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Der Burgbote 1979 (Jahrgang 59)

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tigen Einstand Im Dorfchor gehabt. Frei<br />

lich, der einzige Freund Böllers, Anstrei<br />

cher Strempei, mußte sämtliche Register<br />

seiner Überzeugungskunst aufbieten, um<br />

den schüchternen Johann in den Chor zu<br />

werben. » Wir brauchen Tenöre - ganz drin<br />

gend«, hatte der für seinen Beruf eigentlich<br />

zu schwergewichtige Strempei mehrmals<br />

Böller vorgejammert. Und das war wirklich<br />

nicht gelogen. Denn damals kämpften<br />

iedigiich drei Tenöre gegen die Übermacht<br />

c ßnderen Stimmen an.<br />

Und dann kam Böller, in den ersten Proben<br />

erklang seine Stimme noch recht zaghaft.<br />

Doch von Sangesabend zu Sangesabend<br />

steigerte er sich. Böller legte schließlich<br />

während der Proben alle Zurückhaltung,<br />

die sonst ein so starker Wesenszug seines<br />

Innenlebens war, ab und wurde zu dem<br />

Tenor, den sich Chorleiter Pranger, im bür<br />

gerlichen Beruf Bäckermeister, schon<br />

lange gewünscht hatte.<br />

Doch dann passierte es. Die 28 »Sangesiust«-Mitgiieder<br />

hatten sich gerade im<br />

Pfarrsaai choristisch formiert, Pranger den<br />

Taktstock mit der rechten Hand erhoben,<br />

als sich jenes leichte Kribbein in Böllers<br />

Nasengegend bemerkbar machte. »Nur<br />

jetzt nicht . . .«, flehte Böller. Würde er<br />

schnell noch einmal ins Taschentuch<br />

Schnäuzen können?-Schon zu spät! Nach<br />

t. ßiv gutem Einsatz lauschte das fast voll<br />

ständig anwesende Dorf bereits andächtig<br />

den Klängen des vierstimmigen Satzes.<br />

Böllers Nasenkribbein wurde stärker. Was<br />

machen? Johann bewegte - trotz gerade<br />

sehr hoher Töne - mehrmals unruhig die<br />

Nasenflügel. Half aber nicht.<br />

»Einfach an 'was anderes denken«, redete<br />

sich Böller ein. Doch versuchen Sie es ein<br />

mal, wenn ihre Nase in ähnlicher Situation<br />

kribbelt, an 'was anderes zu denken . . .<br />

Trotz findigster Abienkungstaktik - Böllers<br />

Kribbein hielt an, ja, wurde noch stärker.<br />

Und dann plötzlich wußte die ansonsten<br />

große Stütze des Tenors, die Katastrophe<br />

würde nicht mehr abwendbar sein.<br />

Böller zog zwar noch rasch das Notenblatt<br />

ein bißchen höher-doch gerade als Pran<br />

ger für die Zuhörerschaft kaum bemerkbar<br />

mit dem Zeigefinger der linken Hand die so<br />

schwierige Pause von vier Takten vor<br />

wippte, krachte es mit voller Gewalt aus<br />

Böllers Nase heraus. Und weil der Reiz eine<br />

ungeheure Intensität gehabt haben mußte,<br />

platzte gleich noch ein zweiter Nieser hin<br />

terher ...<br />

Nach dieser peinlichen wie befreienden<br />

Reaktion sah Böller, noch Tränen in den<br />

Augen, die aufgeblähten Backen von fJietzgermeister<br />

Friebei, gleich in der ersten<br />

Reihe sitzend. Noch ehe Böllers Söhnchen<br />

Paul, bis dahin artig neben Mutter dem<br />

Chor zugehört, seinem Papa ein iiebgemeintes<br />

»Gesundheit Vati« zurufen<br />

konnte, platzten die Backen des Metzgers<br />

derartig in ein böiierndes, breites, unbe<br />

herrschtes Lachen auseinander, daß<br />

schon bald-weil des Metzgers Lache recht<br />

ansteckend wirkte - der ganze Pfarrsaai<br />

einer johlenden, juchzenden, sich biegen<br />

den und wogenden Karnevaisgeseiischaft<br />

glich.<br />

Das Konzert war dahin. Zwar hatte Pranger<br />

nochmals versucht, durch eine flotte Weise<br />

die Situation zu retten - doch vergeblich.<br />

Denn selbst eine beträchtliche Anzahl der<br />

Chormitgiieder hatte sich von der urigen<br />

Lachsalve des Metzgers anstecken lassen.<br />

Und Johann Böller? <strong>Der</strong> soll am Abend<br />

erstmals in seinem Leben so richtig einen<br />

zur Brust genommen haben. In recht an<br />

geheitertem Zustand war ihm dann selbst<br />

jener Begriff »Böiler-Soio« von den Lippen<br />

entfleucht, der ihm freilich nach ausge<br />

standenem Kater für lange Zeit noch unan<br />

genehm nachlaufen sollte. Auch Chorpro<br />

ben waren selbst Wochen nach dem Neu<br />

jahrskonzert unmöglich.<br />

josch.

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