Der Burgbote 1979 (Jahrgang 59)
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Brahma Stippvisite bei Dvorak<br />
Ein Abstecher in die Musikgeschichte; Wie Johannes Brahma in Prag<br />
Antonin Dvorak kennenlernte und ihn förderte.<br />
Brahms reiste 1879/80, also vor rund hundert<br />
Jahren, mit Josef Joachim, dem besten<br />
Geiger seiner Zeit, der Brahms Violinkonzert<br />
aus der Taufe gehoben und späterhin für des<br />
sen weiteste Verbreitung gesorgt hat, von<br />
\ ^ aus über Böhmen und Mähren nach<br />
Poren, um Konzertverpflichtungen nachzu<br />
kommen. Johannes Brahms stand zu diesem<br />
Zeitpunkt auf der Höhe seines Schaffens und<br />
war als Pianist und Komponist weithin aner<br />
kannt. Er benutzte seine Anwesenheit in Prag<br />
dazu. Antonin Dvorak persönlich aufzu<br />
suchen, dem er als Mitglied der Wiener Sti<br />
pendienkommission für musikalische Bega<br />
bungen in Anerkennung dessen hervorragen<br />
den Könnens schon verschiedentlich finan<br />
zielle Zuwendungen hatte verschaffen kön<br />
nen.<br />
Brahms fand den jungen Musiker mit seiner<br />
Familie, Frau und zwei kleinen Kindern in ärm<br />
lichsten Verhältnissen in einer Einzimmer<br />
wohnung hausend. Er war von dieser Armut<br />
ebenso bestürzt wie von der großen Anzahl<br />
von Manuskripten, die da herumlagen, von<br />
denen bisher nichts gedruckt war. Niemand,<br />
auch Dvoraks eigene böhmische Landsleute,<br />
hatten sich je einmal um diese Kompositionen,<br />
Sinfonien, Kammer- und Klaviermusik, ge-<br />
K ^nert.<br />
Darüber sehr betroffen, setzte sich Brahms<br />
sofort mit seinem Verleger Simrock in Verbin<br />
dung, und kurze Zeit später folgten die „Sla<br />
wischen Tänze", die Dvorak nach dem Vor<br />
bild von Brahms' „Ungarischen" komponiert<br />
hatte.<br />
Mit diesen beiden Erstlingen legte er den<br />
Grund zu seinem späteren Ruhm, den er nicht<br />
zuletzt Brahms mitverdankte.<br />
Um ihm eine finanziell sichere Basis zu ver<br />
schaffen und seiner hervorragenden Kontra<br />
punktik wegen wollte Brahms ihn als Kompo<br />
sitionslehrer für das Wiener Konservatorium<br />
gewinnen, damit dieser wieder gut mache,<br />
was nach Brahms' Meinung dort an der musik<br />
studierenden Jugend verdorben worden war.<br />
Dvorak lehnte jedoch unerklärlicherweise ab.<br />
Als Brahms drängte, den wahren Grund dafür<br />
zu erfahren, gestand Dvorak, daß er nicht über<br />
die finanziellen Mittel verfüge, im teuren Wien<br />
mit seiner Familie durchzukommen. Da sagte<br />
der oft als Egoist angesehene Brahms allen<br />
Ernstes: „Nun, ich habe keine Kinder und<br />
habe für niemand mehr zu sorgen, betrachten<br />
Sie mein Vermögen als Ihr Eigentum."<br />
Dvorak mochte das hochherzige Anerbieten<br />
nicht annehmen und Brahms wiederholte<br />
dasselbe später noch einmal dringlicher, als<br />
er von Dvoraks Absicht hörte, nach Amerika<br />
zu gehen und dort die Leitung des New Yorker<br />
Konservatoriums zu übernehmen.<br />
Dies und ähnliche Beweise von Brahms' Hilfs<br />
bereitschaft wären nie bekannt geworden,<br />
hätte nicht die Dankbarkeit Dvoraks sie über<br />
liefert.<br />
Amerikamüde kehrte Dvorak 1895 mit seiner<br />
Familie nach Prag zurück. Aus der neuen Welt<br />
brachte er, gewissermaßen als Mitbringsel,<br />
Kompositionen mit, die heute Weltgeltung be<br />
sitzen und mit zum Schönsten gehören, was<br />
die Musikliteratur der Welt beherbergt: Kom<br />
positionen, von melancholischen Rhythmen<br />
einer sterbenden Indianerkultur geprägt, von<br />
den geistlichen Gesängen der amerikani<br />
schen Neger wie auch vom großen Heimweh<br />
nach seiner böhmischen Heimat. Es sind die<br />
große e-moH Sinfonie, aus der neuen Welt ge<br />
nannt, ein Streichquintett, das berühmte F-dur<br />
Streichquartett, ebenfalls aus der neuen Welt<br />
genannt und als op. 100 eine Klavier-Violinsonatine<br />
als Jubiläumswerk, die er in seiner<br />
Bescheidenheit seinen Kindern widmete.<br />
Brahms, der 1897 starb, hat es somit noch er<br />
lebt, welchen Höhenflug der von ihm von<br />
Anfang an so sehr geschätzte Tonkünstler<br />
genommen hat, von dem er einmal sagte: „Ich<br />
möchte vor Neid aus der Haut fahren über<br />
das, was diesem Menschen so ganz neben<br />
bei einfällt!" Lit.: Rehberg, Brahms Fr. Sitt