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"Wir sind Biosphäre" - Das Magazin

"Wir sind Biosphäre" - Das Magazin des UNESCO Biosphärenpark Salzburger Lungau | www.kwer.at

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REPORTAGE | 69<br />

VOGELZUGFORSCHUNG UND<br />

ARTENSCHUTZ IM LUNGAU<br />

Gesunde Lebensräume für die Botschafter der Natur<br />

ES IST FÜNF VOR ZWÖLF ...<br />

© Anni Kogler © dreiD.at<br />

„Es ist fünf vor zwölf bei vielen Naturschätzen!“<br />

Wie bitte? <strong>Das</strong>, was Hemma Gressel von BIRDLIFE da sagt,<br />

kann doch nicht auf unseren Lungau zutreffen!<br />

Leider doch, es ist tatsächlich so. Auch das schönste Naturjuwel<br />

ist vor schädigenden Einflüssen nicht gefeit. Intensivierung<br />

von Land- und Forstwirtschaft, moderne <strong>Wir</strong>tschaftsweisen,<br />

Verbauung und andere Einflüsse zerstören<br />

Lebensräume von Tieren und Pflanzen beziehungsweise<br />

grenzen sie ein. Vögel <strong>sind</strong> ein Beispiel, an dem sich offensichtlich<br />

zeigt, wie sich selbst die Naturregion Lungau<br />

in den letzten Jahrzehnten verändert hat. Dank der Schutzorganisation<br />

BIRDLIFE sowie dem EU-Projekt zum Schutz<br />

der Braunkehlchen im Lungau konnte bislang Schlimmerem<br />

vorgebeugt und manches sogar wieder verbessert<br />

werden. Dennoch, und dies belegen Studien: Vor fünfzig<br />

Jahren bewohnten den Lungau mehr als doppelt so viele<br />

Vögel wie heute. „Früher waren sie flächendeckend da,<br />

jetzt <strong>sind</strong> sie nur noch inselförmig vorhanden“, so Hemma<br />

Gressel.<br />

Für diese Entwicklung gibt es auch eine Erklärung: Früher<br />

war die Wildnis noch umfangreicher, und es gab viele<br />

feuchte Wiesen. Jeder Landwirt bewirtschaftete noch<br />

eine Streuwiese – der Verlust dieser Streuwiesen als Lebensraum<br />

für Vögel und andere Tiere gilt als gravierend.<br />

„Und die Blumenwiesen <strong>sind</strong> bekanntlich europaweit verschwunden“,<br />

fügt die Vogelkundlerin hinzu. Nur noch vereinzelt<br />

<strong>sind</strong> sie im Lungau zu finden, die Blumenwiesen, die<br />

nicht nur Vögeln sondern auch Insekten, Bienen und vielen<br />

anderen Wiesenbewohnern einen gesunden Lebensraum<br />

bieten. In der Natur hängt eben alles zusammen, und<br />

eines ergibt das andere: Kein Lebensraum, keine Tier- und<br />

Artenvielfalt - da keine Nahrung, keine Brut- und Nistplätze,<br />

keine ruhigen Rückzugsorte.<br />

Es ist dies zum einen auf das Mähverhalten zurückzuführen,<br />

zum anderen darauf, dass Wald-, Feld- und Wiesenwuchs<br />

in der Landschaft mit modernen Geräten bis in die letzten<br />

Winkel der <strong>Wir</strong>tschaftsflächen „sauber gemacht“ werden.<br />

Die Landwirtschaft steht unter wirtschaftlichem Druck, oftmaliges<br />

Mähen und Düngen <strong>sind</strong> der Weg zu besserer<br />

Milchleistung – verständlich aus Sicht des Bauern, für viele<br />

Lebewesen aber, man denke an Tierarten wie Frösche,<br />

Heuschrecken und Blindschleichen, bedeutet dies deutliche<br />

Reduktion, wenn nicht sogar Ausrottung. <strong>Das</strong>s es in<br />

der Landwirtschaft aus Leistungsdruck üblich wurde, die<br />

erste Mahd schon vor dem 15. Juni und somit mitten in der<br />

Brutzeit der Vögel durchzuführen, ist ebenso ein Problem.<br />

Und in puncto Düngung ist vor allem die Gülle prekär: Der<br />

flüssige Kuhmist ist für tierische Lebensräume schlichtweg<br />

der Tod. Auch die Wildtiere und Waldvögel <strong>sind</strong> betroffen:<br />

<strong>Wir</strong>d alles bis auf den letzten Zentimeter „gereinigt“, gibt<br />

es kein Futter mehr. Waldrandstreifen, die mit modernen<br />

Geräten penibel bearbeitet werden können, bieten keinen<br />

Platz mehr für Drosseln und andere Arten.<br />

Vogelkunde wird somit zu einem wichtigen Teil des Naturschutzes.<br />

BIRDLIFE ist der Verein, der sich am intensivsten<br />

mit dem Schutz sowie mit Forschung beschäftigt. In den<br />

ausgewiesenen Natur- und Landschaftsschutzgebieten<br />

im Lungau <strong>sind</strong> noch mehrere Vogelarten und ihre Nistplätze<br />

zu finden. Kaum bekannt ist die Zugvögel-Beringungs-„Station“<br />

südlich von Tamsweg (ein wildbewachsener,<br />

bewucherter Naturstreifen neben der Mur), die<br />

Hemma Gressel mit ihren ehrenamtlichen Helfern seit fünf<br />

Jahren betreut. Von Juli bis Oktober <strong>sind</strong> sie hier aktiv.<br />

„Wenn man bedenkt, dass diese Vögel Tausende Kilometer<br />

zurücklegen, dann ist es schon bemerkenswert, dass<br />

sie sich ausgerechnet den Lungau als Rastplatz, an dem<br />

sie fressen und ihr Fettdepot für die Weiterreise anlegen,<br />

aussuchen!“<br />

Diese „Murinsel“ ist ein perfekter Lebensraum für Zugvögel,<br />

die sich hier auf ihrer weiten Reise zur Regeneration<br />

für eine gewisse Zeit niederlassen. Allein im letzten Jahr<br />

haben die Vogelschützer an dieser Stelle in Tamsweg über<br />

tausend (!) Vögel verschiedenster Arten gezählt. Die Vorgehensweise<br />

dabei ist bemerkenswert: In feinen Netzen<br />

werden die Tiere vorsichtig gefangen, mit Fingerspitzen-

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