Der Burgbote 1979 (Jahrgang 59)
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<strong>Der</strong> renommierte Kunsthistoriker Professor Heinrich Lützeler hat sich das Divertisse<br />
mentchen »Et Carmen vun d'r Bottmüii« angesehen und der Cäciiia Woikenburg im<br />
folgenden Brief seine Eindrücke als Zuschauer geschildert, denen wohl nichts mehr<br />
hinzuzufügen ist. Außer vielleicht dies: Macht weiter so!<br />
PROFESSOR DR. HEINRICH LÜTZELER • NIEBUHRSTRASSE 19 • 5300 BONN 1<br />
FERNRUF 02221/215442 DEN 5 3 1 979<br />
(<br />
Cacilia V/olkenburg<br />
Haus Wolkenbürg,<br />
Mauritiussteinweg <strong>59</strong><br />
■5000 Köln 1<br />
7<br />
Meine sehr Geehrten!<br />
Herzlich bedanke ich mich für Ihr diesjähriges Spiel. Es ist<br />
einfach bewunderungswürdig, was Köln hervorbringt. Das gibt<br />
es nirgendwo anders. In den Kamevalstagen mußte ich fern der<br />
Heimat, nämlich in der Umgebung Münchens, ein paar Vorträge<br />
halten. Da ist mir erneut aufgegangen, welch eine Kraft des<br />
Spiels von Köln ausgeht. Alles ist in Ihrem Divertissementchen<br />
wirksam: der Spaß, die Parodie, die Buntheit der Erscheinung,<br />
der schöne Gesang, ein ausbündiges Temperament, dem-nichts<br />
Menschliches fremd bleibt.<br />
(<br />
Mir ist die ungeheure Mühe klar, die hinter einer solchen<br />
Aufführung steht. Ich habe mich darüber auch unterrichten<br />
lassen. Schön, daß sich ein recht großer Kreis heute in unserer<br />
genormten und rationalisierten Welt für dergleichen einsetzt!<br />
Hier siegt das Leben über den Computer.<br />
Eine gewisse Problematik ist, wie immer, der Text. Die beiden<br />
ersten Aufzüge machen keine Schwierigkeiten, auch nicht das<br />
Ende des vierten Aufzuges. Aber dazwischen liegt ein Bereich<br />
nachlassender Spannung. Geschickt fand ich die dialogische<br />
Aufgliederung des dritten Bildes. Ob man nicht noch aus dem<br />
Vorgebirge eine eigene Art der Komik hätte herausholen können?<br />
Mischaela bot einen guten Ausgangspunkt.<br />
Da Sie auf der Bühne beschäftigt sind, ahnen Sie nicht, wie groß<br />
artig es im Zuschauerrainii zugeht. Das ist eine Einheit des Fuh<br />
lens und Denkens, des schwungvollen Mittuns und der unmittelbaren<br />
Betroffenheit im Kern des eigenen Lebens, wie es kaum je im moder<br />
nen Theater möglich wird. Vielleicht gab es das nicht mehr seit<br />
den Komödien der Griechen.<br />
Alles Gute für die Zukunft!<br />
In herzlicher Verbundenheit