeteiligung in Plettenberg - Treffpunkt Bahnhof Werdohl, hier pulsiert das Leben - Professor plant Feiermuseum in Gründerzeitvilla
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
gesamte Gebäude seit mehr als<br />
700 Jahren“, erklärt er.<br />
Von der Küche geht es zurück in<br />
die Eingangshalle <strong>und</strong> von dort<br />
in die schlosseigene Kapelle, wo<br />
uns Hunold Graf von Plettenberg,<br />
Schlossherr <strong>und</strong> Vater von<br />
Graf G<strong>und</strong>olf, in Empfang nimmt.<br />
Auch er ist gekleidet in Hemd<br />
<strong>und</strong> Anzughose. Der Schlossherr<br />
lächelt seine zahlreichen Besucher<br />
fre<strong>und</strong>lich an, während die<br />
letzten unserer Gruppe noch versuchen<br />
in die kleine Kapelle zu<br />
gelangen, die inzwischen schon<br />
mit Menschen gefüllt ist. Nur<br />
wenige Bänke finden sich in dem<br />
kleinen Raum, auf denen längst<br />
nicht alle Platz finden. Normalerweise<br />
feierten hier nur Familienmitglieder<br />
die heilige Messe <strong>und</strong><br />
auch diese findet hier wegen Priestermangel inzwischen<br />
nicht mehr statt. Der Schlossherr scheint sich über das<br />
große Interesse der Menschen zu freuen <strong>und</strong> heißt uns<br />
willkommen. „Sie müssen sich vorstellen, dass die Kapelle,<br />
in der wir gerade stehen, früher nicht mit dem<br />
Hauptgebäude verb<strong>und</strong>en war. Vor einigen Jahrh<strong>und</strong>erten<br />
hätten sie die Küche verlassen, wären ins Freie getreten<br />
<strong>und</strong> dann in ein neues Gebäude mit der Kapelle<br />
eingetreten“, erklärt er uns. Dann erläutert Hunold<br />
Graf von Plettenberg den Altar aus dem 17. Jahrh<strong>und</strong>ert,<br />
der mit einem Altarbild des Malers Johann Georg Rudolphi<br />
geschmückt ist. Auch Prozessionsfiguren der Mutter<br />
Anna mit Maria, die früher bei der Fronleichnamsprozession<br />
durch den Ort getragen wurden, finden sich in der<br />
Kapelle. „<strong>Das</strong> ist aber schon so lange her, dass ich selbst<br />
es nicht miterlebt habe“, erklärt der Schlossherr.<br />
Aus der Kapelle führt uns Hunold Graf von Plettenberg<br />
eine Steintreppe hinauf in den ersten Stock. „Bitte passen<br />
Sie auf, wo Sie hintreten. Die Stufen sind nicht alle<br />
gleich hoch. Da kann man schnell stolpern“, gibt er uns<br />
mit auf den Weg. Oben angekommen treten wir durch<br />
eine schwere Eichentür. Diese wurde kunstvoll mit einem<br />
Muster verziert, das aus schwarzen Nägeln besteht.<br />
„Jeder einzelne Nagel wurde mit dem Familienwappen<br />
verziert“, erklärt uns der Graf. Wir befinden uns in einem<br />
Flur, an dessen Wänden zahlreiche Portraits von Familienmitgliedern<br />
der von Plettenbergs aus den vergangenen<br />
Jahrh<strong>und</strong>erten hängen. Auf die weit zurückreichende<br />
Familiengeschichte ist man sichtlich stolz. <strong>Das</strong> sieht<br />
man nicht nur an den Portraits,<br />
sondern man hört es auch daran<br />
wie der Schlossherr über seine<br />
Ahnen <strong>und</strong> deren Arbeiten für<br />
<strong>und</strong> r<strong>und</strong> um das Schloss spricht.<br />
Gegenüber an der Wand hängen<br />
zahlreiche Geweihe, Speere,<br />
Pfeile <strong>und</strong> ein ausgestopfter<br />
Auerhahn. „Der letzte, der hier<br />
1931 geschossen wurde“, wie<br />
der Schlossherr erklärt.<br />
Wir treten in die „gute Stube“,<br />
wie Hunold Graf von Plettenberg<br />
uns mitteilt. In der Mitte<br />
des Raums ist ein Dutzend Stühle<br />
zu einem Kreis aufgestellt. An<br />
den Wänden alte Schränke, Portraits<br />
<strong>und</strong> ein Klavier, das gleich<br />
von einem Kind unserer Besuchergruppe<br />
ausprobiert wird.<br />
Statt des von mir erwarteten<br />
Donnerwetters ist der Schlossherr erfreut. Er ermuntert<br />
den Jungen uns etwas vorzuspielen <strong>und</strong> bittet uns Platz<br />
zu nehmen. So sitze ich auf einem der hohen Lehnstühle,<br />
lausche der Klaviermusik <strong>und</strong> höre dem Schlossherr<br />
zu, der uns erklärt, wozu dieser Raum genutzt wird. Die<br />
Situation ist irgendwie unwirklich, aber sehr faszinierend.<br />
„Früher wurden die Neugeborenen in Schönholthausen<br />
getauft, wo die meisten zu Fuß hinlaufen mussten. Ausnahmen<br />
gab es nur im harten Winter, wenn der Schnee<br />
meterhoch lag. Dann wurden die Kinder hier in der guten<br />
Stube getauft. Heute treffen wir uns hier zu Familienfeiern.“<br />
Durch die Fenster kann man die Hauptstraße<br />
erkennen, die dem Haus seit Jahrzehnten zusetzt. „Die<br />
vorbeifahrenden LKW erschüttern das alte Gebäude immer<br />
wieder. Deshalb haben wir viele Putzrisse, vor allem<br />
im Treppenhaus“, bedauert der Schlossherr.<br />
<strong>Das</strong>s der Familiensitz heute überhaupt noch steht, ist<br />
einem Stahlkorsett zu verdanken, verrät Hunold Graf<br />
von Plettenberg. Im April 1945 wurde das Schloss durch<br />
Bombeneinschläge stark beeinträchtigt. „Man wollte<br />
vermutlich die Bahnlinie treffen <strong>und</strong> hatte sich beim<br />
Abwurf ordentlich verschätzt“, mutmaßt der Schlossherr.<br />
So fielen die Bomben stattdessen in den Schlosshof<br />
<strong>und</strong> den Wassergraben. <strong>Das</strong> Gebäude trug viele sichtbare<br />
Schäden davon. Am meisten beeinträchtigten aber<br />
die Risse im Fels, auf dem das Schloss steht, die Stabilität.<br />
„<strong>Das</strong> zu reparieren war eine mühevolle Angelegenheit.<br />
Nur durch ein Stahlkorsett, das das Gebäude stützt,<br />
war es möglich das Schloss zu erhalten“, erklärt er.<br />
28